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Zwei Jahre nach dem bemerkenswerten Gemeinschaftsprojekt zum Thema Zwangsarbeit befaßt sich eine Ausstellung im PrenzlauerBergMuseum erneut mit diesem Thema, wobei sie an manches anknüpft, was bereits damals zu sehen war. Neu ist der Teil, der dem Ganzen den Titel gibt: »Das Beispiel Flick«. Auf sechs Tafeln offenbart sich dem Betrachter in nüchternen Daten und Darstellungen die Entwicklung eines Firmenimperiums, das sich in den vergleichsweise wenigen Jahren der NS-Zeit in einem enormen Tempo in schwindelerregende Höhen emporschrauben konnte. Der Netto-Umsatz der wichtigsten Betriebe, der 1932/33 etwa 75 Millionen Reichsmark betragen hatte, stieg bis 1935/36 auf rund 200 Millionen, 1940/41 wurden 350 Millionen RM abgerechnet. Allein die rüstungswichtige Rohstahlproduktion wuchs in diesen Jahren auf das Sechsfache. Der Flick-Konzern hatte sich also zu einem bedeutenden Faktor der Kriegsvorbereitung und Kriegsführung entwickelt. 1943/44 meldete er in seinen Betrieben 120 000 Beschäftigte, darunter zwischen 40 000 bis 60 000 ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge. Im Werk Hennigsdorf bei Berlin bestanden 1944 etwa 55 Prozent der Belegschaft aus Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen. Zur gleichen Zeit konnten die 132 Unternehmen, an denen Flick beteiligt war – und zu denen mindestens zwei »arisierte« Betriebe und drei große Einrichtungen im okkupierten Frankreich und im eroberten Teil der UdSSR zählten – einen Jahresgewinn vor Steuern in Höhe von 182,5 Millionen RM abrechnen. Die Bruttorendite erreichte traumhafte 40 Prozent. Firmendokumente werden ergänzt durch Fotos aus diesen Jahren und durch Wortmeldungen Betroffener. Sie lassen wegen der zeitlichen Begrenzung auf die Jahre, in denen Zwangsarbeit geleistet wurde, nur einen schmalen Blick auf einen kurzen Zeitraum des Imperiums Flick zu. Ausgeblendet bleiben die Jahre zuvor, als der Manager Friedrich Flick die Ergebnisse des Versailler Vertrages und selbst die Weltwirtschaftskrise für sich nutzte und schließlich auf den neuen Zug sprang, der mit der Machtübertragung 1933 zu fahren begonnen hatte. Sehr früh trat er dem »Freundeskreis des Reichsführers SS Heinrich Himmler« bei und spendete an diesen und andere Nazigrößen rund 7,5 Millionen RM. Das verhalf ihm zu leichter Beute in Form »arisierter« Betriebe. Am Ende des Nazi-Reiches führte er das größte private Firmenimperium und wurde in der Goebbels-Postille Das Reich mit den Worten gelobt: »Niemand hat die Ernennung zum Wehrwirtschaftsführer mehr verdient als Friedrich Flick.« Der Berliner Kultursenator Thomas Flierl betonte in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung am 16. September, sie sei nicht als »Anti-Flick-Collection-Ausstellung«, sondern als deren notwendige Ergänzung zu verstehen. Dennoch ist jedermann klar, daß viele Fragen nach dem Ursprung der Mittel für die Kunstsammlung, die nun am Hamburger Bahnhof präsentiert wird, in das Thema Zwangsarbeit münden. Gerade der Versuch, mit der »Collection« die Erinnerung an deren Entstehungsvoraussetzungen zu überdecken, forderte im In- wie im Ausland Widerspruch, Fragen und Debatten heraus. Zunächst in Zürich, wo man sofort dankend abwinkte. In der darauf folgenden Diskussion um Entschädigungsfonds für Zwangsarbeiter lehnte Friedrich Christian Flick jegliche Mitwirkung mit dem Hinweis ab, daß sich Betriebe des ehemaligen Konzerns bereits daran beteiligt hätten. Nun ist die Ausstellung da. Der Bundeskanzler eröffnete sie trotz des eindringlichen Appells der sonst stärker respektierten FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, die bei Sandra Maischberger am 16. September sagte: »Es wäre besser, Schröder würde nicht dorthin gehen.« In ungewohnter Burschikosität setzte sie später hinzu: »Und jetzt sonnt sich Friedrich Christian Flick im Glanze der Ausstellung. Deutschland ist ihm auf den Leim gegangen.« Die Besucher an der Invalidenstraße mögen wissen, daß nur wenige Kilometer entfernt an der Prenzlauer Allee die Worte eines der Menschen zu lesen sind, die in Hennigsdorf mit ihrer Jugend und ihren Plänen, ihrer Gesundheit und ihrem Leben zu dem Reichtum beitragen mußten, wie er jetzt in der eigens eingerichteten Ausstellungshalle präsentiert wird: »Wir mußten in die Gießerei... Wenn der Schmelzvorgang vorbei
war, mußten wir in die noch heißen Hochöfen bis ganz hinten
kriechen, um die Wände abzukratzen, um den Ofen zu reinigen. Wir hatten
nur Holzpantinen mit einem schmalen Stoffriemen. Keine Stiefel, nichts.« Die Ausstellung des Arbeitskreises Berliner Regionalmuseen im PrenzlauerBergMuseum, Prenzlauer Allee 227, 10405 Berlin, ist Dienstag, Mittwoch, Donnerstag von 12 bis 18 Uhr, Sonntag von 10 bis 18.Uhr geöffnet. Sie läuft bis zum 4. November 2004.
Erschienen in Ossietzky 20/2004 |
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