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Der Matthias Matussek vom Spiegel zum Beispiel, bekennendes Scheidungsopfer und leidender neuer Vater, den diese unsere matriarchalisch strukturierte Welt nicht versteht, er versteht nun seinerseits die Welt nicht mehr nach diesem Ereignis: »Diese Stockholmer Preisbegründung hat es verdient, in ihrer ganzen Grauenhaftigkeit genauer unter die Lupe genommen zu werden« (Der Spiegel 42/2004). Aber man weiß ja eigentlich schon, was los ist: »Zunächst ist die Preisvergabe, keiner bestreitet das, ein Quotenurteil... eine ziemlich abgelatschte Feminismus-Front, die da noch mal abgelaufen wird in diesem Oktober« (Matussek). Es wäre ja nicht so schlimm, wenn die preisgekrönte Dingsda nicht so voller Haß wäre. Findet jedenfalls der mäßig begabte Feuilletonist Tilman Krause in der Welt. Was das »auf Wunderkind getrimmte« Weib da abläßt, ist nämlich »ein einziger Haßgesang auf die, es ist ja wahr, gebrechliche Einrichtung der Welt, die freilich, wenn man sie haßt, nicht weniger gebrechlich wird und wahrscheinlich, wenn überhaupt, nur durch Liebe gerettet werden kann. Aber Liebe ist eben anstrengend« (Die Welt, 12.10.2004). Sie nimmt bedauerlicherweise ihre weibliche Pflicht zur knochenharten Liebesarbeit einfach nicht ernst genug, die Jelinek. Dabei wäre sie als Frau gar nicht so übel, »die sympathische Steiermärkerin, 57, zart, graublond« (Matussek). Aber ach, dieser Haß gegen die ganz Falschen bei dieser schrecklichen Vereinfacherin: »Das ist das Schwein, der Mann« (Matussek). Auch Bild ist entsetzt, und kann gleich mit Zitaten aufwarten, etwa aus dem Roman »Lust« (1989): »Der Vater hat einen Haufen Sperma abgeladen, die Frau soll alles ordentlich wegputzen« (Bild, 8.10.2004). Da muß es doch einer Sau grausen, da vergeht es den Lustgewinnlern, und kann das der Sinn von Literatur sein? Dabei hat sie es doch schon mal ein klein bißl besser gewußt, die Jelinek, und sie in Frage gestellt, »die gesicherte feministische Opfer-Täter-Liturgie der achtziger Jahre« (Matussek). Aber jetzt ist sie weg, die Einsicht: »Da sitzt sie der naturgemäß (!) völlig einverständigen Sigrid Löffler gegenüber und dekretiert: ›Ich zeige, daß die Sexualität, wie sie sich im konventionellen Rahmen eines ehelichen Besitzverhältnisses abspielt, selbst Gewaltausübung ist, und zwar Gewalt des Mannes gegen die Frau.‹ So klingt eine Dichterin, die ihre Gewißheiten gefunden hat und aufgehört hat, zu dichten« (Matussek). Nun ja, die Jelinek ist »Tochter eines nervenkranken jüdisch-tschechischen Chemikers... Unglückliche Kindheit, erste Psychiater-Besuche mit 7 Jahren« (Bild, 8.10.2004). Da versteht man so manches, aber muß sich das gleich als Literatur ausgeben, und muß es unbedingt so unbarmherzig gegen die Männer gehen? Die doch selber leiden wie die Tiere? Wird Zeit, daß die Matusseks und die Krauses mal ein bißchen tabubrecherisch auftreten, wo es doch fast schon wieder revolutionär ist, die unweiblich gewordenen Weiber mal anständig an ihre natürlichen Tugenden zu erinnern. Mäßig begabte Feuilletonisten, die sich angesichts der dräuenden Hausfrau-isierung tapfer dem Jelinek-Schock aussetzen, kommen auch von ganz linksaußen, wie der Franz Schandl (hoffentlich ein Pseudonym) in der jungen Welt, der sich von mäßig geistreichen Wortspielen ernährt; wenn man eins kennt, kennt man alle. Übrigens ein echter österreichischer Landsmann aus dem Waldviertel, der weiß was über die Jelinek. Sie leidet nämlich ein bissel viel, und da wird sie staatsfromm, zwangsweise. Der Preis ist der Beweis, so Schandl: »Die Verleihung des Nobelpreises an Elfriede Jelinek wird dazu führen, daß die große Leiderin auf einmal alle leiden können. In Österreich ist sie nun verurteilt zur Staatsdichterin... Sie ist eine Nestbeschmutzerin, auf jeden Fall. Wenige führen das schmutzige Nest so gekonnt vor wie Jelinek... Nestbeschmutzung ist mitunter geradezu die Voraussetzung, in der Nationalgalerie einen oberen Platz zugewiesen zu bekommen... Ob sie will oder nicht, ist sie nun ein Markenprodukt, ein Standortfaktor, der sich rechnet« (junge Welt, 12.10.2004). Da kommt doch was rüber, nämlich: Der Schandl steht in seiner linken Integrität als kritischer Mann turmhoch über der Jelinek. Und der Beweis? Er kriegt keinen Preis. Nicht mal den Förderpreis von Neustadt am Rübengebirge. Da muß er dann auch nicht Staatsdichter werden, und ein Markenprodukt ist er auch nicht, und das ist doch schon mal was. So eine Top-Integrität hat natürlich die Jelinek jetzt leider nicht mehr, na ja, vielleicht kann sie gar nichts dafür, hat halt Pech gehabt, ausgerechnet den Nobelpreis zu kriegen, schon ist sie blamiert. Doch da hebt der Schandl die Lustgewinnlerhand zum Trost, so ist er ja nicht, er ist ja fast schon ein Gönner der Jelinek: »Elfriede Jelinek ist eine große Schriftstellerin, auch wenn sie angestrengt und mühsam wirken mag.« Muß die jetzt Danke sagen? Also eine richtige Schande ist diese Preisverleihung nun auch wieder nicht, aber ein bißl ein Schandl schon (das könnte von ihm sein). Die Frage wird doch wohl noch gestellt werden dürfen, ob es eigentlich so weit her ist mit der literarischen Qualität ihrer Haßgesänge, meinen die Herren Tabubrecher. Oder ist auch das schon verboten in unseren matriarchalischen Zuständen, wo die Männer hausfrauisiert werden? Sie weiß es doch selbst, die Jelinek, »der letzte deutsche Nobelpreis galt einem Weltroman, der ›Blechtrommel‹, sie dagegen hat in erster Linie nervöse Aufgeregtheiten zu bieten« (Matussek). Ritterlich erhebt der alpenländische Kollege einverständigen Einspruch: »Ihr Schreiben mag oft scheitern, aber es scheitert auf hohem Niveau« (Schandl). Das ist keineswegs klugscheißerisch, denn Schandl scheitert nie, noch nicht einmal auf hohem Niveau. Die »thematisch ziemlich eingeengte Lieferantin von Theaterskandalen« (Matussek) bleibt aber ungenießbar, da ist man sich einig. »Man könnte auch sagen: Alles verquirlt sich mit allem, Ressentiments, Psychogurren, surreale Arie, hassendes Lodern, Vulgarität« (Matussek). Das muß man sich auf der Zunge zergehen lassen: »Psychogurren«, »hassendes Lodern« – warum hat der Stilkünstler Matussek nicht den Nobelpreis bekommen? Aber der ist bescheiden, denn es wären vor ihm noch andere leidende Männer dran: »Und kommt immer noch keiner auf die Idee, PHILIP ROTH zu brüllen, der erzählen und zaubern kann und in seinem letzten Roman ›Der menschliche Makel‹ nicht nur den amerikanischen Rassismus bloßlegte, sondern gleich auch das politisch korrekte Campus-Milieu und dessen feministische Ausschußtriumphe?« (Matussek). Wirklich ein feministischer Ausschußtriumph, dieser Nobelpreis für die Jelinek. Wenn sie nur nicht so monomanisch auf dem allgemeinen Weiberleiden herumreiten würde. Da kommt es dem Schandl nicht, sondern es kommt ihm hoch (auch das könnte von ihm sein). Und humorlos ist sie auch: »Sie verweigert – anders als andere kritische Autoren – ein befreiendes Lachen« (Schandl). Spaß muß sein, sprach Wallenstein, und ein wenig Schenkelpatschen hält gesund, wenn der hausfrauisierte Mann sonst nichts mehr hat vom Leben. A geh, immer nur schwarz in schwarz, hat’s die Jelinek nicht eine Nummer kleiner? Denn »sie ist nicht immer durchhaltbar, diese Leiderei, etwa im 600-Seiten-Roman ›Die Kinder der Toten‹ (1995), wo die Autorin selbst die willigen Rezipienten durch ihren barock ausufernden Wortspielschwall regelrecht in die Kapitulation treibt« (Schandl). Einen Wortspielschwall kann der Schandl schließlich auch selber machen. Ja, bei einem James Joyce oder einem Robert Musil, da dürfen natürlich noch ein paar hundert Seiten mehr draufgelegt werden; aber mit dem Weiberleiden, geht das nicht ein bissel kürzer? Daß sie nicht alle Tassen im Schrank hat, die Jelinek, darüber braucht man nicht mehr viel Worte zu verlieren. Sie projiziert ihre Verzweiflung auf die Männer, wo sie doch in Wahrheit »bekanntlich sehr unter ihrer Mutter gelitten hat« (Krause). Das ist heilbar, die Frau müßte nur mehr an sich und an ihrer Natur arbeiten: »Freuds Arbeit am Ich ist schwer, kann aber gelingen. Der Jelinek gelingen die Regression und die Pose« (Krause). Es muß wohl am physiologischen Schwachsinn des Weibes liegen. Darauf kann man ein Wortspiel lassen: »Solche Leute verstören, daher ist es am besten, sie für etwas gestört zu erklären. Was der Jelinek sowieso andauernd passiert« (Schandl). Und dabei muß man mitmachen, weil Dabeisein ist alles, wenn’s um den Tabubruch geht: »In öffentlichen Stellungnahmen wirkt sie verstört, naiv und verkrampft, vor allem aber überfordert« (Schandl). Bei der Frau in der Öffentlichkeit stellt sich eben automatisch eine Art Unzurechnungsfähigkeit ein; sie wirkt naiv und überfordert, wenn sie nicht Kaffee kocht. Kein Klischee auszulassen, das ist auch eine Kunst, und das haben wir lange nicht gehabt. Überhaupt die politischen Verirrungen der Nobelpreisträgerin, das ist ein Kapitel für sich: »Abschließend bleibt allerdings anzumerken, daß sie als Dichterin mehr erkennt, als sie als Mensch begreift. Vor allem das Niveau ihrer politischen Äußerungen ist oft weit unter dem ihres schriftstellerischen Werkes angesiedelt« (Schandl). Ja geht’s denn überhaupt noch tiefer? Der Mensch, der begreift, das ist der Herr des Begriffs, und die Frauen sind dafür bekanntlich zu emotional; sie fühlen mehr, als sie begreifen, auch wenn das Fühlen dann wiederum literarisch auf hohem Niveau scheitern muß, nicht wahr? Peinlich, so die Tabubrecher, sei es, wenn die Jelinek sich stilisiert als das »von Haiders Kumpanen verspottete ›Opfer‹ des ›faschistischen Österreich’...« (Krause). Das ist ganz begriffslos, das ist ja ein völlig lächerlicher »Kaschmirschal-Alpen-Antifaschismus« (Matussek), wo doch alle Welt weiß, daß das weltoffene Österreich ausgesprochen ausländerfreundlich, tierfreundlich, negerfreundlich und judenfreundlich ist, heute mehr denn je. So ist’s richtig begriffen. Es ist schon zum Grünärgern, der Nobelpreis ausgerechnet für die Jelinek. Das entwertet diesen Preis, »jenen höchsten auf Erden« (Reich-Ranicki), der jetzt herabgewürdigt ist zu einer »schwedischen Sonderausgabe von ›Wer wird Millionär‹...« (Matussek). Die Jelinek ist »behängt« (Matussek), und »der Daily Telegraph zitiert einen führenden britischen Literaturagenten mit den Worten: ›Die Schweden sind so pervers, daß ihr Preis nichts mehr wert ist‹...« (Matussek). Das Komitee muß verrückt geworden sein. Wenn die Weiber und die Wahnsinnigen an die Macht kommen, dann muß der Staat zugrunde gehen, hat das nicht Hegel gesagt, irgendwo in der Rechtsphilosophie? Sorgenvoll zullt die Männerrunde am Bierglas, als wär’s ein Comic von Wilhelm Busch. Die Welt könnte so schön sein und so friedlich, wenn die Weiber nicht wären und der Wahnsinn. Aber leider braucht man sie noch, die Weiber, für den Lustgewinn und zum Aufputzen der Sauerei. Ist es nicht zum Wahnsinnigwerden?
Erschienen in Ossietzky 23/2004 |
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