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WeggestoibertTalkshows im Fernsehen vermitteln ein Glanzpostkartenbild von Bayern: Was immer einem an der CSU etwa nicht zusage, die bildungspolitische Landschaft im Freistaat sei jedenfalls wohlgepflegt. Da stehe der PISA-Turm nicht schief. Und alle glauben es. Wer sich für Fakten interessiert, kann sie einer neuen Studie des Konstanzer Sozialwissenschaftlers Thomas Hinz entnehmen: Rund zehn Prozent der Jugendlichen in Bayern schaffen keinen Schulabschluß, bei den Schülerinnen und Schülern »mit Emigrationshintergrund« (wie das üblicherweise genannt wird) steigt diese Quote auf etwa 25 Prozent, weit über Bundesdurchschnitt. Die Studie kennzeichnet diese bayerischen Verhältnisse als Bildungsarmut, die zumeist vererbt werde und Arbeitslosigkeit vorprogrammiere. Die vielgerühmte Symbiose von Lap-top und Lederhose im angeblichen Bildungsmusterland schließt einen erheblichen Teil der Bevölkerung aus. Aber um die soziale Selektion im pädagogischen System und das dadurch bewirkte Elend zu verdecken, genügt der Anspruch, unter immerdar weißblauem Himmel sei die Welt noch in Ordnung. Arno Klönne
Alles wird gut Die Bank hat doch Die Filialen Gratis berieselt die Werbung Immer früher steht Ein gutes Zeichen, Michael Mäde
NachfrageZu Rainer Butenschöns Artikel »Wenn ver.di zu spät kommt« im Ossietzky 24/2004 merkt die Redaktion an, sie habe schon wiederholt dargelegt, »daß beim heutigen Stand der technischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland die Vier-Tage-Arbeitswo-che mit 28 Arbeitsstunden sowohl sozialpolitisch als auch volkswirtschaftlich sinnvoll und geboten« sei. Aber, liebe Redaktion, das ist doch, zumindest hinsichtlich der Viertagewoche, ein ganz alter Hut (nichts gegen alte Hüte!), denn schon Marx merkte im »Kapital« (Band I, S. 457/58, Fußnote 207) an: »Die rasche Verbesserung der Maschinerie während der Baumwollkrise erlaubte den englischen Fabrikanten gleich nach Beendigung des amerikanischen Bürgerkriegs, im Umsehen den Weltmarkt wieder zu überfüllen. Die Gewebe wurden schon während der letzten 6 Monate von 1866 fast unverkäuflich. Damit fing die Konsignation (Versendung) der Waren nach China und Indien an, was den »glut« (das Überangebot) natürlich noch intensiver machte. Anfang 1867 nahmen die Fabrikanten zu ihrem gewöhnlichen Ausfluchtsmittel Zuflucht, Herabsetzung des Arbeitslohns um 5 %. Die Arbeiter widersetzten sich und erklärten, theoretisch ganz richtig, das einzige Heilmittel sei, kurze Zeit, 4 Tage per Woche, zu arbeiten. Nach längerem Sträuben mußten die selbst ernannten Industriekapitäne sich hierzu entschließen, an einigen Stellen mit, an andren ohne Lohnherabsetzung um 5 %.« Angesichts der gewerkschaftlichen Debatten über die Zulässigkeit von Arbeitszeitverlängerungen (»im Interesse der Arbeitsplatzsicherung«), auch noch verbunden mit der Diskussion, ob denn nun die Löhne um zwei Prozent erhöht werden sollten oder nicht doch besser um zwei Prozent gesenkt, bleibt da nur die Frage: Wo sind die theoretisch gebildeten Arbeiter von einst geblieben? Thomas Kuczynski
WiderspruchNorman Paech (»Vietnam – Irak. 40 verlorene Jahre?« in Ossietzky 24/04) hat unrecht, wenn er meint, daß »ein Ende des wachsenden militärischen Widerstandes« im Irak gegen die Besatzer »absehbar« ist. Ein unterdrücktes Volk wird, solange eine Aggressionsarmee nicht feige aus 5000 Meter Höhe Städte und Dörfer zerbombt, immer Widerstand leisten. Aber wir als Friedensbewegte weltweit können mehr tun, als lediglich auf Konferenzen und Tribunalen den Aggressor zu verurteilen. Wir sollten vor allem eines tun: die Legitimität des militärischen Widerstandes gegen die Besatzer unterstützen und ihn keineswegs auf eine Stufe stellen mit den militärischen Angriffen der Besatzer auf die Zivilbevölkerung. Brigitte Queck
Ein Buch wie ein Ozean»Aber von jetzt an, von dem Augenblick, in dem wir unseren eigenen Staat haben werden, von nun an werden dir Rowdys niemals mehr zusetzen, weil du Jude bist und weil die Juden so uns so sind. – Das – nicht. Niemals. Von dieser Nacht an ist hier Schluß damit. Schluß für immer.« Sagte Vater Klausner zu seinem Sohne Amos Klausner, der sich später Oz genannt hat und ein weltberühmter Schriftsteller geworden ist. Das war in der Nacht vom 29. zum 30. November 1947, als die UNO mit 33 Ja- gegen 13 Nein- Stimmen bei zehn Enthaltungen den von der UdSSR eingebrachten Plan zur Gründung eines Judenstaates, des Staates Israel, beschlossen hatte. Ähnliche Worte hörte ich von meinem Vater in Wien, im Ärztehaus des Spitals Favoriten, wo wir damals wohnten und am Radio den Bericht aus der UNO empfingen. In seinem Roman »Eine Geschichte von Liebe und Finsternis«, den der Autor im Jüdischen Museum Berlin vorstellte – hier hatte die Literatur Zulauf wie sonst der Sport –, erzählt Oz die Geschichte seiner Familie, einer Familie aus Osteuropa, die bewußte Europäer waren, bevor man sie davonjagte, und dann bewußte Israeli wurden. Es ist eine Familiensaga, wie man sie von Thomas Mann, Gabriel García Marquez und anderen kennt. »Die Buddenbrooks« kommen mir freilich wie die kanalisierte Trave vor und »Hundert Jahre Einsamkeit« wie das Delta des Amazonas – das neue Buch von Oz dagegen wie ein Ozean von riesiger Weite, mit starken Strömungen. Ein Sohn sucht nach den Gründen für den Freitod seiner Mutter, und daraus wird die Epopoe Israels, kritisch und optimistisch. »Alles ist autobiographisch.« So der Autor. Alles ist auch Poesie. Es sind Geschichten über Geschichte. Über Gegenwart. Tragische Geschichten mit Humor. An dem Abend im Jüdischen Museum lachten wir viel. Dann hielten wir den Atem an: als der Autor die Stelle über jene November-Nacht zwischen dem 29. und 30. November 1947 las. Er ist ein guter Vorleser. Die Zuhörer im vollen Saal dankten mit würdevoller Stille. Einer, von dem ich wußte, daß er fast zeitgleich mit dem Staat der Juden geboren worden war, sagte beim Hinausgehen: »Das ist ja fast meine Geschichte.« Jochanan Trilse-Finkelstein Amos Oz: »Eine Geschichte von Liebe und Finsternis«, Suhrkamp, 768 Seiten, 26.80 €
Ingeborg Hecht auf CDOssietzky- Autorin Ingeborg Hecht, die seit Jahrzehnten mit Ihren Büchern und Vorträgen – auch und vor allem vor Jugendlichen – Außerordentliches zur Au Aufklärung über die Nazi-Vergangen-heit leistet, ist jetzt auch auf CD zu hören. In dem Hörbuch »Als unsichtbare Mauern wuchsen« schildert sie auf ganz schlichte, lakonische Art und darum besonders beeindruckend, wie der staatliche Rassismus sie Schritt für Schritt von ihrem jüdischen Vater entfernte und ihr eigenes Leben einengte. Eine Lektion, die sich tief einprägt, erschienen im Verlag Dölling und Galitz. Red.
Dichtersprünge In Zeilen- So kündigt sich der junge Literaturwissenschaftler Kai Agthe in einem neuen Bändchen als Dichter an. Ich durchblättere es und bleibe an sechs Zeilen eines Gedichts hängen, das mit der Pariser Adresse Walter Benjamins überschrieben ist: Baudelaire nachgegangen, Kafka Geldnot im Überfluß. Nichts zu sagen. Wer so dicht zu dichten vermag, ist verpflichtet, sein Talent weiterzuentwickeln. Er sollte aber auch den thematischen Sprung von der Literaturwissenschaft in die heutige Lebenswirklichkeit wagen. Eckart Spoo Kai Agthe: »Sermon«, Literarische Gesellschaft Thüringen, 20 Seiten, 4.50 €
Ein großer deutscher DichterBernd Jentzsch hat ihn 1975 so ankündigen wollen: »Dieser Autor kennt keinen literarischen Larvenzustand, er meldete sich sofort als Dichter zu Wort. Vor Brasch war lange, in der Generation, nichts Provokanteres.« Diese Ankündigung war für das Poesiealbum gedacht. Dessen Heft 89 mit den Gedichten erschien, alles andere und spätere von Thomas Brasch (auch die Ankündigung Jentzschs) war der DDR-Zensur suspekt und deshalb nicht druckbar. Nach einem solchen Bescheid erfolgte 1976 Braschs »einmalige Ausreise zwecks Übersiedlung aus der DDR«. Erzählungen, Theaterstücke, Filme, Gedichte entstehen und werden veröffentlicht, gespielt, gedreht. Theaterleute, Verleger, Schriftsteller bemühen sich um ihn, er bleibt das enfant terrible: sensibel, verletzlich, selber andere verletzend, genial, maßlos, unberechenbar, stur, besessen, immer stiller werdend. Für immer war er, der noch in englischer Emigration der jüdischen Eltern Geborene, vom Schliff der Kadettenanstalt in Naumburg und der Partei-treue des Vaters verwundet. Wie er an und in der DDR gelitten hat, leidet er an Deutschland – der Kälte, dem Irrsinn der Politik, dem Wahnsinn der schnellen Vereinnahmung. Sein Gefühl für Sprache, seine Sprachbilder, seine Darstellung von Verlassen-Sein und Suche, seine Sicht auf die Widersprüche und Absurditäten des 20. Jahrhunderts sind einfach groß. Martina Hanf und Kristin Schulz gebührt das Verdienst, in einem Band nachgelassene und weniger bekannte Texte, auch Briefe von Thomas Brasch und Erinnerungen der Freunde versammelt zu haben, dazu passende Fotos von Bernd Heyden. Ein Buch sowohl für Freunde als auch jeden, der erste Bekanntschaft mit dem Autor machen will. In den Tagebuchseiten von 1969 bis 1970 – da arbeitete er »strafversetzt« in der Produktion – erweist sich Brasch als unbestechlicher Chronist. Seine Exposés für Filme und Fernsehen aus den späten Jahren hatten in dieser Mediengesellschaft keine Chance. Sein Stern war bald erloschen, nur seine Neu-Übersetzungen von Shakespeare und Tschechow glänzten. Für mich gehört er in die Reihe der großen deutschen Dichter und Rebellen wie Büchner, Hölderlin und Kleist, die uns Bruchstücke großer Sehnsucht und nicht minder großer Verzweiflung gaben und diese Welt nicht ertragen konnten. »Jetzt schläft er neben Brecht und Hegel seinen deutschen Alptraum aus«, schreibt der Freund Klaus Pohl über Thomas Brasch, der vor drei Jahren im Alter von 56 Jahren starb und auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof begraben liegt. Christel Berger Thomas Brasch: »Das blanke Wesen«, herausgegeben von Martina Hanf und Kristin Schulz, Verlag Theater der Zeit, 176 Seiten, 12.80 €
Ein differenziertes DDR-BildNachwehen der ebenso arroganten wie ignoranten Feuilleton-Kampagnen gegen DDR-Intellektuelle waren erst kürzlich noch in den Kommentaren zu Christoph Heins Berufung zum künftigen Intendanten des Ostberliner Deutschen Theaters zu spüren. Überheblich wurde dem Schriftsteller und Bühnenautor Hein angebliche Nichteignung angelastet, doch ihm war nichts am Zeug zu flicken. Deshalb setzte der Spiegel nach und warf Berlins für die Berufung verantwortlichem Kultursenator Flierl im Zusammenhang mit der Suche nach einem Generaldirektor für die Opernstiftung Stasi-Methoden vor. Schließlich ist der Mann Mitglied der PDS, und sein Favorit für den Posten hat eine Jugendsünde als zeitweiliger IM aufzuweisen. »Aufarbeitung der Vergangenheit« wird in der BRD nach wie vor nur vom Anschlußgebiet verlangt, die eigene Vergangenheit der Sieger wird verdrängt. Der unendlichen Ost-West-Querelen müde, greift man besser zu einem Buch, dessen Autor sine ira et studio auf sein Leben in der DDR zurückblickt und dabei manche Vorurteile zurechtrückt, mit denen in 15 Jahren deutscher »Einheit« gerade auch die Wissenschaftler aus dem zeitweiligen zweiten deutschen Staat und ihre Arbeit diffamiert wurden. Werner Mittenzwei ist einer ihrer herausragenden Vertreter. In seiner kulturkritischen Autobiographie »Zwielicht« sieht er sich – so der Untertitel – »Auf der Suche nach dem Sinn einer vergangenen Zeit«. Für den vor allem als Brecht-Experte bekannten, immens fleißigen Verfasser zahlreicher Bücher auch zu anderen literaturwissenschaftlichen Themen begann die Nachkriegszeit mit der Rückkehr in seine Heimatstadt Limbach unweit Chemnitz. Jahrgang 1927, hatte er noch die letzten Gefechte als Soldat mitmachen müssen. Jetzt sog er die damals noch aus allen Zonen kommenden neuen kulturellen Einflüsse in sich ein, las vormals verfemte Autoren – für seine Generation ein prägendes Bildungserlebnis – war eine Zeitlang Neulehrer in seiner alten Schule und hörte an der Leipziger Universität Hans Meyer. Doch es zog ihn nach Berlin, vor allem des Theaters wegen. Bevor Mittenzwei ans Berliner Ensemble kam, wo er 1966-68 als Dramaturg arbeitete, landete er nach seiner Übersiedlung 1953 erst einmal als Assistent für Gesellschaftswissenschaften an der Hochschule für Musik und später als Aspirant beim Lehrstuhl für Kunst und Literatur des Instituts für Gesellschaftswissenschaften. Es war eine kulturpolitisch spannende Zeit, und Mittenzwei lernte viel Prominenz kennen. Das macht die Kapitel über jene Jahre zu einer spannenden Lektüre. Daß er manchmal aneckte, hatte für ihn zumindest keine negativen Folgen. Auch das gehört zum differenzierten Bild des Wissenschaftsbetriebs in der DDR, ebenso wie die wegen des Argwohns der SED-Dogmatiker nicht immer einfachen Kontakte zu westdeutschen Partnern von Verlagen und Theatern. So erwähnt Mittenzweis Frau Ingrid, die ein eigenes interessantes Kapitel über ihre Preußenforschungen beisteuerte, das Angebot der Zeit, etwas aus ihrem dann äußerst erfolgreichen Buch über Friedrich II. vorabzudrucken, was hinter ihrem Rücken von der Partei vereitelt wurde. Viel erfährt man auch über die nach 1990 aufgelöste Akademie der Wissenschaften der DDR, zu der Ende der achtziger Jahre 70 Institute mit 23 500 Mitarbeitern gehörten. »Diese Vielfalt und der Spielraum, den sie jedem innerhalb eines gesellschaftlichen Spannungsverhältnisses bot, machten den Charakter dieser Einrichtung aus.« Unter Wekwerths Intendanz kehrte der Mitherausgeber der Großen Brecht-Ausgabe als dramaturgischer Mitarbeiter ans BE zurück und geriet dabei auch in die berühmt-berüchtigten Auseinandersetzungen mit den Brecht-Erben. Er recherchierte für die siebenbändige Reclam-Reihe »Kunst und Literatur im antifaschistischen Exil« in der Schweiz, arbeitete mit dem Aufbau-Verlag zusammen und entdeckte als neues Mitglied ab 1983 nun auch das von vielen Individualitäten geprägte komplexe Innenleben der Akademie der Künste. Dort blieb ihm nach der »Wende« die beschämende Prozedur der Evaluierung nicht erspart. Im Gegensatz zu anderen zog er sich aber nicht verbittert zurück. So vermittelt er tiefere Einsichten in das intellektuelle Leben der DDR. Immer differenzierend bietet er gerade auch Altbundesbürgern ein notwendiges Korrektiv zum undifferenzierten Geschichtsverständnis der »Besserwessis«! Heinz Kersten Werner Mittenzwei: »Zwielicht – Auf der Suche nach dem Sinn einer vergangenen Zeit«, Faber & Faber, 512 Seiten, 29.70 €
Ein Leben für die RevolutionBemerkenswert, daß zeitgleich drei Filme zu Ehren von Revolutionären gezeigt werden: über den jungen Che Guevara, über den letzten Tag Allendes und über Olga Benario, deutsche Jüdin und Kommunistin, die weltweit grundlegende Veränderungen herbeiführen wollte und ihre Mitmenschen für diese Ziele zu gewinnen verstand – und die am Ende, von den brasilianischen Behörden an die Nazis ausgeliefert, im Gas der Hitlerschen Mordanstalt in Bernburg ihr Leben ließ. Was für ein Leben! Der Film von Galip Lytanir will es offenbaren. Allein die Beschreibung ihres Weges hätte aus dem Film, der Ruth Werners Biographie viel verdankt, einen Film von Rang machen müssen. Doch da ist mehr. Der Film präsentiert Spielszenen mit Margrit Satorius, die aus der Heldin eine junge Frau voller Lebenslust zu machen versteht, eine couragierte, zuversichtliche, liebende und liebenswerte Olga Benario zeigt, so daß ein Semi-Dokumentarfilm entstanden ist, streckenweise ein Spielfilm, der besonders dort ans Herz geht, wo der Gefängnisalltag der hochschwangeren Olga Benario nachgestellt wird: werdende Mutter hinter Gittern, liebende Mutter hinter Gittern, die Frau, der man das Kind entreißt. Eine Olga Benario schließlich, die noch in ihren letzten Stunden den Mitgefangenen Lebensmut vermittelt und sie tröstet. Walter Kaufmann
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Press-KohlDie »Zeitempfindung des Moments« hat wohl noch nie jemand so milchglasklar beschrieben wie der Musik-Philosoph Klaus Georg Koch. Er hat nämlich in der Berliner Zeitung den außerordentlichen Musikbetrieb Berlins analysiert – mit folgendem Ergebnis: »Wenn man sich den außerordentlichen Musikbetrieb Berlins einmal als Rad vorstellt, in ununterbrochener Bewegung von Proben und Darbieten, von Hören und Applaudieren, von Wiederholen und Entdecken, dann kommt der Akademie der Künste das Verdienst zu, dieses Rad von Zeit zu Zeit einmal anzuhalten. Dieses Anhalten ist die Vollendung des Drehens.« Und wenn man sich den außerordentlichen Herrn Koch einmal als Rad vorstellt, in ununterbrochener Bewegung von Musik-Hören, -Kommentieren und -Deuten, dann sehnt man wohl eine hilfreiche Instanz herbei, welche dieses Rad von Zeit zu Zeit einmal anhält, um den Dreher und sein Publikum vor jenen Schwindelanfällen zu bewahren, welche sie mit dem sogenannten Drehwurm vergiften. Dieses Anhalten wäre nicht Vollendung, sondern Beendigung des Drehens. Ob der Retter von der Akademie der Künste kommt oder aus einer Schule, die Eisenbahner mit der Kunst des Bremsens vertraut macht, ist dabei ganz unwichtig. * Rainer Braun überraschte die Leser desselben hauptstädtischen Blattes mit einem Hinweis auf den TV-Bericht über »Honeckers letzten Geburtstag«. Dessen Autoren, so Braun, »haben den 40. Jahrestag eher nüchtern rekapituliert. Mit den damaligen Botschafter Richard Barklay (USA) und seinem sowjetischen Gesandten Igor Maximytschew haben sie aussagekräftige Zeugen befragt.« Demnach beschäftigte der damalige US-Botschafter – wer hätte das geahnt – einen eigenen sowjetischen Gesandten! Da mußte die UdSSR ja zugrunde gehen. »Honecker gibt sich unbeirrbar. Während Gorbatschow offiziell noch zur Bruderpartei steht...« Aus finanziellen Gründen, nehme ich an: Honecker nannte G. wohl nicht zufällig gern »unseren teuersten Freund«. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 25/2004 |
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