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Den Auftrag zur unabhängigen und umfassenden Information und den Bildungsauftrag hat das Bundesverfassungsgericht in seinen fünf Urteilen zum Rundfunkwesen in Deutschland als konstitutiv für die Demokratie eingestuft. Das Gericht hat daraus unter anderem den Anspruch auf Einnahmen aus Rundfunkgebühren abgeleitet. Es hat wiederholte Versuche der Unionsparteien zurückgewiesen, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu zerschlagen oder seine Existenzgrundlagen zu gefährden. Die Karlsruher Richter haben allerdings weder beabsichtigt noch hätten sie es vermocht, die Mächtigen im Lande und die für die Bewahrung der bestehenden Besitz- und Machtverhältnisse tätigen Politiker an ihrem prägenden Einfluß auf die Programmarbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu hindern. Das erklärt, weshalb die Anstalten im Diskurs über den aktuellen Sozialabbau und dessen vorgebliche Alternativlosigkeit so kläglich versagen. Gegenpositionen vorzustellen, wäre im Sinne der Aufklärung nötig und vom Programmauftrag her geboten gewesen. Mit informativen und bildenden Beiträgen hätten sie helfen müssen, dem demagogischen Geschwätz von der Unvermeidlichkeit der »Sozialreformen« entgegenzutreten. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben sich ihrer Aufgabe nicht gestellt. Andernfalls würde das Wissen über die Alternativen zur Demontage des Sozialstaats heute zum Allgemeingut gehören. Es gäbe mehr Protest gegen die Berliner Finanzpolitik mit ihren obszönen Steuergeschenken für die Reichen, es gäbe öffentliche Diskussionen und anhaltende Parlamentsdebatten über Vermögenssteuer, Besteuerung der Firmenverlagerung ins Ausland, Spitzensteuersatz, Körperschaftssteuer, Gesetzeslücken für Steuerflüchtlinge oder auch über Konzepte wie das der »solidarischen Einfachsteuer«. Die Löcher in den Etats von Bund, Ländern und Gemeinden wären kleiner, die Finanzierung der Sozialsysteme wäre ungefährdet. Schröder, Eichel, Bütikofer oder Müntefering könnten nicht mehr von der »Notwendigkeit der Agenda 2010« schwadronieren, ohne daß nachgefragt wird, ob sie noch bei Verstand sind. Nein, die öffentlich-rechtlich organisierten Medien sind entgegen ihrem Auftrag drauf und dran, sich zu Komplizen bei der Spaltung unserer Gesellschaft zu machen. Sie unterrichten bestenfalls graduell, nicht prinzipiell anders als die ganz im Sinne ihrer Anteilseigner tätigen kommerziellen Medien. So gefährden letztlich auch Anstalten wie der Norddeutsche Rundfunk (den sein Intendant Jobst Plog als »Unternehmen« bezeichnet) die demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaft. Übertreibung? Hier ein Beispiel, pars pro toto. Die ARD-Tagesschau meldete am 15. September aus Hamburg: »Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Rogowski, hat sich dafür ausgesprochen, die Unternehmensbeiträge zur Sozialversicherung zu streichen. Der Wochenzeitung Die Zeit sagte er, die Unternehmen sollten Arbeit schaffen und die Beschäftigten die soziale Sicherung selbst finanzieren. Die Unternehmen seien nicht vorrangig für die Sozialfürsorge verantwortlich. Vertreter von DGB, SPD und Grünen wiesen Rogow-skis Vorstoß zurück.« Daß der BDI-Präsident eine »Kriegserklärung an den Sozialstaat« abgegeben hatte (nicht seine erste), hätte man vom Vorsitzenden der CDU-Sozialausschüsse (CDA), Hermann-Josef Arentz, erfahren können. Doch die Tagesschau verschwieg dessen Verdikt vorsichtshalber. Auf diese Art von journalistischer Objektivität können sich Rogowski und der von ihm präsidierte Bundesverband der Deutschen Industrie fest verlassen – wie sie auch nicht befürchten müssen, wegen verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Verfassungsschutzbericht aufzutauchen. Rogowski ist, im Unterschied zu breiten Bevölkerungsschichten, ein informierter Mann, der genau weiß, was er sich vor den Medien erlauben kann. Weder die Tagesschau und heute noch selbst die Magazine, denen die Zuständigkeit für Kritik zugeschoben wurde, wie Panorama oder Monitor im ARD-Programm oder Frontal 21 im ZDF werden seine Umtriebe als antidemokratisch brandmarken. Man darf vielmehr wetten, daß er und seine Gesinnungsfreunde immer wieder zu bester Sendezeit zum Beispiel bei Sabine Christiansen (selbst Euro-Millionärin, klar doch) ihre Attacken gegen die – für unsere Demokratie konstitutive – Sozialstaatlichkeit reiten werden. Rogowski, Hundt, Henkel & Co. wissen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu schätzen. Er ist ihr wichtigstes Sprachrohr. Über die Montagsdemonstrationen dagegen hörten wir Woche für Woche aus den Nachrichtensendungen nur, daß sie abbröckelten (mit Zahlenangaben, die eher den Wünschen Rogowskis und der Regierung entsprachen als der Realität); die Demonstranten kamen nicht zu Wort. Übrigens: In der Chemnitzer Freien Presse erklärte Rogowski nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, die wiedererstarkte NPD und die DVU, also die Alt- und Neunazis, stellten anders als die PDS kein Investitionshindernis für die in- und ausländische Wirtschaft dar. So offen spricht er. Dafür könnte man ihm vielleicht sogar dankbar sein, wenn die Medien – vor allem die dazu verpflichteten öffentlich-rechtlichen Anstalten – nicht minder offenen Widerspruch verbreiten würden. Indem sie darauf beflissen verzichten, ruinieren sie die Demokratie.
Erschienen in Ossietzky 21/2004 |
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