Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Heute abend: Susanne KliemschKatrin Lange Der Theaterabend beginnt mit einer schier endlosen Namensliste: jüdische Namen, minutenlang auf der Leinwand aufgeblendet, die den Hintergrund der kleinen Bühne bildet. Ein Name nach dem anderen: nach Auschwitz Deportierte, Ermordete. Denn um jüdische Schicksale geht es im Musical des österreichischen Kabarettisten, Liedermachers und Sängers Georg Kreisler »Heute Abend: Lola Blau«. 1938 will die jüdische Schauspielerin Lola ihr erstes Engagement am Theater Linz antreten, aber die deutschen Faschisten krallen sich gierig Österreich ein, die österreichischen Faschisten lassen sich gierig einkrallen. Lola kann fliehen – Schweiz, USA, Tingeltangel, Karriere als Stripperin, aus dem Theatertraum wird nichts. Und bei der Rückkehr in die alte Heimat gegen Ende der vierziger Jahre muß Lola erkennen, daß der Schoß, aus dem die faschistischen Greuel krochen, immer noch fruchtbar ist. »Lola Blau« ist eine Collage aus Liedern, erst noch unbeschwert und dann immer böser – wobei Kreisler so ziemlich die gesamte Wiener Musik-Literatur von Mozart über Johann Strauß bis zu Schunkelliedern ironisiert. Das Ein-Frau-Stück ist ein gefundenes Fressen für eine gute Schauspielerin, die obendrein singen kann. Susanne Kliemsch ist eine solche. Sie singt und läßt über die Lieder die Figur entstehen: ihre Torheit erst, die zunehmende Erkenntnis, die zunehmende Verzweiflung. Sie bekennt sich zur explosiven Fröhlichkeit der Figur und zeigt ihren Absturz in Suff und Selbstaufgabe. Jedes der Lieder ist ansehens- und anhörenswert; Kliemsch hat das Zeug zu einer Chansonsängerin von Rang. Am besten ist sie, wenn sie satirisch wird: als eine machtgeile »Dame«, eine Frau Schmidt aus dem Nachkriegsdeutschland, die von nichts was gewußt haben will. Ein Lebenslauf enthüllt sich: die Geschichte einer endlosen Emigration – wie so viele im zwanzigsten Jahrhundert. Und in der Gegenwart. Das Stück ist auf vielen Brettern erprobt, und doch hat die Inszenierung (Peter Wittig) ein bißchen was von einer Uraufführung: Zum ersten Mal werden Lolas Lieder konterkariert und untersetzt mit autobiografischen Prosa-Texten Kreislers; der hervorragende Pianist Jean-Claude Payet liest sie sachlich und zart ein. Darstellerin und Regisseur schreiben das Stück gleichsam in die Gegenwart fort – so bekennt sich diese nachkriegsdeutsche Frau Schmidt eben entschlossen zu den Äußerungen eines Herrn Hohmann aus Fulda. Und das Publikum freut sich voll Grimm. Gerade diese grimmige, wissende Übereinstimmung zwischen Menschen diesseits und jenseits der Rampe prägt den Abend. Der Saalbau Neukölln, in dem gespielt wird – damals eins der vielen Ballhäuser in Berlin – war Sammelstelle und Lagerhaus für das Hab und Gut jüdischer Menschen. Von hier aus wurde es verramscht: »Arisierung«. Von hier aus wurden sie ins Gas gejagt. Nächste Vorstellungen: 29., 30., 31. Oktober 2004, jeweils 20 Uhr im Saalbau Neukölln, Karl-Marx-Straße 141, 12043 Berlin; Kartentelefon 68 09 37 78
Erschienen in Ossietzky 20/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |