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Jetzt teilt mir der englische Unterwasserforscher David Mearns mit, daß mit großem technischen Aufwand erneut versucht werden soll, die Wracks zu finden – sobald die dafür erforderlichen vier Millionen australischen Dollars aufgetrieben sind. Gelingt es, die Wracks zu orten und zu untersuchen, wird sich vielleicht auch ein anderes Rätsel lösen lassen: Wie konnte die »Kormoran«, ein bewaffnetes Handelsschiff, das gepanzerte Kriegsschiff »Sydney«, den Stolz der australischen Flotte, spurlos vernichten? Spurlos – denn kein einziger der 645 Mann Besatzung überlebte. Trotz intensiver Suche wurde auch keine Leiche australischer Matrosen gefunden. Von den 400 Mann Besatzung des deutschen Schiffes hingegen überlebten 320. Manche erreichten nach Tagen die Küste in ihren Rettungsbooten, andere wurden zur See von einem vorbeikommenden australischen Dampfer aufgenommen. Deswegen kennt man die Geschichte dieser Seeschlacht nur in der deutschen Fassung: Der Kapitän der »Sydney« habe sich tolpatschig, fast selbstmörderisch exponiert, indem er sein weit überlegenes Kriegsschiff breitseitig 900 Meter vor der »Kormoran« gestoppt habe. Daher hätten die Deutschen mit ihren bis dahin getarnten Kanonen die »Sydney« fast schon zerstören können, bevor die völlig überraschten Australier nur zwei Schüsse abgeben konnten. Davon habe einer genügt, um die »Kormoran« in Brand zu setzen... Diese Fassung – obwohl für die Royal Australian Navy keineswegs schmeichelhaft – wurde auch von der Regierung in Canberra sogleich akzeptiert und war damit amtlich. Andere Versionen – oder Gerüchte – sind absolut verpönt. Zum Beispiel die von der Beteiligung eines japanischen U-Bootes (damals, drei Wochen vor Pearl Harbor, galt Japan noch als neutral). Oder die grausige Geschichte, daß die Deutschen (oder Japaner) alle überlebenden Australier vernichtet hätten. Im Auftrag des australischen Parlaments wurden die Ereignisse von 1941 vor einigen Jahren noch einmal durchforscht. Die Ergebnisse liegen in 20 Bänden vor. Zu alledem kann ich kaum Neues beitragen. Aber eine Spur, der ich gefolgt bin, beeinträchtigt meinen Glauben an die amtliche Version. Unter den Überlebenden der »Kormoran« gab es einen Matrosen namens Grossmann, der dann den Rest des Krieges in australischer Gefangenschaft verbrachte und 1947 zurück nach Deutschland verschifft wurde; Ziel: Oelsnitz (Vogtland). Im Mai 1951 tauchte wieder ein Grossmann auf. Er wurde als »Führer der 600 Deutschen« bekannt, die an dem großen Talsperrenprojekt in den Snowy Mountains als Fachleute arbeiteten. Einerseits als Arbeitervertreter gerühmt, erlangte er andererseits – bei den australischen Behörden – den Ruf eines Querulanten. Dieser Grossmann hat, zuerst im Rausch, später aber auch nüchtern, dem lutherischen Pfarrer Iwan Wittwer anvertraut, er sei – entgegen seinen Angaben bei den Behörden – 1941 Offizier auf der »Kormoran« gewesen. Die amtliche Version der Seeschlacht sei von vorn bis hinten erlogen. Tatsächlich sei ein japanisches U-Boot beteiligt gewesen. Die »Sydney« sei unter ganz anderen Umständen versenkt worden, als offiziell behauptet werde. Ich bin dieser Geschichte nachgegangen und habe ausführlich mit Pfarrer Wittwer gesprochen. Ich bin überzeugt, daß er die Wahrheit sagt, soweit er sie kennt. Ob Grossmann ihn belogen hat – und wenn er gelogen haben sollte, warum –, weiß ich nicht. In mehreren Gesprächen mit ehemaligen deutschen Arbeitern aus den Snowy Mountains bestätigte sich, daß er damals als eine Art Führer anerkannt war. Über die »Sydney« wußten sie wenig. Pfarrer Wittwer ging zur Polizei, die sofort den damaligen Oberst, späteren General Spry verständigte, den Chef des Geheimdienstes ASIO. Spry verhörte Wittwer, dann Grossmann. Die Vernehmung im Juni 1951 in Canberra wurde auf Tonband aufgenommen. Der Pfarrer mußte sich per Unterschrift zu 30 Jahre Stillschweigen verpflichten. Kurz darauf verschwand Grossmann. Trotz intensiver Nachforschungen hat sich in den offiziellen Akten nirgendwo auch nur das geringste Zeichen der Existenz dieses Mannes gefunden (Einwanderung, Arbeitsvertrag, Unterkunft, mögliche Ausweisung und so weiter). Nur in Papieren der lutherischen Kirchenverwaltung in Adelaide (an die der Geheimdienst, so Pfarrer Wittwer, nicht herankam) ist Grossmann drei Mal erwähnt. Auf Anfrage der parlamentarischen Untersuchungskommission antwortete der Geheimdienst knapp: »Wir finden keine Spur eines Interviews mit diesem Grossmann. Sollte es das einmal gegeben haben, ist es verloren oder vernichtet.« Die Kommission gab sich damit zufrieden. Zu den Zeitumständen bleibt anzumerken: 1951 tobte der Koreakrieg, an dem Australien an der Seite der USA teilnahm. Die damalige konservative, fanatisch antikommunistische Regierung Australiens gab sich alle Mühe, die sehr mißtrauischen Australier an den neuen Verbündeten Japan zu gewöhnen, der zwar nicht mitkämpfte, aber als Nachschubbasis diente. Da konnten ASIO-Chef Spry und sein Chef, Ministerpräsident Bob Menzies, keine Berichte – ob wahr oder nicht – über eine japanische Beteiligung am Untergang der »Sydney« brauchen. Und keinen solchen Grossmann. * Auf Palm Island, 70 Kilometer nördlich von Townsville in Northern Queensland, wurde am 19. November 2004 der 36 Jahre alte Cameron Doomadgee tot aufgefunden – in einer Zelle der örtlichen Polizei. Und das war – weil Doomadgee ein Eingeborener war und weil ihn die Polizei eine Stunde zuvor als »öffentliches Ärgernis« eingesperrt hatte – ganz normal. Australische Eingeborene sind es gewöhnt, auf der Wache zu sterben. Nach Angaben des sozialdemokratischen Premierministers von Queensland, Peter Beattie, waren es »nur« 19, die das in den vergangenen fünf Jahren taten – allein in Queensland. Mir liegen nicht die neuen Zahlen für die anderen fünf Bundesstaaten und das Northern Territory vor, aber für Australien als ganzes müssen es zwischen 50 und 100 sein. Vor längerer Zeit habe ich in der Zeitschrift Outrider in Brisbarne (Queensland) schon einmal über dieses Thema geschrieben. Damals hatte ich einen Zeitraum von zehn Jahren untersucht und war auf mehr als 90 derartige Todesfälle gekommen. Nach den Akten hatten die Eingeborenen »Selbstmord begangen« (sich in ihren Zellen erhängt) oder waren, weil sie sich angeblich der Festnahme widersetzt hatten, erschossen worden, oder ihnen war gegen den Kopf getreten worden, oder sie waren einfach gestürzt. Anyway, sie waren gestorben. Daß sie tot waren, war das einzige, das feststand. Sonst stand gar nichts fest. Kein einziger Polizist, kein einziger Gefängniswärter war je irgendeines ernsthaften Vergehens überführt worden. Keiner, nicht einer, kam je wegen eines dieser mehr als 90 Todesfälle in Haft. Schließlich wurde eine Bundeskommission eingesetzt, die herausfinden sollte, warum so viele Eingeborene dem Tod in der Haft erlegen waren. Sie produzierte viel Papier und hohe Kosten, wenn ich mich recht erinnere, waren es etwa 30 Millionen Dollar. Die Kommissionsmitglieder legten dann eine Reihe Empfehlungen vor. Aber die Todesfälle setzten sich fort, ohne daß deswegen viel Aufhebens entstanden wäre. Nach dem Tod von Cameron Doomadgee wäre demnach zu vermuten gewesen, daß er eine unbedeutende lokale Angelegenheit bleiben würde und – außer für die Angehörigen – schnell vergessen wäre. Eine Woche später wurde der Autopsiebericht in einer öffentlichen Versammlung auf Palm Island verlesen. Wie die Polizei dem Untersuchungsrichter mitgeteilt hatte und wie der es anscheinend akzeptiert hatte, war Cameron ganz normal gestorben. Bei einer Rangelei mit einem Polizisten war er einige Betonstufen heruntergefallen. Man hatte ihn eingesperrt, und dann war er gleich gestorben. Well, er hatte fünf Rippenbrüche, außerdem Stichverletzungen an Leber und Milz. Of course, einen Doktor hatte man dafür nicht benötigt. Zwei andere Gefangene (Eingeborene – Weiße waren nicht verfügbar) sagten, Senior Ser- geant Chris Hurley habe Cameron geschlagen und verprügelt. Aber das konnte, as usual, den Untersuchungsrichter nicht beeindrucken. Dessen Resümee lautete: »Cameron fiel auf eine harte Oberfläche, Schluß!« Aber nein, diesmal war nicht Schluß. Die Eingeborenen zeigten sich bei dieser Versammlung, wie ich von ihrem Sprecher Brad Foster erfuhr, »nicht glücklich«. Sie sagten, Cameron Doomadgee sei ermordet worden. Leid und Zorn aus vielen Jahren kochten über: Die Menge marschierte zur Polizeistation. 18 Polizisten (Weiße, of course) rannten fort. Das Gebäude wurde niedergebrannt. Ebenso die Polizeikaserne. Das änderte alles. 80 schwerbewaffnete Anti-Terror-Polizisten überrannten Palm Island; auch einige Journalisten kamen. Acht Tage nachdem Cameron Doomadgee »unbemerkt« in seiner Zelle gestorben war, schaltete sich Ministerprädident Beattie ein, flog hin und redete. Redete reichlich. Hauptsächlich redeten Beattie & Co. über den unzulässigen Aufruhr und beschuldigten die örtlichen Führer der Eingeborenen. Die Polizisten machten Jagd mit entsicherten Waffen auf der ganzen Insel, nahmen 9, 13, 18 Eingeborene fest, brachten sie nach Townsville ins Gefängnis vor den Richter; eine Freilassung auf Kaution wurde verweigert, of course. Polizeiführer sprachen von versuchtem Mord – nein, nicht an Doomadgee, sondern an der Polizei, angedroht von den Schwarzen. Und forderten Bestrafung. Premier Beattie gab inzwischen eine ausführliche Stellungnahme ab, die er damit einleitete, daß kein Polizist unentschädigt bleiben werde. Polizisten hatten nämlich den Verlust von Videorecordern und Fernsehgeräten beim Brand der Kaserne beklagt. Von Entschädigung der Angehörigen Cameron Doomadgees sprach er nicht. Vielmehr kündigte er an, daß die Schuldigen – und damit meinte er die Eingeborenen – vor Gericht gestellt und bestraft würden. Eingeborenenführer Brad Foster: »Sie wünschen, daß ihre Morde vergessen werden. Ihnen geht es nur um die niedergebrannte Polizeiwache. Den Mord an Cameron – ja, den Mord, denn niemand glaubt ihrer Version – versuchen sie unter den Teppich zu kehren.« Von einem anderen Eingeborenen hörte ich: »Würde jedesmal, wenn ein Schwarzer wie Doomadgee stirbt, eine Polizeistation niedergebrannt, würden diese Todesfälle auf der Wache wohl bald aufhören...«
Erschienen in Ossietzky 25/2004 |
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