Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Vietnam – Irak. Vierzig verlorene Jahre?Norman Paech Das Vietnam-Trauma der USA – viele hätten gewünscht, daß sich die Supermacht nie von ihm erholt hätte, damit die Welt vor vergleichbaren Kriegen bewahrt bleibe. Doch ihre strategischen und ökonomischen Interessen waren stärker als ihre Skrupel, GIs auf unkalkulierbare Kriegsschauplätze zu schicken. Nur eines hat sich in den USA grundlegend verbessert: ihre militärische Schlagkraft. Sie sind unbesiegbar geworden – und das macht sie umso gefährlicher. Nur diese absolute militärische Überlegenheit erlaubt es ihnen, jedes Land zu jeder Zeit anzugreifen und dies auch noch zu ihrer außenpolitischen Doktrin zu machen. Viele hätten den USA ein »zweites Vietnam« gewünscht, um sie vielleicht endgültig von ihrem Interventionismus zu heilen. Aber wenn ihnen auch der Widerstand in Falludscha die Erinnerung an ein asiatisches Abenteuer auffrischen sollte, das zur Katastrophe wurde, sie bauen unverdrossen in Bagdad an der weltweit größten US-Botschaft mit 3000 Angestellten. Die brauchen sie nicht, um ein zerstörtes Land wiederaufzubauen und als Protektorat einzurichten. Hier entsteht das Zentrum der neuen US-arabischen Provinz »Mittlerer Osten«, der Hof des republikanischen Satrapen. Kein Vietnam-, kein Irak-Syndrom, sondern das endgültige Einschwenken des arabischen Halbmonds zwischen der Türkei und Pakistan auf die Umlaufbahn um die US-amerikanische Erde. * Alle Vergleiche mit dem Vietnam-Krieg sollten zunächst die erheblichen Unterschiede berücksichtigen. Zwar ist auch der Krieg im Irak kein so kurzer Krieg geworden, wie er geplant war, sondern dauert mehr als anderthalb Jahre, nachdem das Land schon seit dem ersten, von Bush sen. geführten Krieg 1991 durch regelmäßige Bombardierung der sogenannten Flugverbotszonen in einen permanenten Kriegszustand versetzt worden war; für die Besatzungstruppen zeigt der Krieg offensichtlich erst jetzt sein wahres Gesicht und fordert auch bei ihnen immer mehr blutige Opfer. Dennoch und trotz wachsenden Widerstands ist sein Ende absehbar. Das liegt vor allem an dem Gegner, der nicht nur waffentechnisch unterlegen ist, sondern von Beginn an demoralisiert und weitgehend kampfunfähig war. Die Namen Saddam Hussein und Ho Tschi Minh stehen für die absolute Unvergleichlichkeit der Gegner, mit denen es die USA zu tun hatten, und damit auch für die Aussichtslosigkeit des irakischen Widerstandes. Parallelen ergeben sich allerdings auf der US-amerikanischen Seite. Sie beginnen bei dem alten Instrument der Kriegslüge. So wurde von der Johnson/McNamara-Administration 1964 der »Zwischenfall« in der Tonking-Bucht, wo angeblich ein US-Kriegsschiff von einem vietnamesischen Boot angegriffen worden war, konstruiert, um die Bombardierung Nordvietnams zu begründen. Zur Vorbereitung des ersten Krieges gegen den Irak 1991 benutzten die USA eine kuwaitische Diplomatentochter, um sie, als Krankenschwester verkleidet, erfundene Geschichten über den »menschenverachtenden Vandalismus« irakischer Soldaten in kuwaitischen Kinderkliniken verbreiten zu lassen. Und für den jetzigen Krieg mußten sie auf die Lüge von den Massenvernichtungswaffen zurückgreifen, um wenigstens die eigene Bevölkerung von der Notwendigkeit des Krieges zu überzeugen. Die Zerstörungen und Verwüstungen, die der Vietnamkrieg angerichtet hat, sind trotz der gesteigerten Feuerkraft der US-Armee zum Glück im Irak nicht annähernd erreicht worden. Die Vergiftung der Vegetation durch Agent Orange, die Verbrennung des Bodens durch Napalm (laut CNN nur einmal im Norden des Irak angewandt), die Verseuchung der Nahrungsquellen auf Jahrzehnte und die vierzig Jahre später immer noch auftretenden unkontrollierbaren Erbschäden bei Pflanzen, Tieren und Menschen sind einmalig. Dabei mangelt es nicht an einem Waffenarsenal wie Streubomben, abgereichertem Uran und als daisy-cutter bekannten Kerosin-Bomben, deren Einsatz wegen ihrer unverhältnismäßigen Auswirkungen völkerrechtlich verboten sein müßte. Noch sind die tödlichen Hinterlassenschaften des ersten Irak-Krieges nicht vollständig beseitigt worden, da ist das Land schon wieder mit radioaktiven Munitionsrückständen und Splitterbomben, die wie Landminen wirken, übersät. Allmählich werden die zahlreichen Krankheitssymptome, unter denen die 1991 im Irak eingesetzten Soldaten leiden, zumindest in Großbritannien offiziell als Golfkriegssyndrom anerkannt. Es wird auf die prophylaktischen Impfungen gegen den befürchteten Einsatz chemischer und biologischer Waffen zurückgeführt. Offiziell bestritten werden jedoch noch immer Langwirkungen der verstreuten Uranmunition, die vor allem die irakische Bevölkerung treffen. Schwere Kriegsverbrechen wie das Massaker von My Lai im März 1968, bei dem über 500 Menschen ermordet wurden, hat es in diesem Krieg offenbar nicht gegeben, wenn uns nicht die journalistischen Weißwäscher ein solches in Falludscha verbergen. Seymour Hersh, der 1969 die Verbrechen in Vietnam an die Öffentlichkeit brachte und mit den Fotos von Ronald Haeberle dokumentierte, deckte nach knapp zehnjährigen Recherchen ein noch immer nicht in seinen wahren Ausmaßen bekanntes Kriegsverbrechen der US-Armee im Krieg von 1991 auf. Im Mai 2000 veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Untersuchungen über eine der größten Schlachten dieses Krieges; General Barry McCaffrey hatte sie nach der Erklärung des Waffenstillstandes durch Präsident Bush sen. gegen die geschlagenen und in demobilisiertem Zustand nach Bagdad zurückströmenden irakischen Truppen geschlagen. Die Zahl der Opfer, die dieses Kriegsverbrechen kostete, ist nie erhoben worden. Versuche, McCaffrey vor ein Militärgericht zu stellen, wurden vereitelt, stattdessen wurde er zum Vier-Sterne-General mit Dienst im Pentagon befördert. Wer weiß, welche Enthüllungen der jüngste Golf-Krieg über Abu Ghraib, Guantanamo und Falludscha hinaus uns noch bringen wird. Aber warum gibt es auf der ganzen Welt offensichtlich nur einen einzigen Journalisten, auf dessen Berichte im NewYorker wir warten müssen, um die ganze Wahrheit zu erfahren? * Im März 1965 hatte das US-Außenministerium ein Memorandum über die »Legal Basis for United States Actions Against North Vietnam« veröffentlicht, mit dem es seinen Krieg zu rechtfertigen versuchte. Daraufhin gründete sich ein »Lawyers Committee on American Policy Towards Vietnam« aus unabhängigen Juristen, die ein Gegenmemorandum »American Policy Vis-a-Vis Vietnam« verfaßten. Darin warfen sie der US-Administration die Verletzung der UNO-Charta, der Genfer Konventionen, des SEATO-Paktes sowie der eigenen Verfassung vor. Das Gegenmemorandum fand weitgehende Unterstützung in der akademischen Welt und forderte die Administration heraus, den Vorwürfen im März 1966 mit einem erweiterten Gutachten entgegenzutreten, das jedoch in keiner Weise überzeugen konnte, sondern das Komitee veranlaßte, sich noch einmal und noch detaillierter mit den juristischen Fragen zu beschäftigen. Die Arbeit leistete vor allem John H. E. Fried, ein Emigrant aus Wien, der eine Professur für Politische Wissenschaft an der New York City University innehatte. Zu dem Beraterkreis gehörten so bekannte Wissenschaftler wie Richard A. Falk, Stanley Hofmann, Saul H. Mendlovitz, Hans J. Morgenthau, Burns H. Weston und Quincy Wright. Das Ergebnis war ein umfangreiches völkerrechtliches Gutachten »Vietnam and International Law«, welches 1967 erschien und alle juristischen Rechtfertigungsversuche als unvereinbar mit dem Internationalen Recht zurückwies. Der Vietnam-Krieg war sowohl in seiner Entstehung als Aggressionskrieg wie in der Kriegsführung nicht mit dem humanitären Völkerrecht zu vereinbaren. Zum gleichen Ergebnis kam das von November 1966 bis Mai 1967 in London und Stockholm und im November/Dezember 1967 in Roskilde tagende Russell-Tribunal. Auf der Basis des damaligen Standes des Kriegsvölkerrechts und unter Rückgriff auf die Urteile der Nürnberger und Tokioter Kriegsverbrecher-Tribunale befand es die US-Administration zahlreicher schwerer Kriegsverbrechen bis hin zum Völkermord für schuldig. Auch der Krieg 1991 fand sein »para-juristisches« Nachspiel in einer Reihe von Tribunalen. Vor allem widmete sich der ehemalige US-amerikanische Justizminister Ramsey Clark der juristischen Aufarbeitung des Krieges. Er wies der US-Kriegsführung zahlreiche Verstöße gegen das Kriegsvölkerrecht nach (»This Fire This Time, U.S. War Crimes in the Gulf«, New York 1992). Soweit ist die juristische Aufarbeitung des jüngsten Krieges noch nicht. Die USA interessieren sich ausschließlich für einen Prozeß gegen Saddam Hussein wegen seiner zweifellos zahlreichen Verbrechen im eigenen Land. Einer prozessualen Auseinandersetzung um ihre Kriegsführung vor dem zuständigen neu gegründeten Internationalen Strafgerichthof (IStGH) in Den Haag haben sie umsichtig vorgebeugt. Sie haben ihre früher beabsichtigte Beteiligung an dem Gericht nicht nur aufgehoben, sondern auch durch zwei Resolutionen des UN-Sicherheitsrats wie durch bilaterale Verträge mit über fünfzig Staaten die faktische Immunität ihres politischen und militärischen Personals gesichert. So laufen derzeit nur Versuche, den britischen Premier Blair und die zuständigen Minister und Generäle vor dem IStGH zur Verantwortung zu ziehen – bisher noch ohne konkretes Ergebnis. Parallel dazu laufen Initiativen mit dem Ziel, in der Nachfolge der Russell-Tribunale dem allgemeinen Gefühl der Unrechtmäßigkeit des Krieges, seiner lügenhaften und erpresserischen Vorbereitung sowie all den Vermutungen systematischer Irreführung einen präzisen, nachprüfbaren Ausdruck in Form einer öffentlichen, allen zugänglichen Untersuchung zu geben. »Die Wörter nutzen sich ab, sie verblassen«, begründete einst der Vorsitzende Jean-Paul Sartre die Legitimation des Vietnam-Tribunals. »Verbrecherisch – schön; aber die Teilnehmer eines Meetings wollen mehr als eine vage ethische Kennzeichnung, die sich bei ihnen, da sie ungenau ist, in ein subjektives Unbehagen verwandelt: Sie wollen, daß das vom Redner ausgesprochene Urteil den Charakter einer objektiven Bestimmung annimmt und immer bewahrt.« Dieses Urteil steht noch aus – nicht nur über die drei Wochen der offenen Invasion im Frühjahr 2003, sondern über die vorangegangenen langen Jahre des verdeckten Krieges in den Flugverbotszonen, die verschwiegenen Geschäfts- und politischen Beziehungen zwischen den späteren Kriegsgegnern, über das Verwirrspiel um die Massenvernichtungsmittel und die Instrumentalisierung der Waffeninspektoren, die Methoden der Beweisführung der Kriegskoalition, die Rolle der Nachbarstaaten und der Medien; zu viele Zweifel und Unklarheiten liegen auf dem Weg zu einem objektiven und glaubhaften Bild von diesem Krieg. Es müssen immer noch Beweise gesichert und Quellen der Information erschlossen werden. Was geschehen ist, was sich ereignet hat, muß für weitere und spätere Untersuchungen zugänglich und offen gehalten werden, damit die Suche nach der Wahrheit nicht schon bald in der Sackgasse verschütteter Fakten und davor gestapelter Lügen stecken bleibt.
Erschienen in Ossietzky 24/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |