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Unbeugsam aufrecht die Lust zu leben 80 Jahre lang und weiter die Stirn nicht gesenkt. Da ist einer, hat nichts zu verbergen und trügt nicht, klagt nicht. Die Wunden nicht mit Klagen zu beantworten, die Künste der Listigen, sie haben Dauer, wenn die Affen öffentlicher Gewalt längst in alle Winde verstreut. Keinen Menschenfeind unbenannt lassen, die Tür offen, kein Eintritt verboten. Kein Freund soll im Regen stehen zu Ende des brutalsten Jahrtausends. Auf den ist Verlass. Das ist einer von den Seltenen, der Letzten EINER. Oder der ERSTEN.
Das Prosagedicht hatte ich vergessen. Beim Wiederlesen gefällt es mir. Ich beschließe, es auch dem 90jährigen Jakob zu widmen. In zehn Jahren sollte es auf den dann hundertjährigen letzten trotzkistischen deutsch-jüdischen unverdrossen aktiven Moneta noch passen und auf eine unvergeßbare und hoffentlich unverwüstliche IG Metall. Im Getümmel traf Ingrid die ewig jungen Altmetaller Friederike Heinzel und Günter Sanné, sie fanden heraus, in Kürze schwömmen wir alle vier vor der Insel Lanzarote herum. Früher fuhren wir nach Jugoslawien, das ist dank deutscher Beihilfe abgebrannt, Mallorca von schweißhirnigen TV-Moderatoren samt kameraverseuchten Moderierten besetzt, außerdem im Winter zu kalt zum Schwimmen. Was bleibt, sind die Kanaren, wo wir Weihnachten uns ersparen. Zurück zur Geburtstagfeier. Ein junger Schwarzhaariger will mir das Büch-lein »Trotzkismus – Einführung in seine Grundlagen – Fragen nach seiner Zukunft« geben. Ist es der Autor Manuel Kellner selbst? Ich kenne den Text, hab ihn gerade kritisch und beifällig gelesen. Dazu noch »Was ist Trotzkismus?« von dem französischen Autor Daniel Bensaid. Beide Schriften sind kurz und bündig, in kluger moderner Distanz, doch engagiert. Die Neuerscheinungen verdanken wir Jakob, der sie uns zukommen ließ, nachdem wir ihm unser Bloch-Buch geschickt hatten. In der Frankfurter Rundschau wurde mitgeteilt, Moneta lese unsern Wälzer ohne Brille. Das ist keine Anti-Sehhilfen-Werbung. Es geht um das Rätsel, weshalb Ernst Bloch so lange für den bösen Wissarionowitsch votierte. Statt Blochs »Mit Stalin gegen Hitler« hieß und heißt es in Deutschland: »Mit Hitler gegen Stalin«. Das ist die hiesige Normalität und überdauert heute noch in Parteistaatsprogrammen und Denkfabriken. Dagegen hilft Trotzki-Lektüre. Selbst die werten letzten KP-Genossen loben jetzt ihren (unseren) Moneta. Annäherung an Trotzki, den Väterchen Stalin fürsorglich ermorden ließ? Der Schlag mit dem Eispickel, mitten in den Schädel, das Gehirn spaltend. Wie die Arbeiterbewegung. Daran aber ist Stalin nicht allein schuld. Jakobs 90. wurde erstaunlich breit an prominenter Stelle abgefeiert, mit Ausnahme der FAZ, die versteckte ihren Artikel so sorgfältig, daß ihn kaum jemand aufspüren kann. In FR, taz, junge Welt, ND und Tagesspiegel fanden sich hervorragend plazierte Würdigungen. Moneta, Trotzki und die liebenswürdige IG Metall stecken den fleißigen Ex-Sieburg- und Ex-Adorno-Adepten im FAZ-Feuilleton eben quer im Hals. Die kotzen mit Verhaltung. Manuel Kellner: »Trotzkismus – Einführung in seine Grundlagen – Fragen nach seiner Zukunft«, Schmetterling Verlag, Stuttgart, ISBN 3–89657-584-8, 180 Seiten, 10 €; Daniel Bensaid: »Was ist Trotzkismus?« Neuer ISP Verlag, Köln, ISBN 3-89900-108-7, 132 Seiten, 12 €
Erschienen in Ossietzky 24/2004 |
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