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So wird es vermutlich auch weitergehen, denn im nächsten Jahr begehen wir ja den 60. Jahrestag des Untergangs – oder der Befreiung? Ja was denn nun? Die Nazis sind in den Medien so präsent wie nie zuvor. Wer viel fernsieht, kennt sich wahrscheinlich in jener Zeit inzwischen besser aus als in der Gegenwart und wird sich da vielleicht schon richtig zu Hause fühlen. Was bedeutet dieses Überhandnehmen von Nazithemen in den Medien? Wieso gerade jetzt? Arbeiten wir damit wirklich noch die deutsche Vergangenheit auf? Oder kehrt etwas von damals wieder? Diese Mode, dieser Rummel bringt jedenfalls etwas zum Ausdruck, was in der Luft liegt. 2001 hatten wir wie 1929 eineWeltfinanzkrise, die bis heute nachwirkt. Sicher waren die wirtschaftlichen Folgen nicht so verheerend wie damals, aber das ist kein Trost für die, die davon betroffen sind. Wir haben eine Arbeitslosigkeit, die zumal in Ostdeutschland mit der von damals vergleichbar ist. Wir erleben daher eine Schwächung der Gewerkschaftenund eine Hetze auf die Gewerkschaften, ganz ähnlich wie damals. Wir stellen einen Niedergang der Demokratiefest, wie er bekanntlich auch schon vor Hitlers Ermächtigung einsetzte. Nicht zuletzt erleben wir ein Anwachsen der außenpolitischen Spannungen, das diesmal allerdings weniger von Deutschland als von den Vereinigten Staaten ausgeht. Ich will am Beispiel von Hartz IV die Parallele noch etwas genauer ziehen, so daß auch der Unterschied deutlich wird. Woran zerbrach nämlich die letzte demokratische Koalitionsregierung unter Kanzler Hermann Müller 1930? An der Frage der Finanzierung der Arbeitslosenversicherung! Die konservative Deutsche Volkspartei war nicht bereit, einer Beitragserhöhung zuzustimmen, weil dadurch den Unternehmern Mehrkosten entstanden wären. So kam es zu Leistungskürzungen. Wem fallen da nicht die Kürzungen beim Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe ein, die uns bevorstehen? Faktisch regiert ja auch Schröder mit einer Großen Koalition. Der Unterschied zu Kanzler Müller ist freilich, daß Schröder – insofern hat er aus der Geschichte gelernt – niemals auf die Idee käme, die Lohnnebenkosten zu erhöhen. Vielmehr hat er gleich selber die Leistungskürzungen vorgeschlagen und sich dadurch im Amt halten können. Und so kann er nun die an sich gescheiterte Politik der Haushaltssanierung fortsetzen, denn durch die Kürzung der Arbeitslosenhilfe will der Staat ja sechs Milliarden Euro einsparen. Diese Politik ist schon mit der von Kanzler Brüning (1930-1932) verglichen worden, der auf die Wirtschaftskrise reagierte, indem er sie mit seinem rigorosen Sparkurs noch verschärfte: durch Streichung öffentlicher Investitionen wie durch Senkung von Sozialausgaben und Löhnen. Der Vergleich ist nicht falsch. Laut Bundesbankbericht waren die öffentlichen Investitionen im letzten Jahr nicht mehr nur rückläufig, sondern sogar negativ: Sie blieben hinter den Abschreibungen zurück (s. Manfred Sohn: »Amtlich bescheinigter Zerfall«, Ossietzky 21/04). Eine Begründung für die Sparpolitik war damals wie heute, die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Exportwirtschaft müsse gestärkt werden. Dagegen wiesen die Gewerkschaften darauf hin, daß in Anreizen für die Binnennachfrage der Ausweg aus der Krise liege. Wenn man die Texte von damals liest, kann man oft nur am Stil erkennen, daß sie nicht von heute sind. Auch weil manche Alternativen schon damals bekannt waren: Nicht nur Verkürzung der Arbeitszeit und öffentliche Arbeitsbeschaffung hatte der ADGB 1931 vorgeschlagen, sondern auch bereits ein antizyklisches Konjunkturprogramm. Doch unserer Regierung sind solche Empfehlungen ganz fremd, vielmehr will sie mit Hartz IV die Arbeitslosigkeit dadurch bekämpfen, daß sie den Druck auf die Arbeitslosen und damit indirekt auf die Beschäftigten erhöht. Wir können froh sein, daß uns die Demokratie bis jetzt erhalten blieb. Aber wir bewegen uns auf einem schmalen Grat. Denn es scheint, daß wir wie Anfang der 30er Jahre die Demokratie nur noch dazu benutzen, deren eigene Grundlage, den Sozialstaat, zu untergraben.
Erschienen in Ossietzky 25/2004 |
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