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Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan will den Imamen nur noch Predigten in deutscher Sprache erlauben. Bayerns Innenminister Kurt Beckstein verlangt von den Islam-Sprechern, sich öffentlich von Terror und Mord zu distanzieren. CSU-Chef Stoiber will den Eid auf unsere Verfassung schwören lassen. Altkanzler Helmut Schmidt redet Klartext: Es war ein »Fehler, daß wir zu Beginn der sechziger Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten«. Neu an der jetzigen Kampagne gegen »Multikulti« sind die Militanz und breite Verankerung im medialen und politischen Spektrum sowie die Zurückhaltung der ehemals links-liberal, grün-alternativ oder zivilgesellschaftlich agierenden Kohorten. Als hätte das deutsche Establishment nur auf einen Anlaß gewartet, begann die Hetze gegen die Muslime schlagartig nach dem Mord an dem holländischen Filmemacher van Gogh. Der darauf folgende Spiegel-Titel zeigte eine durch schwarze Tücher von Kopf bis Fuß verhüllte Frau – eine Muslima als Schatten, schnellen Schrittes, vielleicht auf dem Weg zum Selbstmordattentat? – mit der grün gehaltenen Aufschrift »Allahs rechtlose Töchter«; im Blatt-Innern dann der verhaltene Jubel, daß das holländische Toleranz-Modell gescheitert sei: »Zeitenwende hinterm Deich«. Der Focus-Aufmacher will Angst verbreiten: »Unheimliche Gäste – Die Gegenwelt der Muslime in Deutschland«. Der Leitartikler der Welt fordert unter der Überschrift »Europa, dein Name ist Feigheit« mehr Kampfbereitschaft gegen »eine besonders perfide, auf Zivilisten konzentrierte, gegen unsere freien, offenen Gesellschaften gerichtete System-Attacke fanatischer Muslime«. Die hiesige Kulturkampf-Aufrüstung reiht sich ein in eine neue Kreuzzug-Bewegung, die von der kapitalistischen Führungsmacht USA nach dem Ausfall des Kommunismus systematisch auf den Islam gelenkt wurde. Waren die Kriege gegen Jugoslawien noch Nachhutgefechte zur Beseitigung sozialistischer Restbestände, so lieferte der 11. September 2001 den Vorwand für eine neue Phase imperialer Weltbeherrschung. Samuel Huntingtons Schrift vom »Kampf der Kulturen« hatte hierfür die ideologische Grundlage bereitgestellt. Kulturen sind bei ihm biologisch-historische Konstanten, »Kulturalismus« tritt an die Stelle von Rassismus. Die Kriege gegen Afghanistan und Irak werden geführt, um freedom and democracy, gemeint als Marktfreiheit für Kapital und transnationale Konzerne, in alle Länder zu bringen. Die GIs in Falludscha wurden vor ihren Mordeinsätzen von Militärgeistlichen auf diese notwendige crusade-mission eingeschworen. Ihr Kampf ist gerecht, weil er gegen einen Teufel geführt wird, den es aus den islamischen Ländern zu vertreiben gilt – demnächst wohl auch aus dem Iran... Huntingtons Buch beschwört die Unmöglichkeit einer »Interkulturalität«, die ja bedeuten würde, daß unterschiedliche »Kulturen« sich gegenseitig bereicherten und lernten, einander in Nöten beizustehen oder die jeweiligen Schwächen solidarisch aufzuarbeiten, also einen Völker- oder Weltfrieden anzustreben. Früher nannte man das »internationale Solidarität«. Doch das (kapitalistische) Naturgesetz ist nun einmal der Kampf aller gegen alle, global und national. Deshalb sind hier nur zwei Strategien der Starken und Überlegenen gegenüber Konkurrenten möglich: sie einzubinden oder sie zu besiegen – join them or beat them! Solange der Kommunismus der Hauptfeind war, überwog der Versuch, die Länder der sogenannten Dritten Welt in das US-dominierte Imperialsystem einzubinden, »Entwicklungshilfe« und Verständnis für die »nationalen oder kulturellen Besonderheiten« aufzubringen. Es handelte sich um ein »multikulturelles« Programm auf Weltebene, wobei aber Integration in die »westliche Kultur« immer als das übergeordnete Ziel feststand. Das »join them«, die Einbindung des islamischen Blocks, gelang nur unzureichend und mußte seit Jahrzehnten empfindliche Rückschläge, zum Beispiel im Iran, hinnehmen. In den muslimisch geprägten Ländern entstand ein »reaktiver Kulturalismus« der jungen Eliten, die sich nicht mit einer demütigenden zweiten Rolle als Erfüllungsgehilfen für westliche Kapitalinteressen anfreunden wollten. Sie setzten auf nationale, ethnische und religiöse Traditionen und rekrutierten ihre Anhänger vor allem in den Armenvierteln. Ihre Militanz kann unter Umständen die Massen ergreifen und Marionettenregime hinwegfegen (Iran); oder sie schlägt um in selbstzerstörerische Terroraktionen, motiviert in der Regel durch eine neuinszenierte, irrational und fundamentalistisch aufgeheizte Religiosität. Für die »westliche Wertegemeinschaft« scheint ausgemacht, daß zur Auf-rechterhaltung der eigenen Welt-Hegemonie ein globaler »Kampf der Kulturen« ausgefochten werden muß. Und wo die friedliche Vereinnahmung nicht gelingt, muß mit Waffen interveniert werden. Auch Deutschland wird jetzt »am Hindukusch verteidigt«. Dazu bedarf es der moralischen Aufrüstung in den Zentrumsländern. Huntington fordert neuerdings die Sicherung einer starken Herrschaftskultur auch im eigenen Land: In den USA müsse die weiße, christliche, vorwiegend protestantisch orientierte Majorität sich abgrenzen und ihre Dominanz verteidigen gegen »fremde« Einwandererkulturen – ein Aufruf zur innerstaatlichen Feinderklärung. Ähnliches scheint in einigen Ländern der »Festung Europa« Programm zu werden. In der BRD fand ein emanzipatives »interkulturelles« Lernen, wo die unterschiedlichen kulturell-religiösen, ethnischen oder landsmannschaflichen Milieus einander bereichert und geachtet hätten, kaum statt. Die Parteien kamen sich schon fortschrittlich vor, wenn sie »multikulturelle Toleranz« als Bürgerengagement inszenierten oder unterstützten. Multikultur geht immer von der herrschenden Kultur aus, sie ist jenes Label, das die offizielle Dominanz-Kultur sich gibt, solange sie es sich leisten kann; die zugestandene Toleranz ist eine repressive, als selbstverständlich vorausgesetzt ist schon immer eine »Leitkultur«, die die anderen gewähren lassen kann, weil sie genügend Mechanismen zu deren Einbindung wirken läßt: join them. Doch jetzt soll Schluß sein selbst mit dieser weichen Tour des Multikulti, auch bei uns. Integration im Sinne von Assimilation wird verlangt, sonst wird abgeschoben, also: beat them! Denn spätestens in Krisenzeiten entwickeln sich kapitalistische Gesellschaften zu Kampfgemeinschaften, die Differenzen nicht mehr zulassen.
Erschienen in Ossietzky 25/2004 |
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