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In einer eindringlichen Rede hatte der deutsche Außenminister Josef Fischer – inzwischen der dienstälteste Außenamtschef neben seinen Kollegen aus Brunei und Vanuatu – noch einmal die Notwendigkeit dieses letzten Kapitels der Reform der Vereinten Nationen unterstrichen. Schließlich war er es, der die Amerikaner von ihrem alten Konzept der »rogue states« und der »responsibility to intervene« abbringen konnte und gemeinsam mit US-Außenminister Dick Rumsfeld jr. und dem greisen UN-Generalsekretär Lech Walesa das neue Konzept der »civilized nations« mit der »responsibility to protect« entwickelt hatte. Fischer erinnerte daran, daß es nach der erfolgreichen Niederschlagung der Aufstände in Afghanistan und dem Irak gelungen war, eine Periode relativer Stabilität in Afrika, Asien und Lateinamerika zu gewährleisten. Grundlage dafür war, wie er betonte, das mit der Forderung nach »good governance« verbundene Konzept der sogenannten Ankerstaaten. Das sind bevorzugte Korrespondenzstaaten der NATO und der G8, schwerpunktmäßig gefördert, um eine regionale Wächter- und Stabilisatorenfunktion zu übernehmen. So konnten zum Beispiel in Kolumbien und Kuba (nachdem Fidel Castro in dem generalüberholten Camp West von Guantánamo inhaftiert worden war) genauso wie im Kongo, in Marokko und Zimbabwe sowie im Irak, in Afghanistan und Saudi-Arabien sogenannte Partnerschaftsregierungen etabliert werden, in denen wichtige Ressorts wie das Wirtschafts- und das Finanzministeriums von Vertretern der G8-Staaten wahrgenommen werden. Erst vor kurzem konnte der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler nach seiner zweiten Amtszeit gewonnen werden, das Finanzressort im Kongo zu übernehmen, wo er heute eine segensreiche Tätigkeit entfaltet. Immer wieder aufbrechende Konflikte und Terrorattacken – wer erinnert sich noch des in einem saudischen Krankenhaus 2005 aufgestöberten und erschossenen Osama Bin Laden – konnten dank der absoluten militärischen Überlegenheit der Krisenreaktionskräfte von NATO und EU durch rechtzeitige und energische Interventionen verhindert oder rasch erstickt werden. Fischer nannte nur die Friedensmissionen gegen Syrien, Korea und Saudiarabien. Er hätte Pakistan, Malaysia und Uganda sowie ein Dutzend verdeckter Aktionen hinzufügen können, um den weltweiten Wirkungsradius der Ordnungskräfte anzudeuten. Dann aber kamen jene beiden gefährlichsten Krisen um Taiwan und Georgien, denen weder die USA noch die NATO, geschweige denn die UNO ihr Friedenspotenzial entgegensetzen konnten. Die Invasion Taiwans durch das chinesische Festland hatte sich lange angekündigt, und der Westen konnte sich wegen seiner massiven Waffenlieferungen (und weil die gelieferten Waffen zum Teil als nuklearfähig verdächtigt wurden) nicht von einer gewissen Mitschuld freisagen. Als dann im Frühjahr 2017 Peking zum Schlag ausholte, war der Westen wie gelähmt und mußte sich all die Rechtfertigungen entgegenhalten lassen, die die Chinesen offensichtlich vom früheren US-Präsidenten George Walker Bush bei seinem Überfall auf den Irak in Erinnerung behalten hatten. Die Invasion Georgiens nur ein halbes Jahr später durch Moskau kam ganz überraschend, man hatte die Aufstände in Südossetien und Abchasien offensichtlich unterschätzt. Und es war geradezu peinlich, mit welcher Dreistigkeit und Arroganz der russische Außenminister Menschikow im UNO-Sicherheitsrat die Phalanx US-amerikanischer und europäischer Völkerrechtler zitierte, die seit langem den Zusammenbruch des UNO-Friedenssystems und die Unverbindlichkeit des Gewaltverbots verkündet hatten. Seitdem drohen weitere Territorialkonflikte unter dem Mantel humanitärer, ökologischer, präventiver oder schlicht Vergeltungs-Interventionen. Alte Grenzkonflikte in Südamerika brechen wieder auf, und Westafrika, mittlerweile zu einer unentbehrlichen Basis westlicher Ölversorgung herangereift, wird von heftigen Hungerrevolten, Bandenkriegen und Terror gegen die Ölfirmen erschüttert. Der Zerfall des UNO-Systems ist offensichtlich. Es mußte gehandelt werden, wie Fischer – nunmehr seit fünf Jahren als CDU-Minister in einer Koalition mit seiner alten Grünen-Partei – in seiner Rede immer wieder unterstrich. Mit beschwörenden Worten warb er noch einmal für seine Leitidee: Weg von der alten diskriminierenden Vorstellung von »Schurkenstaaten«, die zu beseitigen seien, hin zu dem positiven Konzept der »zivilisierten Nationen«. Selbstverständlich gehe es ihm nicht darum, das unsinnige allgemeine Gewaltverbot aus dem Abfallhaufen der Geschichte hervorzukramen und der UNO eine Last aufzubürden, die sie nicht schultern könne. Entscheidend sei, das Interventionsrecht den zivilisierten Nationen vorzubehalten, die etwa zum Schutz des Welthandels- und Weltwirtschaftssystems, aber auch zum Schutz gefährdeter Staaten oder ökologischer Ressourcen im Sinne des »common heritage of mankind« zur Intervention verpflichtet sein müßten. »Zivilisierte Nationen« seien die, die ähnlich der Definition in der Verfassung der EU für die umfassenden Ordnungsaufgaben bereit und militärisch auch in der Lage seien. Gefragt, ob er über das Scheitern der Initiative sehr enttäuscht sei, meinte er: Oh nein, er sei optimistisch, daß mit ein bißchen mehr Überzeugungsarbeit und Druck unserer amerikanischen Freunde im nächsten Jahr die Einsicht in das Notwendige wachse. Er sei nur etwas erschöpft von den ewigen Anfeindungen daheim und werde deshalb mit seiner jungen Freundin direkt von Bagdad aus nach Kerala zu einer Ajurveda-Kur aufbrechen.
Erschienen in Ossietzky 1/2005 |
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