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In irgendeiner Weise muß die Entscheidung über den Einsatz in Bonn mit den fast fünfzigjährigen Erfahrungen dieses »Schlachtrosses des Kalten Krieges«, wie Egon Bahr ihn nannte, zusammenhängen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges hatte Vernon Walters als Mitarbeiter des militärischen Geheimdienstes der USA an vielen Brennpunkten des Kalten Krieges gestanden. Er war 1947 in den Bürgerkrieg in Griechenland involviert, unterstützte Botschafter Harriman 1950 im Koreakrieg, war 1953 aktiver Teilnehmer des Putsches gegen Ministerpräsident Mossadegh im Iran, koordinierte 1960 bis 1962 als Militärattaché in Italien die Aktivitäten der USA zur Verhinderung eines linken Wahlerfolges und war 1964 in Brasilien, als das Militär putschte. Von 1972 bis 1976 fungierte er als Operativchef der CIA, in seine Verantwortung fielen unter anderem der Putsch vom 11. September 1973 in Chile sowie das Abwürgen der Nelkenrevolution in Portugal. Später war er in anderen Sondermissionen rund um den Globus im Einsatz. Aber warum nun die Entsendung des Putschgenerals gerade nach Bonn und warum zu diesem Zeitpunkt? Einige Schlüsselaussagen hat Walters selbst geliefert. In seinem 1994 erschienenen Buch: »Die Vereinigung war voraussehbar – Hinter den Kulissen eines entscheidenden Jahres« erläutert er uns die Ausgangslage: »Kurz vor Neujahr rief der gewählte Präsident mich persönlich zu sich und drängte mich, die Botschaft in Deutschland zu übernehmen... Dann fügte er die geradezu prophetischen Worte hinzu: ›Dort wird es ums Ganze gehen. Dick, willst du mir helfen, oder wirst du mich im Stich lassen?‹ ...« Man muß sich das plastisch vorstellen: Da sitzen zwei CIA-Veteranen im Oval Office des Weißen Hauses zusammen, der frühere CIA-Direktor George W. Bush sen. und sein damaliger Stellvertreter an der Spitze des Geheimdienstes, General Vernon A. Walters – der eine jetzt Präsident der USA, der andere schon länger im Ruhestand. Und sie sprechen über das Ganze, um das es jetzt gehen soll! Schon in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 10. Januar 1989 wurde Walters mit ungewöhnlichen, eigenartig makabren Worten zitiert: »Ich werde nicht geschickt, wenn ein Erfolg wahrscheinlich ist. Eine meiner Hauptaufgaben ist es, die Letzte Ölung zu geben, kurz bevor der Patient stirbt.« Das könnte der Schlüsselsatz sein, der uns erlaubt, hinter die Strategie der Bush-Administration in den Jahren 1989/90 und hinter die Aufgabe, die Walters von Bush erhalten hatte, zu blicken. Wohl niemand wird ernsthaft behaupten, daß die BRD zu jener Zeit im Sterben gelegen und der Letzten Ölung bedurfte hätte oder daß es im Verhältnis USA–BRD »ums Ganze« gegangen wäre, wenn auch in Details unterschiedliche Auffassungen zwischen Kanzler Kohl und Außenminister Genscher über den Weg zur Herstellung der staatlichen Einheit Deutschlands bestanden. Aber die Agonie des »realsozialistischen« Systems in Europa, einschließlich der Sowjetunion, zeichnete sich schon deutlich ab. Bush sen. und seine Berater – von denen viele in der heutigen Bush jun.-Administration eine entscheidende Rolle spielen – hatten die Aggressivität der Politik Ronald Reagans gegenüber dem »Reich des Bösen« unterstützt, waren aber mit den Ergebnissen dieser Politik unzufrieden. Nach ihrer Auffassung hatte die Politik der Rüstungskontrolle und der Sicherung des Gleichgewichts des Schreckens nur der Erhaltung des Status quo und damit der Sowjetunion gedient. Sie aber wollten Bedingungen schaffen und nutzen, die ein immer weiteres Entgegenkommen der Sowjetunion ohne jede Konzession von westlicher Seite erzwingen sollte – bis hin zur Aufgabe des sozialistischen Gesellschaftssystems. Das war Inhalt einer sogenannten »Grand Strategy«, die im Nationalen Sicherheitsrat der USA erarbeitet worden war. Dessen Wortführer erkannten auch, daß in der neuen Führungsmannschaft der Sowjetunion mit Gorbatschow an der Spitze Kräfte am Werk waren, die aus verschiedensten Gründen bereit waren, ihnen sehr weit entgegenzukommen. Außerdem verfügten die USA über mancherlei Mittel, die Verantwortlichen in der UdSSR über den Rest der Wegstrecke zu treiben. Die Analyse der US-Strategen besagte: Die Supermacht UdSSR und ihre mehr oder weniger sicheren Bündnispartner in Osteuropa sind sturmreif. Jetzt und hier geht es also ums Ganze! Und welche Rolle fiel nun dem schwergewichtigen Mann im Sessel des Botschafters der Vereinigten Staaten im Bonner Stadtteil Bad Godesberg zu? Bonn war traditionell in Europa die östlichste und die technisch-organisatorisch bestvorbereitete Basis für Geheimdienst-Operationen in Richtung Osten, für CIA-Aktivitäten in Osteuropa diente die BRD schon jahrzehntelang als Ausgangspunkt, Versorgungsstützpunkt und auch Rückzugsbecken. Das dürften einige Gründe gewesen sein, den Experten für verdeckte Geheimdienstaktionen und für die »Letzte Ölung« auf diesem westlichen Vorposten einzusetzen. Seine Stärke bestand darin, die Akteure vor Ort an seinen Drähten zappeln zu lassen. Ihm gebührt der Titel »Der Drahtzieher«.
Klaus Eichner arbeitet gemeinsam mit Ernst-Jürgen Langrock an einem Buch »Der Drahtzieher«, das Ende des Jahres im Kai Homilius Verlag Berlin erscheinen soll.
Erschienen in Ossietzky 23/2004 |
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