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Daß es schon sehr viel früher Widerstand gegen die Verbrechen des Nazi-Regimes gegeben hat und daß es Kommunisten waren, die den Deutschen schon vor 1933 gesagt hatten: »Wer Hitler wählt, wählt den Krieg«, ist dank jahrzehntelanger antikommunistischer Gehirnwäsche nicht im öffentlichen Bewußtsein. Es ist daher an der Zeit, eines 70. Jahrestages des Widerstands zu gedenken, nämlich einer 1934 durchgeführten Serie von Strafprozessen gegen Kommunisten, die versucht hatten, die Parteiarbeit trotz des von den Nazis ausgesprochenen Verbots fortzusetzen. Diesen frühen Widerstandskämpfern ging es darum, eine Organisation aufrechtzuerhalten, die den Deutschen und der Welt rechtzeitig die Augen hätte öffnen können, wohin die Fieberphantasien der Nazis führen würden. Die meisten Akten jener Strafprozesse aus dem Jahr 1934 sind vernichtet worden, die Justizopfer sind vergessen. Aber anläßlich eines Prozesses gegen den langjährigen kommunistischen Bremer Bürgerschaftsabgeordneten Willi Meyer-Buer im Jahr 1963 kam heraus, daß eine Akte des Oberlandesgerichts Hamm aus dem Jahr 1934 erhalten geblieben ist, in der eines dieser Verfahren dokumentiert ist. Die Akten eines weiteren Verfahrens vor dem selben Gericht aus dem Jahr 1936, in dem Meyer-Buer zu 4 Jahren 6 Monaten Zuchthaus verurteilt wurde, sind verloren gegangen. Das OLG Hamm hatte vor 70 Jahren über eine Anklage der Staatsanwaltschaft zu entscheiden, die sich gegen 46 Kommunisten richtete, darunter Willi Meyer-Buer (der damals noch keinen Doppelnamen führte). Den Angeklagten wurde »Vorbereitung zum Hochverrat« vorgeworfen, weil sie die Organisation ihrer Partei auch nach der sogenannten »Machtergreifung« Hitlers aufrechtzuerhalten versuchten. In den Akten sind Flugblätter und Schriften überliefert, in denen die Deutschen schon im Jahr 1933 die Wahrheit über den Reichstagsbrand und Warnungen vor künftigen Kriegen hätten lesen können. Obrigkeitshörige Bürger hatten sie brav zur Polizei getragen, und karrierebewußte Staatsanwälte hatten daraus die Anklage gezimmert. Am Beispiel dieses Verfahrens läßt sich ein Stück deutscher Justizgeschichte anschaulich machen. Willi Meyer-Buer ist sowohl im Hitler-Reich als auch in der Bundesrepublik zu Strafe verurteilt worden, weil er sich als Kommunist betätigt hatte. Das Urteil des OLG Hamm aus dem Jahr 1934 definiert seine strafbare Handlung nach den gleichen Grundsätzen, die auch 1963 angewendet wurden, als das Landgericht Bremen ihn wiederum als Kommunist verurteilte. In beiden Prozessen galt das Prinzip, jede Betätigung, die kommunistischen Fernzielen dienen könnte, zu kriminalisieren – eine Generalklausel, die dem rechtsstaatlichen Grundsatz, daß Straftatbestände klar umrissen sein müssen, Hohn sprach und darauf hinauslief, daß Kommunisten alle politischen Rechte genommen wurden. Im Urteil von1934 hieß es: Die Unterstützung der KPD, die Förderung ihrer Ziele, das Eintreten und Werben für ihre Idee ist Vorbereitung zum Hochverrat. Die KPD erstrebt, wie gerichtsbekannt, seit längerer Zeit die Änderung der Verfassung des Deutschen Reiches und die Errichtung einer Arbeiter- und Bauerndiktatur nach sowjetrussischem Muster... Jede Handlung, die geeignet ist, dieses Ziel herbeizuführen, mag sie nun in der Verbreitung kommunistischen Gedankenguts, in der Herstellung und Verteilung von Flugblättern, in dem Aufbau der zertrümmerten Organisation bestehen, mag sie durch Geldsammlungen für kommunistische Zwecke, durch Sicherstellung kommunistischer Vermögenswerte oder durch Unterstützung kommunistischer Funktionäre, insbesondere durch Beherbergung flüchtiger Kommunisten, ausgeübt werden, stellt deshalb ein Verbrechen der Vorbereitung zum Hochverrat dar. Auch 1963 wurde die angebliche Förderung der Ziele der verbotenen KPD bestraft. Meyer-Buers strafbare Handlung sahen die Bremer Richter darin, daß er sich bei der Bundestagswahl 1961 als unabhängiger Kandidat um ein Mandat bemüht und dazu aufgerufen hatte, »den Kommunisten Meyer-Buer« zu wählen. Ihm sei es darum gegangen, meinten die Richter, die kommunistischen Lehren nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Die politische Justiz in der BRD, die mit dem 1.Strafrechtsänderungsgesetz von 1951 begann, knüpfte an die Justizpraxis der demokratiefeindlichen Richter der Weimarer Republik und des NS-Staates an. Nur die Namen der Straftatbestände hatten gewechselt. Was einst als Vorbereitung zum Hochverrat bezeichnet wurde, fiel nunmehr unter Paragraphen, die den Verstoß gegen das KPD-Verbot von 1956 unter Strafe stellten. Uferlose Straftatbestände, die es ermöglichten, jede als Förderung kommunistischer Ziele zu definierende Handlung zu kriminalisieren. Was wurde den 46 Angeklagten jenes Verfahrens aus dem Jahr 1934 als Vorbereitung zum Hochverrat vorgeworfen? Da gab es Angeklagte, die sich mit anderen Genossen der verbotenen KPD getroffen hatten, um über den Wiederaufbau der Partei zu sprechen, die Pfennigbeträge für politische Gefangene gespendet hatten, die illegale Flugschriften erhalten oder verkauft hatten – und dergleichen Dinge mehr, die einen angesichts der Machtverhältnisse im Lande hoffnungslosen Versuch darstellten, die von den Nazis zerschlagene Parteiorganisation wieder aufzubauen. Es gab auch »Tatbeiträge«, deren »hochverräterische« Substanz noch absurder zu begründen war. Da gab es Angeklagte, denen lediglich vorgeworfen werden konnte, daß sie mal einen kommunistischen Funktionär beherbergt oder ihn zum Essen eingeladen hatten. Einer der Angeklagten, ein gebürtigen Holländer, der nie der KPD angehört hatte, wurde verurteilt, weil er die Instrumente der Schalmeienkapelle angenommen hatte, um sie für bessere Zeiten aufzubewahren. Für die eifrig um das Wohlwollen der neuen Machthaber bemühten Juristen des Jahres 1934 kein Problem, das alles unter den Hut der Strafbestimmung gegen Vorbereitung zum Hochverrat zu bringen. Was dem damals 22jährigen Kommunisten Willi Meyer-Buer – in den Akten noch Wilhelm Meyer genannt – angelastet wurde, hatte im Vergleich dazu schon etwas mehr Gewicht. Im Urteil heißt es, daß seine Aufgabe darin bestanden habe, die Verbindung der Instruktionsleitung mit den Unterbezirken aufrechtzuerhalten und für ihren Ausbau zu sorgen, namentlich aber, die Unterbezirke mit Instruktionsmaterial zu versorgen. Dieser Tätigkeit habe er sich mit großem Eifer und großem Erfolg unterzogen. Bei Zusammenkünften mit den Mitangeklagten sei die politische Lage besprochen und über den Wiederaufbau der KPD beratschlagt worden. Auch seien bei solchen Zusammenkünften illegales Material ausgetauscht, Beitragsmarken verteilt und einkassierte Gelder eingezogen und verrechnet worden. Meyer habe Flugschriften regelmäßig zu dem Angeklagten Paar gebracht, der in seiner Schusterwerkstatt eine Postanlaufstelle der illegalen KPD eingerichtet hatte. Dort sei das Material sortiert und dann an die Funktionäre der Unterbezirke abgegeben worden. Dem Wiederaufbau der zerschlagenen Organisation der KPD habe auch die Anknüpfung von Beziehungen zu ehemaligen Angehörigen dieser Partei gehört. Die Akten verraten auch einiges über die Umstände seiner polizeilichen Vernehmung, die bei ihm wie bei allen anderen Angeklagten mit Mißhandlungen verbunden waren. Willi Meyer-Buer hat diese Mißhandlungen in seinen bisher ungedruckten Memoiren beschrieben: Die Vernehmung ging meistens so vor sich, daß ich, wenn mir eine Frage gestellt wurde, die ich nach Ansicht der Gestapo nicht wahrheitsgemäß beantwortete, über eine Art Kinderspieltisch geworfen wurde. Einer der Gestapo-Leute nahm meinen Kopf zwischen seine Beine und die übrigen schlugen auf mich ein. Bei einer solchen entwürdigenden, qualvollen Tortur rief ich: »Oh Gott, oh Gott!« Darauf der Gestapo-Mann höhnisch: »Den brauchst du nicht zu rufen, der hat selbst Schläge bekommen und konnte sich auch nicht helfen.« – Die Vernehmungsprozedur war psychologisch wirkungsvoll organisiert. Da ich allein in meiner Sache zur Vernehmung geholt wurde, mußte ich manchmal im Flur stehend so lange warten, bis der oder die vor mir vernommenen Genossen, die in einem anderen Verfahren verwickelt waren, gefoltert wurden. Mit dem Gesicht zur Wand hörte ich die Schmerzensschreie der Gefolterten. Willi Meyer-Buer wollte nicht zum Verräter seiner Genossen werden. Und so kam es zu einem Vorfall, der sich in einer Aktennotiz der Folterknechte so liest: Nachdem Meyer unter Vorhalt verschiedene Fragen beantworten sollte, verlangte er einen Schluck Wasser. In diesem Moment erhob er sich, lief blitzschnell zum Fenster, öffnete dasselbe, und ehe er von uns zurückgehalten werden konnte, sprang er aus dem Fenster und blieb im Gefängnishof bewußtlos liegen... – Der inzwischen erschienene Med. Dr. P. untersuchte M. und stellte eine Rückenwirbelstauchung fest. M. wurde dem Gerichtslazarett in Bochum überführt. In einem weiteren Aktenvermerk heißt es: Bei den stattgefundenen Gegenüberstellungen wollte er keine Person kennen und leugnete alles ab. Um seine Genossen nicht zu verraten, hat er einen Fluchtversuch unternommen, indem er bei der Vernehmung in einem unbewachten Augenblick aus dem Fenster sprang und sich innere Verletzungen zugezogen hat. Einem in der Akte abgehefteten Zeitungsartikel vom 22.10.1933 ist zu entnehmen, daß der Festgenommene aus acht Metern Höhe aus dem Polizeigebäude gesprungen war. Die Richter des Oberlandesgerichts Hamm, die über Wilhelm Meyer und weitere 45 kommunistische Genossen am 22. Oktober 1934 das Urteil sprachen, wollten freilich nichts von Mißhandlungen bei den polizeilichen Vernehmungen wissen. Sie folgten der als glaubwürdig bezeichneten Aussage eines Vernehmungsbeamten, wonach es keiner Gewaltanwendung bedurft habe, sämtliche Angeklagten zum Geständnis zu veranlassen. Der damals 22jährige Wilhelm Meyer wurde in diesem Verfahren zu einer Zuchthausstrafe von 2 Jahren und 3 Monaten verurteilt. Fünf Angeklagte wurden freigesprochen. Die Strafen der anderen lagen zwischen einem Jahr und zwei Jahren drei Monaten. Die Akten geben Einblicke in die Lebensschicksale von Menschen, von deren Widerstand gegen das Nazi-Regime heute niemand mehr etwas weiß. Ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse werden fast durchweg als »ärmlich« angegeben. Und immer wieder liest man von den vergeblichen Versuchen der Gefangenen und ihrer Angehörigen und Nachbarn, bei den Schergen des Regimes so etwas wie menschliche Regungen zu wecken. Der damals 23jährige Arbeiter Hans Schmidt wurde zu einem Jahr und sechs Monaten Gefängnis verurteilt. Von ihm heißt es im Urteil, daß er zwar nicht Mitglied der KPD gewesen sei, aber dem Kampfbund gegen den Faschismus angehört habe. Auch sei er Mitglied des proletarischen Freidenkerverbandes, des Bundes der Sowjetfreunde und der Volkshilfe des Bestattungsvereins gewesen. Seine ebenfalls als Vorbereitung zum Hochverrat definierte Tat hatte darin bestanden, daß er einmal zehn Pfennig für die Angehörigen politischer Gefangener gespendet und einmal einer Kommunistin den Gefallen getan hatte, ein kleines Paket für sie aufzubewahren, dessen Inhalt er nicht kannte (es enthielt Wachsbogen). Für Hans Schmidt hatten sich bald nach seiner Verhaftung mehrere Personen in schriftlichen Eingaben an die Staatsanwaltschaft verwandt. Einer meinte, daß dieser ruhige und anständige Mensch sich wohl kaum um irgendwelche radikale Rowdypolitik gekümmert habe. Nun, das haben die Nazi-Rowdys vielleicht falsch verstanden. Die Akte enthält auch eine erschütternde Eingabe der Mutter des Angeklagten an das OLG, in der sie um Beurlaubung ihres Sohnes aus der Haft bat, weil sein Vater im Sterben liege. Das Gesuch fand die justizübliche kaltschnäuzige Erledigung. Auf dem Brief der Frau Schmidt findet sich folgende von einem Richter geschriebene Verfügung: Nach Prüfung der Sachlage habe ich zur Zeit keine Veranlassung, die Haftentlassung oder Beurlaubung Ihres Sohnes zu beantragen. Die Verfügung des Richters stammte vom 2. Januar 1934. Am 4. Januar schrieb Hans Schmidt selbst an den »werten Herrn Untersuchungsrichter«. Aus dem Brief ist zu entnehmen, daß sein Vater am 1. Weihnachtstag 1933 verstorben war und er hiervon am 4.Januar erfahren hatte. Aber das konnte die Unmenschen in Richterrobe nicht rühren. Auch das Urteil des OLG verliert über das persönliche Schicksal des Arbeiters Hans Schmidt und seiner Familie kein Wort. Ein anderer Angeklagter, der Bergmann Ludwig Zander, bat in einem Gesuch an die Staatsanwaltschaft, seine Haft zu unterbrechen, weil er zur Räumung seiner Wohnung verurteilt und durch die Haft nicht in der Lage sei, sich darum zu kümmern. Der Hauseigentümer wolle sein Inventar auf die Straße stellen. Da er von seiner Frau schuldlos geschieden sei, stehe seine Wohnung schutzlos da. Er habe drei Kinder im Alter von drei bis neun Jahren, die sich jetzt im Waisenhaus befänden. Ein Gerichtsassessor Sühring verkündete kurz und knapp den Beschluß, daß der Haftbefehl aus den Gründen seiner Anordnung bestehen bleibe. Das wird Herrn Sührings Karriere genutzt haben. Ludwig Zander wurde zu zwei Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt, weil er zwei Mal Flugblätter bei einem Genossen abgeholt und sie einem anderen zur Verteilung weitergegeben hatte. Der damals 32jährige Bergmann Robert Warich, Vater von vier Kindern im Alter von 5 bis 9 Jahren, war in Haft, weil festgestellt worden war, »daß er in den letzten Monaten den organisatorischen Zusammenhalt der KPD durch Zahlungen von Beiträgen unterstützt und gefördert« hatte. Aus den Akten ergibt sich, daß er 60 Pfennig zur Unterstützung politischer Häftlinge gespendet hatte. Die in einem Brief seiner Schwester an das Justizministerium in Berlin vorgebrachte Bitte, ihren Bruder freizulassen, weil die vier Kinder und deren Mutter ihren Ernährer brauchten, wurde im üblichen Amtsdeutsch zurückgewiesen. Warich wurde zu einem Jahr vier Monaten Gefängnis verurteilt. Das war für 60 Pfennig zu haben. Ich weiß nicht, was aus Robert Warich und seinen 4 Kindern geworden ist. Auch die Richter, die ihn 1934 verurteilten, werden es zu keiner Zeit gewußt haben, denn es gehört zu den traditionellen Eigentümlichkeiten der Justiz, sich um ihre Opfer nicht zu kümmern. Die Schwester eines anderen Angeklagten wandte sich mit der Bitte um Freilassung ihres Bruders sogar an den Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Dr. Joseph Goebbels, und leitete ihr Handschreiben vom April 1934 mit den innigsten Glückwünschen zur Geburt seines Mädchens ein, versäumte auch nicht, mit einem »kräftigen Heil Hitler« zu schließen. Natürlich brachte auch das nicht den erwünschten Erfolg, das Schreiben wurde an die zuständige Staatsanwaltschaft weitergeleitet, die es in der üblichen Weise erledigte. Erfolgreich waren allerdings die Verteidigungsanstrengungen des Arbeiters Ludwig Fehrmann. Über ihn erfährt man aus der Akte, daß er Anfang Januar 1933, als sich Hitlers Machtübernahme abzeichnete, von der KPD zur NSDAP übergetreten war. Ihm wurde von SA-Zeugen bescheinigt, daß er sich als Verräter seiner früheren Genossen betätigt und bei Fahndungen nach Kommunisten »die besten Dienste« geleistet habe. Auch die von einem Zeugen behaupteten Zusammenkünfte mit Kommunisten im Taubenverein konnten Fehrmann nichts anhaben. Aus dem polizeilichen Vermerk: Der fragliche Taubenverein wurde im vergangenen Jahr gleichgeschaltet und besteht heute noch. Kommunistische Umtriebe werden in diesem nicht getrieben. Bei den Ermittlungen gegen Fehrmann spielte dessen Frau eine gewisse Rolle. Sie schien auf ihren Ehemann nicht besonders gut zu sprechen zu sein und sah wohl eine Chance, ihn über ein Strafverfahren loszuwerden. Sie gab zu Protokoll: Ich wundere mich selbst darüber, daß er seinerzeit in die SA aufgenommen wurde. Wenn mein Mann etwas Ungesetzliches getan hat, so kann er auch dafür büßen. Aber ihr Wunsch ging nicht in Erfüllung. Das Verfahren gegen den Taubenliebhaber Fehrmann, der noch gerade rechtzeitig die politische Gesinnung der nunmehr Herrschenden angenommen und seine früheren Genossen verraten hatte, wurde eingestellt. Zu den Angeklagten, deren Gesinnung den neuen Machthabern nicht gefiel, gehörte der im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 37jährige Kaufmann Artur Waterkotte, der zu einem Jahr und fünf Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Er hatte wiederholt Pfennigbeträge, die für politische Gefangene bestimmt waren, an einen der Mitangeklagten gezahlt. Die Urteilsfeststellungen zu diesem Angeklagten kommen mit sechs Schreibmaschinenzeilen aus. Mehr über ihn erfährt man aus einem polizeilichen Bericht, der sich in der Akte findet. Da wird er als »fanatischer Kommunist« bezeichnet, dem eine Vielzahl unerwünschter politischer Aktivitäten angelastet wird. So habe er sich schon 1917 bei der Truppe als Spartakist bekannt und an einer Meuterei teilgenommen, die ihm drei Jahre Festungshaft eingebracht hatte. Ferner habe er ab 1920 an den kommunistischen Aufmärschen und Umzügen teilgenommen und die KPD auch nach der faschistischen Machtübernahme durch Zahlung von Beiträgen unterstützt. Auch an den Kämpfen und März-Unruhen 1920 habe er bewaffneten Anteil genommen. Schlußfolgerung des Polizeiberichts: Nach den getroffenen Feststellungen steht zu erwarten, daß er auch fernerhin sich staatsfeindlich betätigt. Mit dieser Lebensgeschichte war der Angeklagte Waterkotte nicht nur als Kommunist, sondern als Kämpfer gegen die Betreiber des 1. Weltkrieges und gegen den rechtsradikalen Kapp-Putsch vom März 1920 ausgewiesen. Die Republik gegen die Hochverräter von rechts verteidigt zu haben, entlastete ihn nicht – im Gegenteil. Schon während der Weimarer Republik hatte der beim Reichsgericht gebildete sogenannte »Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik« in Hochverratsverfahren gegen Kommunisten deren Verteidigungseinwand, die KPD habe sich lediglich zur Abwehr des Faschismus gerüstet, nicht gelten lassen. So heißt es in einem Urteil des Staatsgerichtshofs aus dem Jahr 1925: Die Bekämpfung der Faschisten ist für die KPD auch sonst nur der Deckmantel zur Verschleierung ihres hochverräterischen Zieles. Es lag durchaus in der Konsequenz dieser von reaktionären bürgerlichen Richtern gegen die damals legale Kommunistische Partei praktizierten »Rechtsprechung«, daß Gestapo-Beamte 1933 den politischen Kampf eines Kommunisten in der Weimarer Republik gegen Faschisten und deren Vorläufer und ihre putschistischen Aktivitäten als »staatsfeindliche Betätigung« definierten. Und an dieser Sicht reaktionärer Beamter und Juristen hat sich auch in der freiheitlich-demokratischen Bundesrepublik kaum etwas geändert. Als Willi Meyer-Buer sich 1963 erneut vor Gericht zu verantworten hatte, weil er seiner kommunistischen Gesinnung treu geblieben war, ging es auch um seinen politischen Kampf gegen die Reaktivierung alter Nazis, die von der Regierung Adenauer und ihren Verbündeten in den anderen etablierten Parteien schamlos betrieben wurde. Die Anklage zitierte aus einer Rede, die Meyer-Buer am 9.6.1961 gehalten hatte: Der Eichmann-Prozeß in Jerusalem sagt dem gesunden Menschenverstand, daß dieser millionenfache Mörder unmöglich seine Verbrechen allein begehen konnte. Er hat Tausende von Helfershelfern gehabt. Ein Heer von Mittätern, Anstiftern und Nutznießern, von wirtschaftlichen, juristischen, administrativen und militärischen Experten, die alle an seinem blutigen Geschäft beteiligt waren. Willi Meyer-Buer nannte auch Namen. So den des Bremer Kaufmanns Kurt Becher, der zur Eichmann-Bande gehört und mit der Qual von Millionen Juden Geschäfte gemacht habe. Erst ein Protest der jüdischen Gemeinde habe dazu geführt, daß Becher von der Rednerliste der Schaffermahlzeit, eines alljährlichen Bremer Honoratiorenfestes, gestrichen worden sei. Auch der damalige Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen wurde nicht geschont. Er habe sich nicht gescheut, mit dem schwerer Kriegsverbrechen verdächtigen Bundesminister Theodor Oberländer eine gemeinsame Kundgebung auf dem Domshof abzuhalten. Solche Wahrheiten wurden in Bremen nicht gern gehört. Der Staatsanwalt charakterisierte Meyer-Buer als »unbelehrbaren, fanatischen Verfechter der Ziele der KPD und SED«. »Unbelehrbar« konnte nur heißen, daß Meyer-Buer durch die Verurteilungen in der Nazi-Zeit hätte belehrt sein sollen, sich nicht als Kommunist zu betätigen. Und gegen diese Lehre hatte er freilich verstoßen, als er sich 1961 als unabhängiger Kandidat um ein Bundestagsmandat bewarb und dabei in Reden und Flugblättern nicht verschwieg, daß er der Kommunist geblieben war, als den ihn die Bremer kannten. Willi Meyer-Buer gehört für mich und alle, die ihn noch erlebt haben, zu den eindrucksvollsten Persönlichkeiten der Bremer politischen Szene. Seine rhetorisch geschliffenen Reden in der Bürgerschaft und bei öffentlichen Veranstaltungen zeugten von solider Sachkenntnis und klarer politischer Einschätzung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Er war ein Mann, der unbekümmert um persönliche Nachteile und Gefahren zu seiner humanen sozialistischen Gesinnung stand und für viele von Not und Ungerechtigkeit bedrückte Menschen eine Hoffnung war. Daß dieser Mann nicht nur im Hitler-Reich, sondern auch in der ihrem Anspruch nach freiheitlich-demokratischen Bundesrepublik wegen Betätigung seiner kommunistischen Gesinnung zum Kriminellen erklärt werden konnte, ist eine unauslöschliche Schande. Es ist an der Zeit, den Widerstandskampf von Kommunisten gegen den Hitler-Faschismus ins öffentliche Bewußtsein zu rufen. Eine Aufgabe, die notwendig auch mit einer Aufklärung darüber verbunden sein muß, daß Sozialismus und Stalinismus zwei sehr verschiedene Dinge sind. Willi Meyer-Buer war jedenfalls einer von denen, die für einen Sozialismus gekämpft haben, den nicht die Lohnabhängigen, sondern die Profiteure des Großkapitals zu fürchten hatten.
Erschienen in Ossietzky 25/2004 |
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