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Der bald nach Inkrafttreten des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs zum US-Gesetz erhobene Hague Invasion Act bevollmächtigt den Präsidenten der Vereinigten Staaten, Streitkräfte zur Befreiung von US-Bürgern einzusetzen, die vor dem ISGH in Den Haag angeklagt werden. Wie darf man sich den militärischen Überfall auf die Niederlande vorstellen? Aus der Luft? Mit Bodentruppen? Werden Abwehrraketen eingesetzt werden oder Antiterror-Einheiten mit Tränengas und Scharfschützen? Wird der Angriff auf einen NATO-Partner den Bündnisfall auslösen? Wird die Bundeswehr zum Einsatz kommen? Oder die durch die NATO-Osterweiterung gerade erst hinzugekommenen Armeen? Oder alle 139 Staaten, die dem ISGH zugestimmt oder sein Statut ratifiziert haben? Wird sich die Welt gegen die Weltmacht verteidigen? Diese Überlegungen wurden nichtig, als am 11. September 2001 die Weltmacht selbst angegriffen wurde und die ganze Welt in einer »Allianz gegen den Terror« sie solidarisch zu verteidigen bereit war. Was immer man von den ungeklärten Mysterien dieses Ereignissen halten mag – eins ist sicher: Die USA wurden zum größten Profiteur der Anschläge, die sie endgültig zur unumstrittenen Weltherrschaft führten und legitimierten. Welcher irrationalen Weltordnung gehen wir entgegen? Muß auf die UNO und das Völkerrecht tatsächlich keinerlei Rücksicht mehr genommen werden? Werden wir künftig aufrüsten für Abrüstungskriege? Entdemokratisieren für Demokratisierungskriege? Ölfelder abbrennen, weil die Reserven knapper werden? Müssen wir, wie mit Picassos Guernica-Bild im New Yorker UNO-Gebäude geschehen, Kunst verhüllen, um Kriegsbereitschaft zu entblößen? Wird eines Tages auch bei uns versucht werden, die Meinungsfreiheit so einzuschränken wie in den USA nach dem 11. September, als auf schwarzen Listen gefordert wurde, kritischen Schauspielern keine Rollen zu geben und Leser oppositioneller Bücher zu registrieren? Nach international gültigem Recht ist ein Krieg ohne UN-Mandat ein Angriffskrieg. Wenn draußen das Völkerrecht keine Autorität mehr hat, schleifen sich auch drinnen abenteuerliche Argumentationen ein. Der Generalbundesanwalt und andere Juristen hatten keine Mühe zu begründen, weshalb die deutsche Teilnahme an dem unerklärten Krieg gegen Jugoslawien ohne Mandat der Vereinten Nationen kein Verstoß gegen Artikel 26 des Grundgesetzes war, sondern lediglich der Abwendung einer »humanitären Katastrophe« diente. Dabei wissen sie offensichtlich nicht, was sie sagen, denn humanitär heißt menschenfreundlich, wohltätig. Was immer eine menschenfreundliche Katastrophe sein soll – sie wäre allemal besser als die nichthumanitäre Katastrophe eines Krieges. Und in der Tat, im Kosovo hatte es weder Völkermord noch systematische Vertreibungen gegeben, sondern einen sich gerade entspannenden Bürgerkrieg mit einer sehr überschaubaren Zahl von Opfern und Flüchtlingen. Die Vertreibungen und große Opferzahlen unter Zivilisten waren erst Folge der Bombardements, mit denen angeblich die »humanitäre Katastrophe« beendet werden sollte. Max van der Stoel, Hoher Kommissar der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE): »Es ist meine feste Überzeugung, daß Kapital, das in Konfliktverhütung investiert wird (und ich sage absichtlich ›investiert‹, nicht bloß ›ausgegeben‹), gut und sinnvoll investiertes Kapital bildet. Denn Konfliktverhütung ist preiswerter als friedenserhaltende Maßnahmen, und diese sind wiederum preiswerter als Krieg.« Für das Geld, das der Kosovo-Krieg gekostet hat, so haben Fachleute berechnet, hätte man jeder Familie im Kosovo ein neues Haus mit Swimmingpool bauen können. Ich bin sicher, Nachbarn solcher Häuser hätten sich vertragen – egal ob Serben, Kroaten oder Bosnier. Das Problem ist nicht, daß Geld ausgegeben wird, sondern daß es falsch ausgegeben wird. Ich wünschte mir, eine Gruppe der Friedensforschungsinstitute würde, um das eindrucksvoll zu veranschaulichen, die Zeitungen mit einer täglichen Rubrik beliefern unter dem Motto: Was wir uns heute leisten könnten. Dort müßte vorgerechnet werden, wieso für jeden Beschäftigten in der Rüstungsindustrie zweieinhalb zivile Arbeitsplätze bezahlt werden könnten. Oder: Der Staat hat seine Ausgaben für Schulbücher in den letzten zehn Jahren um ein Drittel gekürzt. Gleichzeitig stellt er über zwei Milliarden Euro für 60 Militärmaschinen mit dem harmlosen Namen Airbustransporter bereit (nicht ahnen könnend, welche Regierung diese Flugzeuge in welchen Kriegen wozu brauchen wird). Zwei Kriegsflugzeuge weniger und die Schulbuchfrage wäre gelöst. Bliebe auszurechnen, wie viele »Luftbusse« es kosten würde, daß Medikamente künftig kostenlos zu haben wären. Oder: Statt der Anschaffung von 21 Eurofightern könnten mehr Menschen ein ordentliches Jahresgehalt bekommen, als Köln Einwohner hat. Oder: 110 000 Lehrerinnen könnten ein Jahr unterrichten, wenn wir auf die geplanten Transporthubschrauber verzichteten. All dies wäre umzurechnen auf die täglichen Militärausgaben von 70 Millionen Euro, jahrein, jahraus... Demokratie bedeutet Einmischung in die eigenen Angelegenheiten. So wie wir uns heute einmischen, werden wir morgen leben.
Erschienen in Ossietzky 1/2005 |
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