Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Die blutige Mission der MissionHartwig Hohnsbein Ex-Bundespräsident Herzog, Außenminister Fischer, Entwicklungsministerin Wieczorek-Zeul, sie alle setzen Trauermienen auf, wenn sie in Namibia auftreten, sie sprechen von der großen Schuld, die das deutsche Volk gegenüber den Menschen dort auf sich geladen hat, doch sie achten peinlich darauf, daß ihnen dabei keine »entschädigungsrelevante Entschuldigung« (Fischer) über die Zunge rutscht. Der Raub des Landes der Hereros durch deutsche Siedler und der Völkermord an diesem Volksstamm liegen zwar hundert und mehr Jahre zurück; die dafür Verantwortlichen – neben dem Deutschen Reich – sind aber immer noch nicht hinreichend ausgemacht, zum Beispiel die Rheinische Missionsgesellschaft, gegründet 1828 von rheinischen Pietisten in Barmen (heute: Wuppertal). Ihre Träger waren fromme Fabrikanten und Kaufleute, die glaubten, daß gemäß dem biblischen »Missionsbefehl« aus Matthäus 28.19 (»Gehet hin in alle Welt…«) den »Heiden« die christliche Botschaft gepredigt werden müsse. Zu ihnen gehörte übrigens der in der Stadt und der Kirchengemeinde Barmen hochangesehene Textilfabrikant Friedrich Engels, dessen Sohn Friedrich in dieses pietistische Milieu hineinwuchs und sich erst nach »schweren inneren Kämpfen« daraus lösen konnte, Gott sei’s gedankt. 1842 kamen die ersten Missionare aus Barmen nach Südwestafrika, in ein Gebiet, das von den Hereros und den Namas besiedelt war. Alle Bemühungen, sie zu »bekehren«, schlugen fehl; das »Wort des Evangeliums prallt an ihnen ab«, klagte ein führender Missionar der Missionsleitung nach Barmen. Das sollte sich bald ändern. Hier war nämlich gerade ein Mann zum Missionsinspektor ernannt worden, der für die nächsten 27 Jahre, von 1857 bis 1884, die Geschicke der Missionsgesellschaft bestimmte und zugleich den »Anstoß zur kolonialen Bewegung in Deutschland gab«, wie die evangelische Realenzyklopädie 1898 stolz vermerkt: der Pfarrer Friedrich Fabri. Dieser Missionstheologe hatte erkannt, daß es töricht sei, bei der »Heidenbekehrung« allein dem Worte Gottes zu vertrauen. Er entsann sich der erfolgreichen Missionspraxis früherer Jahrhunderte, als neben den Predigern immer auch Händler, Siedler und Soldaten eingesetzt worden waren, mit deren Hilfe die »Bekehrten« und ihr Land in die Abhängigkeit der christlichen Mutterländer und Kirchen kamen. In seiner Schrift von 1879 »Bedarf Deutschland der Kolonien?«, die man als eine der ersten »Globalisierungsschriften« bezeichnen kann, legte er dar: Die als umfassende Kolonisierung verstandene Mission biete zugleich dem deutschen Volk viele Vorteile – bevölkerungspolitisch, finanz- und wirtschaftspolitisch, weltpolitisch. Bevölkerungspolitisch: Nach Fabri eröffnen deutsche Kolonien die Möglichkeit, den »Abfluß an Einwohnern« wegen »Übervölkerung« dorthin zu lenken, »wo er deutsch bleibt«; dazu seien »Ackerbaukolonien in der gemäßigten Zone nötig«. Wirtschaftspolitisch: Er ermutigte die deutschen Kaufleute, zur Gewinn-erweiterung »ihr Kapital überseeisch zu machen«, nämlich in zusätzlichen »Einflußbereichen«, die natürlich durch das neue Reich militärisch zu schützen seien. Weltpolitisch würden dadurch Ansehen und Einfluß Deutschlands gesteigert. Reichskanzler Bismarck lehnte zu dieser Zeit die Vorstellungen Fabris noch ab. Er erklärte 1881: »Solange ich Reichskanzler bin, treiben wir keine Kolonialpolitik«. 1884 aber wurde Deutschland vom Kolonialfieber erfaßt, infiziert von Fabri, der wegen Bankrotts seiner »Missions-Handels-Gesellschaft« als Missionsinspektor entlassen worden war und sich nun ganz der »Kolonialagitation« widmen konnte. Die Folge davon war der erste »Schutzvertrag«, den das Deutsche Reich durch seinen »Kaiserlichen Kommissar in Südwestafrika«, Ernst Göring (den Vater des späteren Nazi-Verbrechers Hermann Göring), mit den Hereros schloß. An diesem und folgenden »Schutzverträgen«, die den Landraub und die Entrechtung der Hereros besiegelten, wirkten zahlreiche Missionare zugunsten der Landräuber mit, und zwar deshalb, weil ihre Missionsgesellschaft selbst Interesse am Landraub hatte. Sie besaß im Hereroland am Ende über 140 000 Hektar Land, womit sie zu den sieben größten Grundeigentümern gehörte. Ab 1887 stagnierte die deutsche Kolonialbewegung. Um sie erneut anzufachen, suchte der Theologe Fabri, ganz modern, »einen praktischen Gegenstand von unmittelbarer Kraft, von allgemein humanem Interesse«, und er fand ihn in der Sklavenjagd arabischer Händler, die bis dahin weder die europäischen Staaten noch die Kirche interessiert hatte. Fabri appellierte an die »christliche Verantwortung für die ›armen Heiden-Neger‹« und erreichte durch die »Anti-Sklavereibewegung«, in die der Kampf gegen den Islam und gegen die Polygamie einbezogen wurde, daß die deutsche Kolonialbegeisterung bis zum Ende des Kaiserreiches nicht mehr abflaute. Dafür sorgten die zahlreichen Kolonialgesellschaften, an deren Entstehung Fabri entscheidend mitwirkte, und die christlichen Missionen, unterstützt vor allem von Pastoren, christlichen Publizisten (zum Beispiel mit Kindergottesdienstblättern) und Jugendbuchschriftstellern. In den Kolonien selbst gingen der Landraub und die Unterdrückung der einheimischen Bevölkerung ungehemmt nach den Vorschlägen weiter, die der Missionstheologe Fabri Jahre zuvor gemacht hatte und die der Nachfolger Bismarcks, Caprivi, 1890 im Reichstag so formulierte: »Wir müssen zunächst einzelne Stationen im Innern schaffen, von denen aus der Missionar so gut wie der Kaufmann wirken kann; und die Flinte und die Bibel müssen hier miteinander wirken...« 14 Jahre später, im Januar 1904, kam es zum Aufstand der Hereros. Um »ihre vaterländische Gesinnung zu bezeugen«, stellten sich die jüngeren Missionare den »Schutztruppen«, teilweise als Feldgeistliche, zur Verfügung. In der Schlacht am Waterberg am 11./ 12. August 1904 wurde der Aufstand brutal niedergeschlagen; die Hereros, die entkommen konnten, wurden in die Wüste getrieben, wo die meisten von ihnen verdursteten, so daß im Herbst des Jahres drei Viertel des Volkes, 65 000 Menschen, durch den deutschen General von Trotha ermordet worden waren. Die wenigen Überlebenden ließ man nur am Leben, um ihre Arbeitskraft für die Kolonie Deutsch-Südwestafrika zu erhalten. Bevor sie als Sklavenarbeiter in den Dienst der Kolonialherren kamen, wurden sie mit Hilfe der Rheinischen Missionsgesellschaft in damals sogenannten »Sammellagern« zusammengeführt. Hier starben von den 12 000 Internierten weitere 7000 Menschen. Die Rheinische Missionsgesellschaft aber fand bald Grund zum Jubeln: Was durch die reine Wortverkündigung nie gelungen war, jetzt wurde es endlich Wirklichkeit: Massentaufen und gute Gottesdienstbesuche. Entsprechend heißt es im Jahresbericht der Gesellschaft von 1910: »Es ist noch nie in Afrika so erfreulich vorwärtsgegangen wie in den letzten Jahren.« Heute leben als Nachfahren der gedemütigten Hereros 120 000 Menschen, zumeist in Namibia. Im Jahre 2001 haben sie eine Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland beim US-Bundesgericht in Washington auf zwei Milliarden Dollar Wiedergutmachung eingereicht wegen Völkermords und Landraubes, zumal »der größte Teil des einstigen Herero-Landes noch immer im Besitz deutscher Farmer ist«. Wie die Entscheidung des Gerichtes auch ausfällt: Die Bundesrepublik wird bei einem Schuldspruch wahrscheinlich ebenso wenig zahlen wie im Falle des griechischen Ortes Distomon, nämlich nichts. (Der Oberste Gerichtshof Griechenlands hatte 2000 festgestellt, daß die Bundesrepublik Deutschland 56 Millionen Mark an die Hinterbliebenen des damaligen Wehrmachtsmassakers zu zahlen habe; gezahlt wurde nicht.) In dieser Haltung dürfte die Bundesregierung auch von der evangelischen Kirche unterstützt werden, die ja ihrerseits für die Missionsgesellschaft zu Zahlungen herangezogen werden könnte. EKD-Ratsvorsitzender Wolfgang Huber erklärte zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg: »Auch die Kirche ist durch die Zusammenarbeit mit den Kolonialbehörden mitschuldig geworden«, und er weiß: »Erinnern und Schuld bekennen heißt deshalb auch, sich an der Verantwortung für die Folgen zu beteiligen.« Doch dann kommt das erlösende Wort, auf das die Herrschenden gewartet haben: »Die Verbrechen, die nun 100 Jahre zurückliegen, können nicht ungeschehen, auch nicht ›wiedergutgemacht‹ werden.« Stattdessen ruft er die christliche Versöhnungslehre in Erinnerung, eine Zauberformel, die immer noch Eindruck macht: »Versöhnung setzt voraus, daß Opfer und Täter – in diesem Fall ihre Nachkommen – miteinander reden und vergangene Schuld eingestehen.« Miteinander vergangene Schuld eingestehen: Da können die Nachkommen der Hereros froh sein, wenn sie nicht ihrerseits eines Tages wegen Unbotmäßigkeit ihrer Vorfahren eine Rechnung präsentiert bekommen.
Erschienen in Ossietzky 19/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |