Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Bleibendes GegengewichtKurt Pätzold »Was bleibt?« hat die Historikerin Helga Schulz in einem Artikel, den eine österreichische Zeitschrift veröffentlichte, bald nach dem Ende der DDR mit dem Blick auf die Arbeit ihrer Zunft gefragt. Deren Angehörige sahen sich damals dem ihre Abwicklung begründenden Vorwurf ausgesetzt, Reklametrupp des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei gewesen zu sein und eine Wissenschaftswüste hinterlassen zu haben. Eine Antwort darauf kam dieser Tage aus dem Leipziger Universitätsverlag. Dort ist das dreibändige Geschichtswerk »Deutschland im ersten Weltkrieg« wieder gedruckt worden, an dem in einer von Fritz Klein geleiteten Arbeitsgruppe vor allem Spezialisten des – nicht mehr existierenden – Geschichtsinstituts der Akademie der Wissenschaften gearbeitet hatten. Die Bände waren schon zu DDR-Zeit vergriffen, zumal Nachauflagen wegen begrenzter Papierkontingente Wartezeit für andere Text bedeuteten. Die Forschungen der Ostdeutschen liefen zeitlich mit jenen parallel, die Fritz Fischer und seine Schüler in Hamburg leisteten. Eine Achse des Interesses bildete hier wie dort die Rolle des Deutschen Reiches auf dem Weg in den Krieg. Die quellensatten Urteile darüber fielen nicht identisch aus, doch wiesen sie erkennbar Verwandtschaft auf. Sie machten der Kriegsunschuldslüge und der Legende vom »Hineinschlittern« in diesen Krieg ein klägliches Ende. Nachgewiesen wurde der besondere Anteil der Führungsschichten des Reiches am letzten Schritt in den mörderischen Abgrund – auf einem von ihnen schon seit längerem projektierten Kriegspfad. Während Fischer, der mit dem berühmt gewordenen Buch »Griff nach der Weltmacht« aus der Zunft und eigenen früheren Denkbahnen ausbrach, sich von Seiten der Meinungsführer rüder Befeindung ausgesetzt sah, wurden die Autoren der Weltkriegsbände, Angehörige der ersten in SBZ und DDR ausgebildeten Wissenschaftlergeneration, mit Ehrungen bedacht. Herausgeber, Bandredakteure und zwei weitere Mitarbeiter, Baldur Kaulisch und Johanna Schellenberg, erhielten 1969 den Staatsorden »Banner der Arbeit«. Ihr Werk, an dem mehr als 20 Autoren beteiligt waren, galt als Beweis gewonnener und Vorbote wachsender Leistungskraft und auch für Konkurrenzfähigkeit auf nationalem wie internationalem Feld. In der Bundesrepublik aber sei, so war jüngst rückblickend in Der Spiegel zu lesen, Schaden gestiftet worden: »Die harten Urteile, mit denen ostdeutsche Wissenschaftler die Politik des Kaiserreichs verdammten, tabuisierten die Kriegsschuldfrage unter bundesdeutschen Historikern zusätzlich.« Wie abstrus! Es war nicht die Härte von Urteilen – ein Charakteristikum, das in der Justiz, nicht in der Historiographie seinen Platz haben mag –, sondern die verkrustete Haltung erzkonservativer, auf ihr Kompetenz- und Objektivitätsmonopol pochender Zunftbürger, die das Fortschreiten hemmte. Fritz Klein, dem das Hauptverdienst an den Weltkrieg-I-Forschungen in der DDR zukommt, stellte dem Nachdruck ein Vorwort voran, das er Willibald Gutsche und Joachim Petzold, den beiden wichtigsten Mitarbeitern, Frühverstorbenen, in dankbarer Erinnerung gewidmet hat. Dieser Text ist bekenntnishaft und kritisch und macht keine Konzession an die Mode, sich für die DDR im Ganzen und die eigene Rolle darin zu entschuldigen. Das 1969 vorgelegte Werk, erinnert sich Klein, sei von der internationalen Geschichtswissenschaft überwiegend positiv aufgenommen worden. Als fruchtbringend habe sich der in den Denkbahnen Lenins gewonnene »grundsätzlich imperialismuskritische Blick« erwiesen. Das Resultat sei möglich geworden, weil marxistische Historiker in Deutschland erstmals ungehinderten Zugang zu Archiven besaßen, und rühre auch aus einem über den Verfasserkreis hinausreichenden offenen Diskussionsprozeß her. Bestimmt weist Klein die Legende zurück, jeder geschichtswissenschaftliche Fortschritt habe der DDR-Obrigkeit abgetrotzt werden müssen. Zwischen den Antifaschisten am Staatsruder und den Forschenden, entgegnet er, habe es in vielem Grundsätzlichem einen Konsens gegeben. Wenn Differenzen aufgetreten seien, dann nicht über den Inhalt, sondern über den Ton – die Sprache der Wissenschaft ist nicht die der Agitation oder Reklame. Als hervorhebenswerte Mängel, die den Texten anhaften, nennt Klein drei: einen ökonomischen Reduktionismus, ungerechtfertigt rigorose Urteile über Kräfte und Entwicklungen in der Arbeiterklasse und ihrer politischen Bewegung und abstrakte Gesetzmäßigkeitsvorstellungen. Schließlich zählt er Gründe auf, die den Wiederdruck eines Werkes rechtfertigen, das 35 Jahre nach seinem Erscheinen naturgemäß in vieler Hinsicht überholt ist. Nicht allein, daß die Bände eine wichtige Stufe der Forschungen markieren. Sie könnten, meint Klein, mit ihrer Konzentration auf Politik und Ökonomie auch ein Gegengewicht gegen »manchmal überbordende« kulturgeschichtliche Ansätze bilden. Und sie würden nützen, da sich jüngst Tendenzen bemerken ließen, hinter bisher als gesichert geltende Einsichten – so die von der »Hauptverantwortung Deutschlands für den Krieg« – zurückzugehen. Die Art, wie in den Medien des 90. Jahrestages des Weltkriegsbeginns gedacht
wurde, bestätigt diese Beobachtung. Deutschland im ersten Weltkrieg. Bd. 1: Vorbereitung, Entfesselung und Verlauf des Krieges bis Ende 1914. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Fritz Klein; Bd. 2: Januar 1915 bis Oktober 1917, Autorenkollektiv unter Leitung von Willibald Gutsche; Bd. 3: November 1917 bis November 1918, Autorenkollektiv unter Leitung von Joachim Petzold, zusammen 1524 Seiten, Leipziger Universitätsverlag 2004, 140 €
Erschienen in Ossietzky 19/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |