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Hier war die Erinnerung an die beiden großen Kriege, die in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts die alte Welt verwüstet hatten, noch nicht ganz erloschen. Und ebenso wenig das Wissen darum, daß diese beiden Katastrophen nur deshalb hatten geschehen können, weil Millionen junge Männer, die sich damals gegenseitig abschlachteten, dem ihnen zuvor eingetrichterten kategorischen Imperativ unbedingter Vaterlandsliebe gehorchten. Zu wenige fragten seitdem nach den Urhebern jener Katastrophen. Daher verblaßte dieses Wissen nach und nach. Als erster deutscher Spitzenpolitiker bekannte sich Bundespräsident Johannes Rau bei seiner Einführung ins Amt wieder zum Patriotismus. Sein Nachfolger Horst Köhler reichte die einst von Gustav Heinemann verweigerte nationalpolitische Liebeserklärung nach. Und Edmund Stoiber erhob vor dem Düsseldorfer CDU-Parteitag die Bundesrepublik neulich gar zur »Schicksals- und Verantwortungsgemeinschaft«. Was selbst der sonst mit den deutschen C-Parteien offen sympathisierenden Neuen Zürcher Zeitung allzu starker Toback war. Unter dem Titel »Patrioten der Wertschöpfung« brachte sie am 10.12.2004 einen längeren Beitrag ihres kulturpolitischen Mitarbeiters Joachim Güntner, in welchem die in der Bundesrepublik überhandnehmende vaterländische Rhetorik mit beißender Ironie aufs Korn genommen wurde. Fazit: »In den politischen Ansprachen und Statements feiert eine Haltung Triumphe, die man wohl am besten als Wertschöpfungspatriotismus beschriebe. Kanzler Schröder verkündet, Patriotismus sei, was er jeden Tag tue, und so auch, mit den Chinesen besonders viele Handelsverträge zum Frommen der deutschen Prosperität abzuschließen. Die Opposition wiederum spricht ihm unter Bezug auf die hohe Arbeitslosigkeit eine patriotische Gesinnung ab. Der starre Blick aufs Ökonomische bleibt in beiden Fällen der gleiche. Und das soll die emotionalen Bindekräfte stärken?« Zwar werde damit »das Zusammengehörigkeitsgefühl als Nation« beschworen, »um im reißenden Strom der Globalisierung einen Ankerplatz zu schaffen«, doch weil die »neudeutschen Patrioten« beider Lager als Modernisierer zugleich »auf Seiten der Globalisierung und der internationalen Handelsbeziehungen« stünden, führe dies zu allerhand Kuriositäten. Als Beispiel nannte Güntner die »Schelte Schröders an die Adresse deutscher Wirtschaftsbosse«, die Auswanderung deutschen Geldes und deutscher Maschinen in Niedriglohnzonen sei »ein unpatriotischer Akt«. Um die Absurdität solcher Spiegelfechtereien ins Rampenlicht zu rücken, ließ Güntner hier den bundesdeutschen Publizisten Mathias Greffrath zu Wort kommen. Schröders Kritik an der Vaterlandslosigkeit deutscher Konzernbosse satirisch zu Ende denkend, schlug der ein Gesetzeswerk folgenden Inhalts vor: »Das ›deutsche Modell‹ wird zum nationalen Erbe erklärt, den Deserteuren werden die Bundesverdienstkreuze aberkannt, Steuerflucht wird endlich als das gebrandmarkt, was sie ist: ökonomische Fahnenflucht. Entlassungen werden als Dolchstoß an der Heimatfront angeprangert und die Verlagerung von Produktionsanlagen in ferne Kontinente als Hochverrat.« So viel über die grotesken Aspekte des »neudeutschen Patriotismus«. Bleibt die Frage, in welche Teufelsküchen dessen übrige, von der NZZ leider unerwähnt gebliebene, scharf minderheitenfeindliche Programmatik Deutschland bringen würde, sollte sie tatsächlich voll zum Zuge kommen. Immerhin rufen die C-Parteien bereits lautstark nach Gesetzen, welche die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer nicht nur zur Übernahme der Sprache ihres »Gastlandes«, sondern auch zur Integration in seine »Leitkultur« verpflichteten. Auch hätten die Imame der hiesigen Moscheen Allah statt auf Türkisch, Arabisch, Persisch oder auf Kisuaheli künftig auf Deutsch anzurufen. Wer sich dem nicht füge, habe hierzulande nichts zu suchen... Allen, denen die Lehren aus zwei Weltkriegen und deutschem Faschismus vorenthalten wurden, sei ein Blick ins Etymologische Wörterbuch empfohlen. Dort steht unter dem Stichwort »Patriot«, daß es ihn im heutigen militanten Sinn erst seit knapp 300 Jahren gibt. Zuvor war er lediglich ein Landsmann, Einheimischer oder Mitbürger gewesen. Zum »Vaterlandsfreund« entwickelte er sich von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an. Bis kämpferische Vaterlandsliebe sein Tun und Lassen leitete, vergingen weitere anderthalb Jahrhunderte – in welchem Zeitraum der Siegeszug neuer Produktionstechnologien einsetzte, der Welthandel sich im Zeichen blutiger kolonialer Eroberungen und Annexionen stürmisch entwickelte und frühkapitalistisch-nationale Bourgeoisien sich konstituierten. Was prompt einen weiteren prominenten Vertreter des uns interessierenden Wortstammes zur Mutation trieb: Aus dem bis dahin lediglich als Beschützer, Schirmherr oder Kapitän bekannt gewesenen Patron wurde die Patrone, die »Hülse, Zünder und Treibladung« zusammenfassende Musterform aller künftigen Feuerwaffenmunition. Die Patrioten aller Vaterländer setzten selbige fortan mit wachsender Durchschlagskraft zur Pflege ihres »Wertschöpfungspatriotismus« ein und werden sie auch weiter einsetzen. Im schlimmsten Fall bis zur finalen Katastrophe.
Erschienen in Ossietzky 1/2005 |
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