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Palaver als ProgrammSie bestimmt, manchmal scharfzüngig, den Ablauf, duldet wie einst Altmeister Werner Höfer in seinem »Internationalen Frühschoppen« keinen Widerspruch und greift, den Spickzettel in der Hand und mit einer schmalen Lesebrille spielend, spitz ein, wenn das Gespräch aus der vorgegebenen Richtung läuft. Doch in Walter van Rossum hat Sabine Christiansen ihren Meister gefunden. Der Autor von »Meine Sonntage mit ›Sabine Christiansen‹« rechnet süffisant mit der Talkshow nach dem Sonntagskrimi der ARD ab. Schon der schlichte Untertitel seiner Streitschrift, »Wie das Palaver uns regiert«, sagt dem Leser, was bei Frau Christiansen Programm ist. Karl-Heinz Walloch Walter van Rossum: »Meine Sonntage mit ›Sabine Christiansen‹ – Wie das Palaver uns regiert«, Verlag Kiepenheuer & Witsch, 185 Seiten, 8,90 €
WissenschaftlerspracheFreundlich gefragt: Haben Ruth Reiher und Antje Baumann, die Herausgeberinnen dieses Bandes, jeden gelieferten und aufgenommenen Beitrag gelesen? Vermutlich nicht. Das Thema des Bandes ist »Die Sprache in der DDR«. Aber in was für einer Sprache! Klaren Gedanken fehlt die klare Sprache. Weil Unklarheit der Sprache die Folge unklarer Gedanken ist? Das Buch ist eine Sammlung zur deutschen Sprachgeschichte. Beständiger als die schlimme DDR-Sprache ist die schreckliche Wissenschaftlersprache. Ost-West-übergreifend! Bernd Heimberger Ruth Reiher, Antje Baumann (Hg.): »Vorwärts und nichts vergessen. Sprache in der DDR: Was war, was ist, was bleibt«, Aufbau Taschenbuch Verlag, 384 Seiten, 9,95 €
Die Mär vom kleineren Übel»In Österreich haben sich die katholischen Nazis und die sozialdemokratischen Nazis die Macht geteilt.« Solche kraftvollen Sätze finden sich in Thomas Rothschilds Buch »Das große Übel der Bourgeoisie«, dessen zentrales Kapitel ein »Exkurs über das kleinere Übel« ist. Ein SPÖ-Politiker im Amt des Wissenschaftsministers hat Rothschild eine Hochschullehrerstelle verwehrt. Der Zorn darüber regt die Gedankenproduktion an: »Auf Grund meiner politischen Sozialisation war ich stets geneigt, die Sozialdemokratie, was immer mir an ihr mißfiel, für das kleinere Übel zu halten. Dieses Dogma wurde nicht überprüft. Es schien sich aus der Geschichte als evident abzuleiten. Meine persönliche Erfahrung mit der Sozialdemokratie, die Tatsache, daß mir ein sozialdemokratischer Minister größeren Schaden zugefügt hat als je einer von meinen deklarierten politischen Feinden, hat mich genötigt, dieses Dogma zu überdenken.« Nun stellt er Fragen wie: »Wer betreibt eine Politik, die die Kluft zwischen Arm und Reich konsequent verringert, statt sie zu vergrößern? Wer drängt den zunehmend aggressiven Einfluß der Wirtschaftsinteressen auf die Politik zurück und sorgt für uneingeschränkte Handlungsfähigkeit des Souveräns? Wer leistet Widerstand gegen die Folgekosten der Globalisierung für die sozial Schwachen im Inland und im internationalen Maßstab, insbesondere in den Entwicklungsländern?« Ergebnis der Untersuchung nicht nur an österreichischen, sondern vor allem an deutschen Beispielen: Sozialdemokratischer Opportunismus ist ein besonders großes Übel. Der Klage gegen die Bourgeoisie läßt Rothschild humanistische Gegenentwürfe folgen, die er aus liebevoller Beschäftigung mit Werken der Kunst gewinnt – von Charles de Coster und Isaak Babel bis Frank Capra und Eric Burdon. Ein trotziges, gutes Buch. Eckart Spoo Thomas Rothschild: »Das große Übel
der Bourgeoisie«, Promedia Verlag Wien, 144 Seiten, 9.90 € Wiederaufgewärmt»Ritter, Dene, Voss«, Thomas Bernhards Adaption mit zwei Schwestern und einem Bruder von Tschechows »Drei Schwestern«, vor nunmehr achtzehn Jahren in Salzburg uraufgeführt, seither wieder und wieder gespielt, wurde nun auch in Berlin gereicht, von Claus Peymann, der das Stück einst angerichtet hat. Ein Kabinettstück der Schauspielkunst. Man genießt Bernhardsche Süffisanz, seine ätzende Zunge, die dynamittropfenden Sätze gegen das haßgeliebte Heimatland, den morbiden Charme des ewig alten Österreichgenöles. die vertrackte Familienkonstellation in seinen Stücken, Die Nützliche (Kirsten Dene), die Nutzlose (Ilse Ritter), der Geisteskrüppel (Gert Voss) – so die Rollenverteilung. Die eine Schwester betet den Bruder an, umsorgt und hegt ihn, wird lächerlich gemacht (macht sich lächerlich), die andere genießt sich selbst, er spielt mit beiden Schwestern, hat deutlich »Menschlichkeitsgrößenwahn«. Sie langweilen sich mit- und ohneeinander, nerven, hassen sich, wissen nicht, was mit dem Geld anfangen, das der Vater, »ein Großindustrieller mit Waschzwang«, angehäuft hat. Der Bruder verteilt es in der Heil- und Pflegeanstalt Steinhof, wohin er sich dann und wann zurückzieht, um seinen Schwestern zu entkommen. Die Schwestern sind Schauspielerinnen an einem Theater, das ihrem Onkel gehört, und spielen nur, wenn sie Lust darauf haben, was nicht häufig vorkommt. Schwester Dene plant während der drei Akte, in Bälde einen Part zu übernehmen: eine Blinde, die tanzt und lediglich zwei Sätze spricht. Bis dahin wärmt sie Vorgekochtes für die Geschwister auf. Ritter, liebenswert manieriert, erwägt eine Shakespeare-Rolle zu übernehmen. Ihr Parlieren darüber hüllt sie in Qualm, ertränkt es in Alkohol. Drei Monologe, ineinander verschlungen, brillant vorgetragen. Thomas Bernhard überschüttet uns mit verrückten Wortkaskaden, allesamt Unworte des Jahres, damals, heute: Intelligenzgeflüster, Geisteszertrümmerung, Höchstanspruch, Illuminationshaß, Nationalblutegel, Abendländischer Exklusivschwachsinn. Mittendrein vollführt Gert Voss ein artistisches Kunststück: Minutenlang räsoniert er über Brandteigkrapfen und erschüttert mit stillem Ausbruch: »Dem Leben einen Sinn geben!«. Reiche Müßiggänger auf Sinnsuche. Schaumschlägerei in schönster Manier. Man lacht über Bernhard, bestaunt die wundervollen Schauspieler, spendet Beifall, geht. Nicht mehr. Nicht weniger. Anne Dessau
Ehe-AquariumEin erfreulicher Abend mit Judy Winter im Berliner Renaissance-Theater: »Geschichte einer Liebe« von Joanna Murray-Smith. Diese Geschichte wird in ausführlichen Gesprächen über, für und wider die Liebe erzählt von einer australischen Autorin, über die das kostbar illustrierte Programmheft erzählt, zahlreiche ihrer Stücke seien »für das Radio adaptiert und in Australien, der BBC, von amerikanischen und schwedischen Radiostationen ausgestrahlt« worden. Die »Geschichte« wurde in New York 1996 »in einer szenischen Lesung mit Meryl Streep und Sam Waterson dem amerikanischen Publikum vorgestellt.« An der Knesebeckstraße präsentiert Regisseurin Ulrike Jackwerth eine szenische Rezitation. Das Dramatische bleibt unserer Phantasie überlassen, die vom intensiven Text-Vortrag Judy Winters und Walter Kreyes (Gatte George, Publizist im gehobenen Föjetong) stark angeregt wird. Claudia Geisler spielt die Geliebte des Hausherrn, nicht nur an diesem interessiert, sondern auch an der Philosophie der Sache selbst. Elisabeth Baulitz führt die Tochter Sophie als junge, mit ihren Eltern nicht ganz zufriedene Frau vor, die an die Vernunft glauben will. Der Papa weiß: Liebe wird nicht durch Vernunft besiegt, und stellt sich also der Vernunft in den Weg – eine auszeichnungswerte Charakterstudie von Walter Kreye, sein trocken-charmanter George ist scheinbar überlegen, sicher gebildet, aber nicht zu fixieren (ein glitzernder Fisch im Ehe-Aquarium). Judy Winter ist sehenswert, wie sie das schon immer war. »Ich hatte mich in eine 16jährige Schauspielerin verliebt, die damals Beate Richard hieß und später Judy Winter und mir für die Jessica im ‚ Kaufmann von Venedig’ vorsprach. Sie hatte ganz lange Beine und war sexy, und ich war völlig vernarrt in sie. Da fuhr ich eines Tages wieder (zu meiner Frau, L. K.) und sagte, daß unsere Ehe aufhören müsse... Ich war noch nie in so ein schönes, sehr erotisches Mädchen verliebt gewesen.« Der Regisseur Peter Zadek muß ja wissen, was er da in seinen Erinnerungen ausplaudert. Natürlich hat Judy Winter noch heute die ganz langen Beine, dazu aber den Nuancen-Reichtum und die schwer zu beschreibende Anziehungskraft einer bedeutenden Schauspielerin Lothar Kusche
Walter Kaufmanns LektüreIm Anhang zu dem neuen Buch über Alma Mahler-Werfel sind nahezu hundert Quellen aufgelistet, illustre Zeitzeugen (Oskar Kokoschka, Thomas Mann, Katia Mann, Klaus Mann, Friedrich Torberg, Carl Zuckmayer und viele mehr) genannt und etliche Bücher erwähnt, die sich früher schon mit dieser Frau beschäftigt haben. Hier wird eine Legende zerstört. Vom Nimbus der Muse der vier Künste bleibt nicht viel. Es tritt eine eitle, selbstsüchtige Frau zutage, die sich in ihren Tagebüchern boshaft-gehässig über alle Welt ausläßt und dazu von einem so eklatanten Antisemitismus befallen ist – von ihrer Begeisterung für Adolf Hitler ganz zu schweigen –, daß es wundernimmt, wie sie es mit all ihren jüdischen Geliebten und Ehemännern hat aushalten können. Geplagter Gustav Mahler, bedauernswerter Franz Werfel! Hatte sie den einen dazu bewegen können, ihre Liaison mit Walter Gropius hinzunehmen (wie würdevoll der große Komponist das bis zu seinem allzu frühen Tod tat!), so drängte sie den anderen von Anbeginn in die Rolle eines gedemütigten Lakaien. Anders als mit Masochismus ist Werfels Unterwerfung nicht zu erklären – wie sonst konnte es passieren, daß dieser sensible, talentierte, überaus erfolgreiche Schriftsteller wieder und wieder zu Kreuze kroch, sich und die Seinen von ihr beschimpfen ließ und ihre Flut antisemitischer Äußerungen erduldete. Obwohl sich Werfel gegen Ende des Krieges angesichts des deutschen Völkermords ausdrücklich zum Judentum bekannt hatte, propagierte seine Frau unmittelbar nach Werfels Tod dessen Konvertierung zum Katholizismus – war es tatsächlich am Todesbett dazu gekommen? Muse der vier Künste? Oliver Hilmes stellt Alma Mahler-Werfel eher als Nutznießerin der Künste dar: Die materiellen Werte, die ihr durch Mahlers Kompositionen zugute kamen, der Reichtum, der sich durch Werfels Bücher und Kokoschkas Gemälde für sie anhäufte, machen deutlich, welch ungeheure Vorteile sich für sie aus diesen Verbindungen ergaben. Wie sie zu schwelgen, Feste zu feiern, Soireen zu zelebrieren und sich allzeit und überall als Göttin der Künste in Szene zu setzen wußte – und wie sie dabei die Menschen in ihrem Umfeld gegen ihre Charakterschwächen blind zu machen verstand! Die »Circe von Wien« blieb auch im kalifornischen Hollywood und in New York eine Circe, die unvermindert Einfluß nahm. Sie war eine Macherin weit mehr als eine Muse, und treffend ist auch die Bezeichnung »Witwe im Wahn«, die Oliver Hilmes nach umfangreichen Recherchen seiner aufschlußreichen, lesenswerten Biographie als Titel gab. Walter Kaufmann Oliver Hilmes: »Witwe im Wahn. Das Leben der Alma Mahler-Werfel«, Siedler Verlag Berlin, 477 Seiten, 24 €
Termine21. September bis 2. Oktober, Berlin: Internationales Literaturfestival; Kontakt: www.literaturfestival.com 23. September, 19 Uhr, Hamburg, Hochschule für Wirtschaft und Politik: »Der europäische Krieg gegen Flüchtlinge«, Diskussionsveranstaltung des Hamburger Flüchtlingsrates mit Elias Bierdel, Cornelia Gunnßer, Tobias Pflüger 24. September, 10 . 30 Uhr, Hannover, Pavillon, Lister Meile 4: »Roma sind Europäer«, Tagung des Niedersächsischen Flüchtlingsrates; Kontakt: Fon 05121 -316-00 30. September, Berlin, Haus der Demokratie und Menschenrechte: »Privatisierung der öffentlichen Sicherheit«, Republikanische Vesper mit Volker Eick (Politikwissenschaftler), Harald Olschok (Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Wach- und Sicherheits-unternehmen) und Eberhard Schönberg (Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei) 7. Oktober, 20 Uhr, Berlin, Brecht-Haus: »… das Versicherungswesen selbst interessiert mich sehr …«, Franz Kafkas »Amtliche Schriften« im Werkkontext, Buchvorstellung mit Klaus Hermsdorf und Benno Wagner 8. Oktober, 14 Uhr, Berlin, Theater im Palais, Am Festungsgraben 1: »Recht und Rechtspolitik im Zeitalter von Globalisierung und Terrorismusbekämpfung«, Veranstaltung zum 25jährigen Bestehen des Republikanischen Anwälte- und Anwältinnen-Vereins mit Wolfgang Kaleck, Ingo Müller u.a. 15. bis 17. Oktober, Wustrau: »Recht, Medien, Justizkritik«, Tagung des Forums Justizgeschichte; Kontakt: www.forum-justizgeschichte.de 17. Oktober, 16 Uhr, Berlin, Jüdischer Kulturverein, Oranienburger Straße 26: »Aufenthalt Germania«, Erstaufführung des Films von Gerz Frank und Grigoriy Manyuk
Kreuzberger NotizenDieser Artikel ist aus urheberrechtlichen Gründen nicht verfügbar.
Press-KohlChristliche Feste, die dazugehörigen Speisen und das Geschäft mit ihnen (beispielsweise zur Weihnachtszeit) hängen schon lange zusammen. Was wäre die katholische Kirche ohne ihren Viktualienhandel und dieser ohne jene? Jetzt geriet das Weltproblem der Verbindung von »Lebkuchen und Printen mit der Geburt des Herrn« in einen Leitartikel. »Die Kirchen sollten uns – die Nicht-Gemeinde-Mitglieder – essen und trinken lassen, was und wann wir wollen. Wer jetzt kein Spekulatius will, der wird es nicht essen, und wenn kaum jemand es ißt, wird es wieder aus den Kaufhäusern verschwinden.« Und dann taucht der Spekulatius in der Berliner Zeitung (11./ 12.9.04) auf und entdeckt verblüfft, daß er dort vom Maskulinum zum Neutrum mutierte. * Für ihre Billigtarife wirbt eine Flug-Gesellschaft mit der interessanten Aufforderung: »Die Passagiere müssen am selben Tage hin- und zurückfliegen und mindestens eine Woche bleiben.« Mit anderen Worten: Mitfliegen darf, wer das (nicht jedermann in die Wiege gelegte) Talent ausgebildet hat, die herkömmlichen Gesetze von Raum und Zeit zu überwinden. Felix Mantel
Erschienen in Ossietzky 19/2004 |
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