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Arno Münster konstatiert bei Bloch ein »ständiges Schwanken zwischen einer Metaphysik der Innerlichkeit einerseits, die ihre philosophischen Wurzeln letztlich nicht nur in der Romantik, sondern vor allem im religiösen Existenzdenken eines Kierkegaard und in der Mystik (hier vor allem dem ›Schechina‹-Motiv der Kabbala, die die mystische Einheit der menschlichen Seele mit der göttlichen Essenz lehrt) hat, und einer materialistischen Philosophie der Praxis andererseits, die sich vor allem auf die ›Elf Feuerbach-Thesen‹ von Karl Marx beruft und die die Veränderung der Welt durch die koordinierte emanzipatorische Aktion des Massenbewußtseins anstrebt...« Zwei Textstücke philosophischer Autoren, deren Lehrer Ernst Bloch war wie auch meiner. Sie kreisen um Zentralthemen des großen Weisen und geben zugleich eine Ahnung von der riesigen Spannweite dieses Denkens, eines linken Denkens um, über und in die Welt und ihre weitere Lebbarkeit. Arno Münster war Schüler in der Tübinger Zeit des Epochendenkers, lebt in Paris und ist jetzt Professor in Chemin du Thil/Picardie. Er schrieb eine »politische Biographie« seines Lehrers in sechs Teilen mit Ouverture und Nachwort. Eine umfassend ordentliche Biographie, die sorgsam den jüdischen Wurzeln und Spuren nachgeht und nichts ausläßt. Seit der von Peter Zudeick die ausgereifteste. Wenn Rezensenten jetzt giftig über Münster herfallen, fragt man sich nicht lange warum, sondern merkt die Absicht der trapsenden Nachtigallen und ist verstimmt. Bloch war so schön vergessen oder unverbindlich gemacht worden, zu einem Religions- und Feiertagsphilosophen – der war keine Waffe mehr. Nun kommt da einer und vermerkt das Politische, ja, das Linkspolitische, Sozialistische, Kommunistische. Der Philosoph hatte gar Stalin gepriesen, das tut man doch nicht im ordentlichen westlich geprägten Europa. Heute kann man das in der Tat nicht mehr: Gulag und die Ermordung der besten Leute der eigenen Partei, der besten Revolutionäre, der Generalität und vieler anderer sind auch aus der historischen Lage weder voll zu erklären noch zu billigen. Warum aber hat Bloch den »Generalissimus« gepriesen, sogar zweimal: in den kritischen Jahren um und nach 1937/38 und noch in den frühen Fünfzigern? Wie war denn das in den Dreißigern? Zumal wenn man nicht in Nazi-Deutschland, sondern im Exil war, so wie Bert Brecht es beschrieb? »Gingen wir doch, öfter als die Schuhe die Länder/ wechselnd/ Durch die Kriege der Klassen, verzweifelt/ Wenn da nur Unrecht war und keine Empörung.« Selbst ich, damals noch Kind, merkte Not und Angst und blickte nach Rettung, sah den Sorgenblick der Eltern – wo war da Hoffnung? Wo blieb Frankreich (das bald besiegt ward)? Was tat Großbritannien anderes, als Hitlers Forderungen zu erfüllen, weil es Deutschland als Rammbock gegen die UdSSR benötigte, sich verrechnend freilich (fürs erste)? Wann traten die USA in den Krieg ein? Die Hoffnung trug für uns Exilanten die von Stalin geführte UdSSR. Wir verfügten nicht über alle Informationen über deren innere Vorgänge. Auch den durch die Länder gehetzten und später in den USA sich mühselig durchschlagenden Blochs ging es kaum besser. Hämische Kritik aus dem weichen Sessel von heute ist da unangebracht. Sondern sorgsame Beschreibung. Zugegeben: Die spätere Preisung ist weniger zu begründen. Hier wollte einer sein Werk retten, verzichtete auf Märtyrertum. Die Glashaus-Magnaten sollten nicht Steine werfen – was war denn da in Deutschland los? Was gibt es denn da für Traditionen? Rettete sich da niemand? In dieser einen Frage bin ich auch mit Ingrid und Gerhard Zwerenz (»Sklavensprache und Revolte. Der Blochkreis und seine Feinde in Ost und West«) nicht einig. Leipzig ist geografisch-politischer Ort und Zentrum des Buches; Tübingen spielt mit, aber auch der Taunus, wo die beiden leben und schreiben. Das Buch ist unakademisch, dafür literarisch und polemisch. Die Verfasser sind Journalisten, Publizisten, Schriftsteller, Schüler des Meisters, Gefährten, Vertraute, Freunde. Freunde kennen sich genauer. Da schaut man ins Innerste und kritisiert anders. Ingrid und Gerhard Zwerenz kannten den Alten in Leipzig und begleiteten ihn später, sooft es ging. Sie kannten auch die Widersacher (Rugard Gropp, Siegfried Wagner – warum aber fehlt der Berliner Strippenzieher Hans Koch?) und die Freunde (Hans Mayer, Walter Markov, Wolfgang Harich, Georg Lukács, Walter Janka, die Sonntag-Redakteure, den Ökonomen Fritz Behrens, die Schriftsteller Loest, Pfaff u.a.). Die meisten leben nicht mehr. Sie bildeten damals eine Gruppe und hatten einen politischen Willen: Opposition und Revolte, eine Reform, ja Reformation des damaligen sozialistischen Staates DDR, des Systems bis in seine geistigen Grundfesten. Der geistige Urheber, der Grunddenker, Marx-Fortsetzer war Bloch, der umfassende philosophisch-politische Denker der Linken, um nicht zu sagen des 20. Jahrhunderts überhaupt. Als Kritiker der alten Gesellschaften wie als Kenner aller Kulturen und als Vordenker von Neuem, als messianischer Botschafter der Hoffnung. Die oppositionelle und revoltierende Gruppe hingegen war zu schwach, die Freunde machten politische Fehler (besonders Harich) und scheiterten, das System erst später – in der Hauptsache, weil es reformunfähig und kritikunwillig war. Ihm fehlte, um es blochisch zu sagen, der »Wärmestrom«. Doch das Autorenpaar kritisiert nicht nur das unbeholfen-unfreie DDR- und Sowjet-System, sondern prinzipiell und scharf auch das alte kapitalistische, das heute globalistisch das gesamte Deutschland und viel mehr regiert. Eine »Reformation« täte not, ganzheitlich. Solange sie unsichtbar bleibt, soll der reiche Gedanken- und Erfahrungsschatz dieses Buches die Linke stärken, ihr Bewußtsein erhellen. Daß sie die oft kryptische Sprache des Meisters erhellen, ist eine der Leistungen der beiden Verfasser. Der Alte war ein wunderbarer Erzähler, doch vieles mußte verhüllt gesagt werden, in »Sklavensprache«. Darüber sagt Gerhard Zwerenz Aufschlußreiches, er mußte sich damit auf Vorschlag des Lehrers befassen. Fünfzehn Jahre haben die beiden an ihrem Buch gearbeitet. Ein schweres Geschoß. Aber weitreichend und treffend. Zwar wiederholt sich manches, Striche an einigen Stellen hätten nicht geschadet. Und, wie gesagt, die Kritik am Verhalten von Exilanten, besonders der jüdischen, sollte behutsamer, einfühlender sein. Ach, und es gibt so viele zitatreife Sätze. Nur einer kann am Ende stehen. Ich suche: »Ohne Bloch ist die deutsche Philosophie und Politik ein Kriegsversehrter, dem der linke Arm fehlt.« Arno Münster: »Ernst Bloch. Eine politische Biografie«, Philo & Philo Fine Arts, Berlin/Wien, 442 Seiten, 29.90 €; Ingrid und Gerhard Zwerenz: »Sklavensprache und Revolte. Der Bloch-Kreis und seine Feinde in Ost und West«, Schwartzkopf Buchwerke Hamburg/Berlin, 544 Seiten, 29.00 €
Erschienen in Ossietzky 24/2004 |
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