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Backofen hielt ihnen mit der linken Hand die Tür auf, während er mit der rechten Hand eine Kneifzange festhielt, und sie kamen rein. Der erste Polizist fragte: »Was befindet sich dort in Ihrer Hand? Handelt es sich etwa um eine Kneifzange?« »Das sehen Sie doch.« »Also es geht um folgendes: Vorgestern beobachteten Zeugen, daß von einer unbekannten Person ein Karton vor Ihrer Wohnungstür abgestellt wurde. Dieser Karton machte sich dadurch auffällig, daß amtlicherseits, also unserer Dienststelle, bisher nichts über den Inhalt des Kartonges bekannt ist.« »Haben Sie recherchiert?« fragte Backofen. »Das gehört nicht hierher. Im übrigen sind wir es, die hier die Fragen stellen. Sie können lediglich zur Klärung des Sachverhaltes beitragen. Falls nicht, müßten wir Saiten aufziehen.« »Was für Seiten?« »Andere! Wir müßten andere Saiten aufziehen. Saiten mit A! Da würdeste aber staunen, Piepel!« »Na, na.« »Was heißt denn hier Na, na? Im übrigen sind wir es, die hier Na, na sagen. Ist das klar? Und wir stellen hier auch die Fragen. Zum Beispiel diese Frage: Was haben Sie denn eigentlich mit dieser bedrohlichen Kneifzange vor?« »Ich habe heute vier Briefe geschrieben...« »Das gehört nicht hierher. Sie wollen uns doch nicht einreden, daß Sie die Briefe mit der Kneifzange geschrieben haben. Sie treten hier als harmloser Briefkastenonkel auf und glauben, daß wir auf Ihren Schmus reinfallen. Von wegen! ›Herzliche Glückwünsche zu Deiner Taufe, liebe Erbtante‹ oder etwas in dieser Art, wie? Ich werde Ihnen mal was sagen: Mit solchen Kneifzangen kann man sogar Düsenflugzeuge zum Entgleisen bringen! Sie Briefschreiber! Sie sind in unseren Augen nichts weiter als ein Terrorist!« »Das ist doch Unsinn«, widersprach Golo Backofen, »ich bin kein Terrorist. Ich bin gelernter Beckenbauer!« »Daß ich nicht kichere! Bauen Sie Ihre Becken mit der Kneifzange?« »Ich sprach von meiner Lehrzeit. Lange her. Was stört Sie eigentlich an dieser Zange?« »Im Prinzip... nichts. Wir als Polizei haben keinerlei Angst vor irgendwelchen Zangen. Aber Terroristen wie Sie werden wir notfalls in die Zange nehmen.« Backofen erklärte ihm geduldig: »Wenn ich einen Brief geschrieben habe, klebe ich danach den dazugehörigen Briefumschlag zu. Und wenn das geschehen ist, dann klebe ich rechts oberhalb der Adresse eine Briefmarke auf den Umschlag. Da aber die Gummierung der Umschläge und der Briefmarken nicht immer gänzlich zufriedenstellend ist, feuchte ich die Lasche der Briefumschläge und die Rückseiten der Briefmarken mit flüssigem Büroleim an, der sich in einer Büroleimflasche befindet. Dieser Behälter ist unterhalb des Schraubverschlusses noch mit einer Kappe ausgestattet, die in der Mitte ein kleines Loch zur Dosierung der Leim-Menge hat. Begünstigt durch die Luftverhältnisse und die Temperatur der Stube wird der Leim im Loch – können Sie mir folgen? – manchmal hart. Daher stecke ich einen Nagel – dieser Metallstift hier ist ein Nagel – in das Loch. Zur Vermeidung der Härtung. Damit das Loch ein Loch bleibt!« Golo Backofen war etwas erschöpft und fragte: »Möchten Sie ein Glas Wasser?« »Das könnte Ihnen so passen«, sagte der Vertreter des guten Prinzips, »wir sind im Dienst. Im Dienst trinken Polizisten niemals, vor allem kein Wasser. Wollen Sie uns mit diesem Leim, den Sie mit der Kneifzange umrühren, vielleicht leimen? Uns nicht, werter Herr, uns nicht!« Der gelernte Beckenbauer, der nie in seinem Leben Büroleim umgerührt hatte (auch nicht mit einer Kneifzange), fühlte sich sehr ungemütlich. Er tröstete sich aber damit, daß ihn die Spezialisten vom polizeilichen Intelligenz-Dienst nicht gefragt hatten, wozu er die Kneifzange denn unbedingt benötige: um den infolge der sukzessiven Leimerhärtung an der Öffnung der Leimflasche festgeklebten Nagel wieder herauszuziehen. Das, beschloß er, werde ich denen niemals verraten! »Also! Also wir als die Polizei fragen Sie zum letzten Mal: Was befand sich in dem ominösen Kartong, der sich vor Ihrer Türe befand?« Herr Backofen wußte es wirklich nicht. Er kannte diesen Kartong nicht. »Was soll sich darin befunden haben? Keine Ahnung. Vielleicht Luft?« sagte er. Und das hätte er nicht sagen dürfen. Unsere Freunde und Helfer nahmen ihn mit sich zwecks endgültiger Klärung sämtlicher noch dunklen Sachverhalte vom Urknall bis zur schlaganfallartigen Vernichtung des Bösen durch den dafür freigestellten Weltsheriff sowie die Abschaffung der Arbeitslosigkeit durch Abschaffung sämtlicher Arbeitsplätze. Zunächst gaben die Polizisten auf dem Revier dem dortigen Revierförster zu Protokoll: Der Bürger G. Backofen verstünde verdächtig viel von Luft in Kartons, sogenannter flüssiger Luft (lateinisch: Eier liquide), mit der Benno Laden bekanntlich Wolkenkratzer, aber auch Präsidenten und sogar Polizisten zu enthaupten pflegt. Diese geheime Luft-Waffe trete allenthalben in der Maskierung als Kartons auf, die in großer Zahl auf Bahnhöfen, in Skilifts, Ministerial-Kantinen, Tunnel-Toiletten und Fußballer-Lokalen verhaftet werden konnten (bisherige Unkosten: ca. 1 427 222,03 Euro; es dürfen keine Spesen gescheut werden – scheu, treu, wem). Der frühere Schriftsteller Golo Backofen gab das zwecklos gewordene Briefeschreiben auf. Nach dem erfolglosen Versuch, in vorübergehendem amtlichen Gewahrsam wenigstens das Tütenkleben ohne Kneifzange zu erlernen, wurde er in einer Nervenklinik von seinen Depressionen erstaunlicherweise geheilt (der Chefarzt wurde sofort zum doppelten Professor ernannt). Backofen entschied sich für den einzigen Beruf, in dem man seiner Hoffnung nach die moderne Welt zwar nicht begreifen, aber sich mit ihr abfinden könne. Er bewarb sich bei der Polizei.
Erschienen in Ossietzky 25/2004 |
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