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Das schwächt ihren Schutz gegen Auslieferung an Verfolgerstaaten, wo sie der Gefahr von Folter und anderen Erniedrigungen und Grausamkeiten ausgesetzt wären. Die betroffenen Flüchtlinge hatten im Asylverfahren glaubhaft machen können, daß sie in ihren Heimatländern, aus denen sie geflohen waren, politisch verfolgt werden. Deshalb wurden sie als asylberechtigt anerkannt. Heute können sie just aus den Gründen, die dem Bundesamt damals als ausreichend erschienen waren, ihre Anerkennung verlieren, weil die seit 2002 geltenden »Anti-Terror«-Gesetze die Anerkennung von Asylbewerbern erschweren und ihre Ausweisung erleichtern. In den Widerrufsverfahren stützen sich die Behörden jedoch nicht allein auf die Antiterror-Regelungen des Ausländerrechts, sondern auch auf die sogenannte Terrorliste der Europäischen Union. Hier sind Einzelpersonen und Organisationen aufgeführt, die als terroristisch gelten – unter anderen die linksgerichtete türkische DHKP-C, die kurdische Arbeiterpartei (PKK) und ihre Nachfolgeorganisation sowie die iranische Widerstandsorganisation der Volksmodjahedin. Beispiel 1: Der Kurde Sait Cürükkaya, anerkannter politischer Flüchtling, wird neuerdings als Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik eingestuft. Die Türkei hat ein Auslieferungsersuchen gestellt und will ihn wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung, der PKK, vor Gericht stellen. Obwohl das Verfahren zum Widerruf seiner Asylanerkennung vor dem Bremer Verwaltungsgericht noch läuft, wurde Sait C. bereits wochenlang in Auslieferungshaft gesperrt, bis das Oberlandesgericht ihn mangels Fluchtgefahr unter strengen Auflagen auf freien Fuß setzte. Weiterhin droht ihm die Auslieferung an die Türkei, wo er – trotz Liberalisierungsansätzen – mit politischer Verfolgung und Folter rechnen muß. Sait C. war im Jahr 2001 als Asylberechtigter anerkannt worden, weil er als Mitglied der PKK in der Türkei von den dortigen Sicherheitsorganen verfolgt und mit Folter und Tod bedroht worden war. Die nach dem 11.9.2001 beschlossenen »Antiterror«-Gesetze ermöglichen es nun, ihn gerade deswegen als »Terroristen« und damit als Gefahr für Deutschland zu qualifizieren und ihm die Asylberechtigung zu entziehen – obwohl er inzwischen längst auf Distanz zur PKK gegangen ist und sich in der Bundesrepublik an keinerlei illegalen Aktivitäten beteiligt hat. Das verschärfte Ausländergesetz würde damit rückwirkend angewandt, was rechtlich äußerst fragwürdig wäre. Seine Ausweisung an den Verfolgerstaat würde das Asylrecht ad absurdum führen. Beispiel 2: Anhänger der oppositionellen iranischen Volksmodjahedin, in der Vergangenheit vom Bundesamt wegen ihrer massiven Verfolgung im Herkunftsland als Asylberechtigte anerkannt, sind in immer mehr Fällen mit dem Widerruf ihrer Anerkennung konfrontiert. Mittlerweile sind mehr als 30 Exil-Iraner in der Bundesrepublik von Ausweisung bedroht. Zudem wurden Hunderte von neuen Anträgen auf Asylanerkennung und Einbürgerung abgelehnt, weil die Volks-modjahedin jetzt als »Sicherheitsrisiken« gelten; angeblich gefährden sie die »innere Sicherheit« der Bundesrepublik. Die Begründungen, für die mitunter die Beteiligung an bestimmten Demonstrationen ausreicht, beziehen sich auf die EU-»Terrorliste«, die diese Widerstandsbewegung gegen das iranische Mullah-Regime als »terroristische Vereinigung« einstuft – ausgerechnet auf Druck des iranischen Staates, den die UNO schon mehrfach wegen systematischer und massiver Menschenrechtsverletzungen verurteilt hat. So wird der Widerstand gegen ein terroristisches Regime, das weit mehr als 100 000 Oppositionelle gefoltert und getötet hat, auch in Ländern kriminalisiert, in denen Anhänger der Volksmodjahedin – unabhängig von einer politischen Bewertung dieser Organisation – Zuflucht gefunden haben und seit langem legal und friedlich leben. Gegenwärtig ist übrigens ein skandalöser Handel zwischen Teilen der EU und dem Iran im Gange: Um das Mullah-Regime zum Verzicht auf die Anreicherung waffentauglichen Urans zu bewegen, haben die mit Teheran verhandelnden EU-Staaten Deutschland, Frankreich und Großbritannien als Gegenleistung nicht nur angeboten, dem Land die Technologie zur friedlichen Nutzung von Atomenergie zur Verfügung zu stellen und das Wirtschafts- und Handelsabkommen zwischen EU und Iran wiederzubeleben, sondern sie offerierten dem Regime auch, dessen ärgste Feinde, die Volksmodjahedin, weiterhin als »terroristische Vereinigung« einzustufen – wodurch sich die iranischen Herrscher ermuntert fühlen können, Oppositionelle in ihrem Machtbereich auch künftig zu verfolgen, zu foltern oder hinzurichten. Und bislang anerkannte Asylberechtigte müssen fürchten, wegen dieser Einstufung ihren Asylstatus hierzulande zu verlieren und möglicherweise an den Iran ausgeliefert zu werden – obwohl dort nach eigener Einschätzung des Auswärtigen Amtes die bloße Mitgliedschaft bei den Volksmodjahedin zu menschenrechtswidrigen Verfolgungsmaßnahmen führt und auch Sympathisanten davon bedroht sind. Auf einer internationalen Konferenz Mitte November in Paris, wo Rolf Gössner die Internationale Liga für Menschenrechte vertrat, forderten Juristen- und Menschenrechtsorganisationen aus aller Welt die EU auf, ihre auf politisch-exekutiver, nicht auf rechtlich-legislativer Entscheidung beruhende, keiner demokratischen Kontrolle unterliegende »Terror-Liste« unverzüglich zu revidieren.
Erschienen in Ossietzky 24/2004 |
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