Wenn Google sich wundert

Ingrid Zwerenz

In der Kürze liegt die Würze, heißt es. Aber auch ein Risiko. Die Parole »Femininismus ist kein Pazifismus« stammt aus Italien und kursiert seit den 70er Jahren in Europa. Die vier Wörter dienen als Titel einer Dokumentation über Italienerinnen im Kampf gegen deutsche Faschisten und die im eigenen Land. Ein hochachtbares Unternehmen, der tapferen Frauen kann gar nicht oft genug gedacht werden. Hitler und Mussolini war mit friedlichen Mitteln nicht beizukommen.

Außerhalb dieses historischen Zusammenhanges befremdet die Aussage in einem Maße, daß sich Google die Haare rauft und verblüfft zurückfragt: »Meinten Sie, Feminismus ist ein Pazifismus?«

Ich weiß, Google ist eine Suchmaschine und hat keine Haare, sei’s drum, ich lasse das so stehen, weil es exakt zutrifft. Mit der weit überdehnten Auskunft wird der konkrete Fall verlassen und eine falsche Verallgemeinerung installiert, wo es doch viele Frauenrechtlerinnen gab und gibt, die sich für Emanzipation engagierten und zugleich Pazifistinnen waren. An erster Stelle steht hier Bertha von Suttner samt den tüchtigen Verbündeten Lida Gustava Heymann, Minna Cauer, Anita Augspurg und der unübertrefflichen Helene Stöcker, bewährte Autorin der Weltbühne, eine Erinnerung, die gerade in Ossietzky nicht fehlen darf. Vor exakt 110 Jahren, 1894, gründeten diese Aktivistinnen ihren Dachverband, der global für Frieden und Völkerverständigung warb, eine unerhörte Provokation aller Machthaber, die auf militärische Stärke der einzelnen Nationen setzten. Die frühen Kriegsgegnerinnen sollten wir nicht vergessen, ebensowenig Rosa Luxemburg, 1914 wegen ihrer leidenschaftlichen Reden gegen den Krieg inhaftiert, von 1916 bis November 1918 aus den gleichen Gründen in Berlin, Wronke und Breslau im Gefängnis.

Aus der jüngeren Geschichte kennt man die Pazifistin Klara Faßbinder, 1954 vor Gericht gezerrt und zu Unrecht beschuldigt, im Dienste Moskaus zu stehen. Im eifrig wiederaufrüstenden Westdeutschland wurde sie herabgesetzt und verspottet als »Friedens-Klärchen«. Übrigens war sie verwandt mit R.W. Fassbinder, eine Verbindung, auf die er nicht ohne Stolz verwies. Noch eine Pazifistin, Frauenrechtlerin, SPD-Politikerin (sic!) und Autorin ist hier zu nennen, die 1888 geborene Anna Haag. Sie brachte 1947 im Stuttgarter Landtag eine Gesetzesinitiative ein: »Niemand darf zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden«, war also Mitbegründerin der segensreichen Institution für Kriegsdienstverweigerer und – Ehre, wem Ehre gebührt – wurde vor einigen Monaten sogar in der FAZ mit einem ausführlichen Artikel von Babette Heusterberg gewürdigt.

Alle diese lebens- und menschenfreundlichen Traditionen sollten hochgehalten werden in einer Zeit, in der mehr und mehr Frauen zur Bundeswehr gehen, welchen Entschluß man noch verstehen kann, besteht die Alternative in andauernder Arbeitslosigkeit. Nicht nachzuvollziehen dagegen vermag ich den Herzenswunsch einiger meiner Geschlechtsgenossinnen, die unbedingt Kampfpilotinnen – mit der Lizenz zum Töten? – werden wollen und damit den Gipfel der Gleichberechtigung zu erklimmen meinen. Da freut mich der 1991 an die birmanische Politikerin Aung San Suu Kyi verliehene Friedensnobelpreis bei weitem mehr, während unsere modisch militanten Mädchen eher einen Kriegspreis anzustreben scheinen.

Frauen prinzipiell als das dem Krieg abholde Geschlecht zu definieren, ist ein weitverbreiteter Irrtum. Aktuelles Gegenbeispiel ist die eben zur US-Außenministerin gekürte Condoleezza Rice, von messerscharfer Intelligenz, deren sie sich karrierebewußt bedient, aber für absolut falsche Zwecke, wie ihr nicht ganz so intelligente, dafür mit Vernunft und Verstand ausgestattete Leute vorwerfen. Nach dem täglichen Kriegsdienst für Bush, ist zu erfahren, liest sie am Abend »Krieg und Frieden« von Leo Tolstoi. Was für eine Verschwendung von Literatur, biblisch gesprochen: Perlen vor die Säue geworfen.

Angesichts dieser streng christlich erzogenen militanten Politikerin Rice reihe ich mich lieber bei den »Friedensterroristen« ein, mit welcher Bezeichnung in der Blütezeit der BRD-Abrüstungskampagnen die Kriegsgegner von den Bellizisten beschimpft wurden. In einer täglich aggressiver und kriegsfreudiger agierenden Welt ist das ein Ehrentitel.

Erschienen in Ossietzky 25/2004