Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Wie Joseph Fischer unsterblich wirdMartin Petersen Gerhard Schröder hat sein Lebensziel erreicht. Nicht als kleingedruckte Fußnote, sondern als Kanzler aus Kruppstahl, vielleicht mit eigenem Bildchen, darf er in die Geschichtsschreibung eingehen. Das wird sein Lohn sein für die Bereitschaft, breite Bevölkerungsteile der Verarmung auszusetzen, und für die Weigerung, deutsche SoldatInnen direkt im Irakkrieg mitmetzeln zu lassen. So viel Verachtung ihm für ersteres zusteht, so wenig Lob hat er für letzteres verdient, handelte der Kosovo-Krieger doch nicht aus pazifistischer Gesinnung, sondern als verzweifelter Wahlkämpfer, dem schon alles außer einer zweiten Amtsperiode egal war. Die sprichwörtliche Ironie der Geschichte will es, daß dieser Mann – der noch jede seiner Überzeugungen ausgetauscht hat, wenn er seine Macht dadurch erhalten oder mehren konnte – uns demnächst aus den Geschichtsbüchern als prinzipientreuer und charakterfester Staatsmann zuwinkt. Dagegen ist des Kanzlers Stellvertreter noch nicht am Ziel. Joseph Fischer belegt zwar seit Jahre die »Pole Position« in sämtlichen Sympathie-Umfragen der Kategorie »politische Klasse«. Auch bewies er bereits im ersten Jahr der rot-grünen Koalition, daß er auf dem Wege staatsmännischer Verrohung nicht hinter seinem Kanzler zurückbleibt: Den Angriffskrieg gegen Serbien wollte er ausgerechnet mit Auschwitz rechtfertigen, dem größten aller Menschheitsverbrechen, das ein deutsches war und bleibt. Doch die Entscheidung, Serbien endlich sterbien zu lassen, durfte er nur propagieren, nicht aber selber treffen. Wofür also werden sich zukünftige Historiker an Fischer erinnern? Es ist die Eitelkeit des Berufspolitikers, gepaart mit der Angst vor dem Tod, die angesichts katastrophaler Umfragewerte für seinen scheinroten Koalitionspartner den Kummerspeck des Außenministers anschwellen läßt. Das Haltbarkeitsdatum des Boulevardruhmes, den er sich als Autor eines Jogging-Bestsellers und Eroberer junger Frauen erwerben konnte, liegt deutlich unter dem eines Liters H-Milch. Auch die Sage vom polizistenverkloppenden Straßenkämpfer und Berufsversager, der sich eine kleine Partei unter den Nagel reißt und zum staatstragenden Politdarsteller mutiert, taugt höchstens als Vorlage für einen RTL-Fernsehfilm... Die Zeit wird knapp! Eine weltpolitische Großtat muß her, die den Namen Joseph Martin Fischer endlich unsterblich macht! »Kennst Du den Platz an der Sonne / Wo alle Menschen sich versteh’n?« Das soziale Utopia, nach dem Udo Jürgens schon vor 30 Jahren vergeblich fahndete, könnte laut Fischer bereits im nächsten Jahr Wirklichkeit werden; und – wer weiß? – vielleicht bricht tatsächlich der ewige Friede über uns herein, sobald sich Deutschland einen ständigen Sitz im UNO-Sicherheitsrat erschlichen hat. Dieser Friede wäre allerdings ein typisch deutscher, also ein mit unzähligen Leichen erkaufter. In Fischers Diplomatensprache übersetzt: »Das hat nichts mit Großmachtstreben oder Nationalismus zu tun.« Praktisch hat man sich das so vorzustellen: Eine ständig wechselnde Koalition der Gutwilligen setzt, unter behutsamer Anleitung Deutschlands, die Pax Fischer durch: Wer sich schwerer Menschenrechtsverletzungen verdächtig macht, wird mit Enthauptungsschlägen und Flächenbombardements nicht unter zwei Monaten bestraft. Fischer & Konsorten werden sich mit schmerzverzerrten Sorgenmienen an den Hufeisentisch des Weltsicherheitsrates fläzen, während sie unter der Tischplatte die Fäden der Weltpolitik ziehen, natürlich stets zum Wohle der deutschen Eliten. Rot-Grün wird die »Normalisierung« Deutschlands so weit treiben, daß deutsche Blauhelmtruppen in Israel einmarschieren können und ihre Gewehrmündungen irgendwann sogar auf US-Soldaten richten. Um dieses Szenario – die Aufhebung und Umkehrung der Weltordnung von 1945 – zu verhindern, hintertreiben die Vereinigten Staaten den deutschen »Kampf um den Sicherheitsrat« (Der Spiegel). Über Rom und London ließ Präsident Bush der Berliner Republik eine »semipermanente« Mitgliedschaft ohne Vetorecht anbieten. Sollte Fischer sie ablehnen und durch List, Bestechung oder Erpressung doch noch für immer und ewig in den Sicherheitsrat einziehen, nähme er damit eine weltumspannende Katastrophe in Kauf. Denn ehe die letzte Supermacht sich von ihm an die Wand des großen Sitzungssaales drücken läßt, wird sie die UNO verlassen und sich der völkerrechtlichen Einbindung und Kontrolle vollends entziehen. Und dann? Egal. Endlich ein Platz an der Sonne! Was schon Kaiser und Hitler zur Staatsdoktrin erhoben, aber nicht erreichten, weil sie es gegen den Rest der Welt erkämpfen wollten, das könnte der heutige deutsche Außenminister im Dezember, wenn er bis dahin zwei Drittel der 191 UNO-Staaten zusammenbringt, den fünf bisherigen ständigen Mitgliedern des Sicherheitsrates, vor allem den USA, abluchsen. Die Vertreter von 80 Staaten vermochte Fischer bereits auf diese oder jene Weise zu gewinnen. Mit Japan, Indien und Brasilien spielt er sich in der Gruppe der »Great 4« zum globalen Alphatier auf; in den Hauptstädten der Welt ließ er sich von französischen Diplomaten sekundieren, die zusammen mit ihren rechtsrheinischen Amtskollegen den Außenministern fast aller UNO-Staaten unmißverständliche deutsche Demarchen aufzwangen. Vor allem in den Ländern der Dritten Welt zahlt sich derzeit das Kanzler-Nein zum Irakkrieg erneut aus: Dort wie in den Augen Kofi Annans stehen die USA unter Bush als Gegner da (der sie auch sind), Deutschland jedoch als Helfer und Retter (den es mit so viel Inbrunst wie Falschheit nur spielt). Sollte Fischer demnächst den Weltmacht-Traum der Pickelhauben und Braunhemden wahrmachen (den noch Kohl nicht aus Bescheidenheit, sondern Vorsicht platzen ließ), steigt der Metzgersohn aus Gerabronn augenblicklich in die Walhall der bedeutendsten teutschen Staatsmänner auf. Mag die rot-grüne Koalition danach unbeweint am neoliberalen Gift krepieren, das sie sich selbst und diesem Land ständig in Höchstdosis zumutet – Fischers Ruhm wird vor dem Vergessen der Massen und ihrer Medien sicher sein. Wer in die Schulbücher darf, lebt schließlich ewig. Schäuble, Kinkel, Westerwelle, Altkanzler Schmidt – sie alle lehnen Fischers Plan ab, weil er den Konflikt zwischen Deutschland und den USA so oder so verschärft und die deutsche Wirtschaft beschädigt. Gerhard Schröder aber hat seinem Vize mehrfach für das »Ringen um Geld und Macht« (Spiegel) freie Hand gegeben. Laut Infratest wollen zudem sechs von zehn Deutschen ihr Land mit ständigem Sitz im Sicherheitsrat sehen, ausdrücklich auch dann, wenn dafür der Verteidigungshaushalt explodiert und die Bundeswehr an noch mehr Kriegen teilnimmt. Diese Befürworter einer deutschen Weltordnungsmacht haben die Lektionen zweier Weltkriege vergessen, verdrängt oder nie begriffen. Ob mit solchen Menschen auf Dauer ein demokratischer Sozialstaat oder gar ein demokratisch vereintes Europa machbar ist? Ihrem Außenminister kann das gleich sein. Ihm geht es um Höheres; er will als Bauherr des Deutschen Weges bejubelt werden, der uns, die bescheidenste aller Nationen, an die Weltspitze führt. Nie könnte der Ex-Joschka auf internationalem Parkett so groß und wichtig tun, wenn ihm seine Deutschen nicht mehrheitlich den Rücken stärkten. Wie viel Tod aber Joseph Fischer über die Völker der Welt bringt, wie viel zusätzliche Armut er großen Bevölkerungsteilen seines Landes zumutet, nur um den eigenen Namen in den Geschichtsbüchern zu platzieren – darauf müssen zukünftige Historiker antworten, statt den rücksichtslosesten aller bündnisgrünen Machtmenschen zur Lichtgestalt zu verklären, die er so gern wäre.
Erschienen in Ossietzky 21/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |