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Vielmehr konkurrieren zahlreiche Anrainerstaaten um den Zugriff auf diese Ressourcen. Fliegt man gedanklich vom südlichen Vietnam zu den südlichen Philippinen, so überquert man nach zwei Dritteln der Strecke die Spratleys: mehr als zweihundert Inseln, Korallenriffe und Unterwasserberge, verstreut über mehr als viertausend Quadratkilometer. Ihre überseeische Landmasse beträgt nur fünf Quadratkilometer, worauf nichts außer Strandhafer und Seegras wächst. Die höchste Erhebung ragt knapp vier Meter über den Meeresspiegel. Die Spratley-Inseln liegen außerhalb aller üblichen Hoheitszonen, jedoch innerhalb sogenannter »erweiterter Wirtschaftsgebiete«, die von einzelnen benachbarten Ländern reklamiert werden und sich teilweise überlappen. An ihnen vorbei führt die zweitwichtigste Schiffahrtsstraße der Welt. Darauf verkehren die Supertanker mit Öl aus Nahost, unterwegs zu den Häfen der Volksrepublik China, Südkoreas, Taiwans, Japans und der US-Westküste. Und unter den Spratleys wartet der Ölschatz des Fernen Ostens darauf, gehoben zu werden. Aber auch der Fischreichtum des Südchinesischen Meeres trägt dazu bei, daß sich diese Region zu einem Brennpunkt der internationalen Politik entwickelt. Nach heftigen Erdgas-Eruptionen bei den Spratleys im August nahm Hanoi die Planung eines Flughafens für ein »Touristenzentrum« auf der »vietnamesischen Hauptinsel« des Archipels auf. Eilig konterten Anfang September Chinas Staatspräsident Hu Jintao und die philippinische Präsidentin Gloria Arroyo mit einem Pakt zur gemeinsamen Exploration der Öl- und Ergaslager – obwohl die Philippinen bis dahin für gemeinschaftliche Lösungen geworben hatten, die von der Association of South-East Asian Nations (ASEAN) vermittelt werden sollten. Prompt protestierten die weiteren Anspruchsteller Brunei, Malaysia, Indonesien, Thailand, Vietnam und das (ebenso wie die Volksrepublik China) gar nicht zur ASEAN gehörende Taiwan. Zurückhaltung übten lediglich Laos, Myanmar, Singapur und Kambodscha, allesamt wohl weniger aus politischer Einsicht als aus Mangel an maritimer Kampfkraft. Die Aufregung hat inzwischen das völlig von Ölimporten abhängige Japan und die USA erfaßt, deren Ölmultis – neben einigen europäischen Unternehmen – intensiv an der Erkundung der Vorkommen beteiligt waren und nun an deren Ausbeutung profitieren wollen. Angesichts des immensen Öldurstes der VR China, der Milliardengeschäfte verheißt, klemmen sich die Multis hinter die einzelnen Staaten der Region und drängen sie zu Verträgen, die einander ausschließen. Sie selber scheinen zu keiner Rücksicht auf konkurrierende Vertragsrechte anderer Staaten und anderer Unternehmen bereit zu sein. Unterstützt vom europäischen Ölmulti Royal Dutch Shell reklamierte die Regierung in Manila fast 60 östliche Spratley-Inseln für sich, weil die Philippinen der am nächsten gelegene Staat seien. Die VR China, bestärkt von US-Ölmultis, beansprucht dagegen gleich ausnahmslos alle Inseln, obwohl die Spratleys mehr als 1500 Seemeilen von der Südküste entfernt liegen; angeblich reicht aber der chinesische Festlandschelf bis dorthin. Mit ähnlichen, von der Internationalen Seerechtskonvention und einschlägigen Rechtsnormen kaum mehr gedeckten Begründungen fordern das Sultanat Brunei, die Volksrepublik Vietnam, das Königreich Thailand, die Republiken Indonesien und Malaysia und sogar das 2000 Seemeilen entfernte Taiwan (»Wir waren zuerst dort«) ihren Anteil – selbstverständlich jeweils den größten. Trotz ihres konträren Bündnisses mit den Philippinen gewährte die VR China dem US-Konzern Creston Energy Corp. Schürfrechte, und zwar unter Einschluß jener Spratleys, auf die Manila Anspruch erhebt. Dieser chinesisch-amerikani-sche Handel paßt auch den Vietnamesen nicht. Sie vergaben Bohrkonzessionen für das umstrittene Gebiet an den US-Multi ConocoPhillips. Malaysia fördert bereits Öl auf den Spratleys, selbstverständlich mit US-Unterstützung (Exxon, Mobil Oil). Unmittelbar am Ölgeschäft beteiligt sind noch Brunei und Indonesien. Aber welche Länder untereinander und mit welchen Multis offene oder geheime Verträge haben, welche Rechte sie darin für sich beanspruchen und welche sie an die Unternehmen abgetreten haben und zu welchen Konditionen, das alles überblickt nicht einmal mehr der US-Geheimdienst CIA – obwohl er auf seinen Internetseiten fleißig Informationen, Tabellen und Organigramme dazu anbietet. Während fast alle Konfliktbeteiligten ihre Waffenarsenale mit Einkäufen in den USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Rußland auffüllen, richten sich ihre sorgenvollen Blicke auf die VR China, von wo die größte Gefahr droht. Der chinesische Wirtschaftsboom verlangt nach immer mehr Ölimporten, die jährliche Steigerungsrate beträgt etwa 30 Prozent. Das Reich der Mitte wird, wenn nicht andere Energieträger (Kernfusion, Wasserstoff) sich bald entwickeln oder billigere Ölquellen sich erschließen lassen, wahrscheinlich gewaltsam auf die Spratleys zugreifen. Bedenken gegen militärische Gewalt hat Peking bisher kaum erkennen lassen. 1974 nicht, als es die Paracel-Inseln besetzte und dabei, wie später bei einigen Spratley-Inseln abermals, die vietnamesischen Besatzungen mit blutigen Gefechten vertrieb. Auch im Hinblick auf Taiwan nicht, das sich von Peking mit gewaltsamer »Heimholung« bedroht sieht. Nicht einmal im Hinblick auf Nordkorea. Jüngst reklamierten beamtete Pekinger Wissenschaftler das frühgeschichtliche Königreich Koguryo für den ursprünglich chinesischen Zivilisationsbereich. Zentrum und Hauptgebiet Koguryos lagen im heutigen Nordkorea, und selbstverständlich betrachten es die Koreaner als Frühform ihrer Zivilisation. Man braucht nicht erst an Tibet zu erinnern, wenn man ins Gedächtnis rufen möchte, daß die VR China an ihre eigenwilligen Geschichtsbilder gern sehr neuzeitliche Hegemonialansprüche knüpft. Und Deutschland? Die Rüstungsexporte nach Fernost nehmen zu.
Erschienen in Ossietzky 22/2004 |
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