Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Anti-Aufklärung auf amerikanischHartwig Hohnsbein Die evangelikale Nachrichtenagentur idea jubelte zu früh, als sie im April verkündete: »Ministerin verbannt Evolutionstheorie aus dem Lehrplan« und begründete: »Die Evolutionstheorie widerspricht der christlichen, jüdischen und islamischen Sicht einer göttlichen Schöpfung der Lebensformen.« Vorangegangen war die Verabschiedung eines Dekrets der italienischen Bildungsministerin Letizia Moratti. Danach sollte im Lehrplan für die Grund- und Mittelschulen (1. bis 8. Schuljahr) die Evolutionslehre durch die biblische Schöpfungsgeschichte ersetzt werden. Auch die katholischen Bischöfe Italiens, denen sich die strenggläubige Ministerin verbunden weiß, jubelten: Endlich würden die Schulkinder als wissenschaftliche Erklärung für die Entstehung der Welt und des Lebens wieder das erfahren, was dem Christenvolk fast 2000 Jahre lang aus dem 1. Kapitel des 1. Buches Mose (Genesis) beigebracht worden war: daß die Welt und das Leben darauf in sechs Tagen von Gott »geschaffen« wurde, der Mensch in dieser Schöpfung eine Sonderstellung erhalten hatte und nach dem siebten, dem »Ruhetag« Gottes, das ganze Universum fertig war. Einige Tage später kam die Meldung aus Italien, die diesmal allerdings von idea nicht weitergegeben wurde: »Rom streicht Darwin doch nicht aus dem Lehrplan.« Das hatte der Protest von 30 000 Professoren, Forschern und Intellektuellen bewirkt. Die Vernunft hatte den Aberglauben zurückgedrängt. Doch sie muß wachsam bleiben, denn der Aberglaube ist weiterhin sehr lebendig – in den USA. Dort haben seine Anhänger, die christlichen Fundamentalisten, ihm den »wissenschaftlichen« Namen »Kreationismus« gegeben und kämpfen zur Zeit in 31 Bundesstaaten um die Gleichbehandlung ihrer Bibellehre mit der Evolutionslehre nach Darwin und Einstein. Damit haben sie durchaus Erfolg, zum Beispiel im Bundesstaat Kansas. Hier stellten die zuständigen Schulbehörden fest, die Evolutionslehre könne schon deshalb nicht mehr als allein verbindlich gelehrt werden, »weil niemand bei der Entstehung des Lebens auf Erden anwesend gewesen« sei. Deshalb müsse auch die »Schöpfungslehre« gleichwertig behandelt werden. Das sieht auch ein Gesetzesentwurf im Bundesstaat Missouri vor, der ab 2005 allen Lehrern Entlassung androht, die sich daran nicht halten. Inzwischen unterrichten 20 bis 25 Prozent der amerikanischen Lehrer die »Kreationslehre«. Die frömmsten unter ihnen kennen sogar die genauen Daten zur Weltentstehung. Sie erzählen ihren Schülern, dass Gott am 23. Oktober 4004 v. Chr. sich ans Werk machte und nach sechs Tagen, also am 29. Oktober 4004, damit fertig war. Das Jahr 4004 v.Chr. als Jahr, in dem die Erde angeblich »erschaffen« wurde, berechnete für die Christen der Erzbischof von Irland, James Ussher, um 1650 nach den Jahresangaben im Alten Testament. Die rabbinische Jahreszählung war auf eine ähnliche Zahl gekommen. Auch in Luther-Bibeln wurde noch im 20. Jahrhundert gelegentlich diese Jahreszahl genannt. Inzwischen glauben 57 Prozent der Amerikaner an den Kreationismus, und nur ein Drittel ist von der Lehre Darwins und Einsteins überzeugt. Unter diesen Mehrheitsamerikanern war Präsident Reagan und ist heute Präsident Bush. Für ihn ist der Genesis-Mythos auch deshalb interessant, weil er daraus erfährt, wie der Schöpfergott die Stellung des Menschen zu den Tieren und zur Natur eingerichtet hat: Der Mensch, das Abbild, die »Standarte Gottes«, soll herrschen nach der Art babylonischer Großtyrannen, sich alles »untertan« machen (wörtlich »zertreten«) – alles zum eignen Nutzen. Wer sich, wie Bush, an diese biblische Ordnung hält, der braucht nach göttlicher Anordnung keine Beschränkungen zur Umwelterhaltung zu unterschreiben, die seine Wirtschaft und Kriege beeinträchtigen würden. Unterstützt wird er darin von den prominentesten Vertretern der größten amerikanischen Kirche, der Southern Baptist Church von Billy Graham und dessen Sohn Franklin. Letzterer gab gleich nach dem 11. 9. 2001 für Bushs Kreuzzüge die Losung aus: »Der Islam ist eine böse Religion«, die er dann im Karfreitagsgottesdienst 2003 im Verteidigungsministerium ausführlich erläutern durfte. Ohne die »millionenschwere Organisation« (lt. Die Welt) der Grahams und ihre Fundamentalisten könnte der Präsident die anstehenden Wahlen schwerlich gewinnen. Das wissen beide Partner, und das macht sie stark und einflußreich. In Europa haben es die »Kreationisten« schwerer, in der Bevölkerung Gehör zu finden, vor allem nachdem die deutsche katholische Kirche 1996 festgestellt hat, daß sie keine »Einwände« mehr gegen die Lehre Darwins und Einsteins erhebt. Doch das kann sich ändern, wenn eines der unfehlbaren Papstworte den Bischöfen vorschreibt, die Bibel wieder wortwörtlich zu nehmen, wie es die Bischöfe in Italien tun. Für den evangelischen Bereich steht dafür die »ProChrist-Bewegung« bereit. Sie wurde 1993 von Billy Graham, dem »Maschinengewehr Gottes«, persönlich in der Essener Grugahalle gegründet, hat seitdem zahlreiche Satelliten-Missionen abgehalten und wird inzwischen auch von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ideologisch und finanziell unterstützt. Dafür sorgt ein »Kuratorium«, dem Politiker wie Ministerpräsident Teufel, Minister Beckstein, Bürgermeister Scherf und Kirchenleute wie EKD-Ratsvorsitzender Huber, die Bischöfe Fischer und Maier angehören. Letzterer steht der württembergischen Landeskirche vor. Er hat in diesen Tagen die »baldige Wiederkunft Christi« angekündigt, wodurch »die Welt vom Bösen befreit« werde. So sehen es auch seine amerikanischen Glaubensbrüder um ihren Präsidenten. Es ist anzunehmen, daß unser wackerer Schwabe auch bald ihr anderes Glaubensanliegen, den Kreationismus verstärkt zu verbreiten, aufnehmen wird – wenn ihm nicht der »wiederkehrende Herr Jesus« dazwischenkommt.
Erschienen in Ossietzky 21/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |