Antworten

Josef Joffe, Zeit-Herausgeber. – In Ihrem Leitartikel zum Ausgang der Präsidentschaftswahl in den USA schreiben Sie: »Wir müssen uns wünschen, daß Bush aufhört, Bush zu sein.« Ein reichlich frommer Wunsch – Sie sollten zu einem Spiritistenblatt überwechseln.

Gerhard Schröder, Staatsmann. – Über Ihre telefonische Gratulation beim wiedergewählten US-Präsidenten haben Sie berichtet: »Wir waren miteinander der Auffassung, daß es jetzt darum geht, nach vorne zu schauen.« Was dort zu sehen sein würde, konnte Ihnen nicht zweifelhaft sein: Militärschläge.

Detlev Albers, SPD-Theoretiker. – Zur Eröffnung einer neuen Runde der Programmdiskussion Ihrer Partei formulierten Sie als sozialdemokratisches Ziel: »die Zähmung des Kapitalismus vom Wolf zum Hund.« Da bleiben Fragen offen, etwa, wer die Haftpflicht übernehmen soll.

Wilhelm Schmidt, SPD-Praktiker. – Jetzt sind Sie nicht nur Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, sondern auch Erster Vorsitzender des Verbandes »Arbeiterwohlfahrt« (AWO). Als solcher haben Sie unverzüglich die Kritik an Hartz IV kritisiert: Es dürfe nicht »Aufgabe eines Wohlfahrtsverbandes sein, Angst zu erzeugen«. Die AWO, regen wir an, könnte zukünftig »Verband Arbeiterwohlgefühl« heißen, zum Zwecke emotionaler Begleitung bei schmerzlichen Folgen sozialdemokratischer Regierungspolitik.

Franz Müntefering, SPD-Chef. – Die politische Klasse hierzulande tauscht Meinungen darüber aus, wie sich denn vielleicht doch die Abschaffung des Nationalfeiertages, des 1. Mai-Feiertages oder christlicher Feiertage vermeiden lasse. Durch den Übergang zur allgemeinen 40-Stunden-Arbeitswoche? »Eine ziellose Debatte« – sagen Sie. Aber so viel Naivität nehmen wir Ihnen nicht ab. ­Sicherlich, es hat etwas Verwunderliches, wenn Unternehmen, die mit Kurzarbeit hantieren, nach längerer Arbeitszeit verlangen. Aber ein Ziel haben sie dabei schon: die Lohnkürzung. Sie soll über die Verlängerung der Regelarbeitszeit – ohne Lohnausgleich, das versteht sich – erreicht werden. Ein Sauerländer muß wissen, daß Umwege zielführend sein können.

Horst Seehofer, CSU-Gesundheitsexperte. – In der evangelischen Zeitschrift zeitzeichen schreiben Sie zu dem Buch von Albrecht Müller über die ­»Reformlüge«: »Der Autor zeigt plausibel, daß der vom neoliberalen Lager angemahnte Reformdiskurs in einen kollektiven Wahn mündet.« Der Heilmaßnahmen, so ergänzen wir, bedürfen freilich neben der SPD, den Grünen und der FDP auch die Unionsparteien. Dringend sogar.

Bernd Posselt CSU-Europaabgeordneter. –Mit der Ablehnung des Italieners Rocco Buttiglione als EU-Justizkommissar durch das Europaparlament hat auf unserem Kontinent die »Christenverfolgung« eingesetzt, stellen Sie kategorisch fest. Für den Fall, daß ein weltliches Inquisitionsgericht Sie zum Feuertod auf dem Scheiterhaufen verurteilt oder Sie in einem der gerade zu dieser Zeit ausgebauten Fußball-Arenen den Löwen zum Fraß vorwerfen will, bietet Ihnen das »Haus der Demokratie und Menschenrechte« Asyl.

Gabriele Hiller, Oberärztin. – Sie schreiben in der Zeitschrift Für sie über psychosomatische Probleme, kürzlich über »die generalisierte Angststörung«, bei der sich Betroffene »um alles Mögliche sorgen – Job, Kinder, Geld und so weiter«. Die Krankheit befalle vor allem Menschen »im Alter zwischen 20 und 40 Jahren«. Die Ursache sei »noch unklar«, doch es falle auf, daß der ersten Attacke »meist heftiger Streß oder ein Umbruch vorausgehe«. Unbehandelt sei diese »Angststörung kaum zu überwinden«. Deshalb empfehlen Sie eine Verhaltenstherapie, möglichst ohne Beruhigungsmittel. »Antidepressiva können begleitend sinnvoll sein.« Vielleicht sollten Sie auf der Suche nach der Ursache dieser Krankheit gelegentlich in den Wirtschaftsteil Ihrer Zeitung sehen. Es könnte sein, daß die Entlassungen bei Karstadt, Opel, Schlecker, Kugelfischer, Spar und anderen einen gewissen Zusammenhang mit »Sorgen um Job, Kinder und Geld« haben, bei denen Antidepressiva nicht so viel nützen.

Erschienen in Ossietzky 23/2004