Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Noch eine Reform: JustizreformUlla Jelpke Als Willy Brandt in der ersten Regierungserklärung der sozialliberalen Koalition 1969 »mehr Demokratie zu wagen« versprach, war der Begriff »Reformpolitik« noch positiv besetzt. Das hat sich geändert. Schon in den quälend langen Jahren der Kanzlerschaft Helmut Kohls bedeutete »Reform« hauptsächlich den Abbau von Rechten und Sozialleistungen. Quantität und Qualität staatlicher Leistungen wurden eingeschränkt, der Preis aber, den wir dafür zu zahlen haben, wurde erhöht. Diese Art Reformpolitik setzt sich seit sechs Jahren unter der rot-grünen Regierung fort. Jüngstes Beispiel sind die Pläne zur »Justizreform«. Nicht die zuständige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat
diese Vorschläge erarbeiten lassen. Sie glänzt ohnehin eher durch
Nichtstun, verhindert aber auch nicht, daß aus ihrem Haus solche bürgerrechtsfeindlichen
Neuregelungen wie die zum Großen Lauschangriff kommen, die sie nach heftiger
Kritik revidieren mußte. Die Justizminister der Bundesländer waren
es, die am Der Anspruch der Bürger auf »Justizgewährung« ist essentieller Bestandteil des Rechtsstaates, den das Grundgesetz verbürgt. Das heißt, jede Bürgerin, jeder Bürger müssen einen einfachen, kostengünstigen und effektiven Zugang zu den Gerichten haben, damit sie schnell zu ihrem Recht kommen. Diesen Anspruch verletzen die Reformpläne der Justizminister mehrfach. Wieder einmal lautet das Reformprogramm: Abbau von Bürgerrechten! Vorgeschlagen wird die Abschaffung der Amtsgerichte. Für die Bürgerinnen und Bürger ist das so nachteilig wie die Zusammenlegung von Postämtern und die Stillegung von Bahnstrecken. Amtsgerichte gibt es bisher noch in vielen kleineren Städten. Nach der Reform wären als erste Instanz überall die Landgerichte zuständig; der Zugang zur Justiz wäre dann deutlich erschwert, jedenfalls in den großen Flächenstaaten. Je weiter der Weg, je länger die Fahrt, desto zeitaufwendiger und teurer wird es, beispielsweise als Mieter oder Verbraucher sein Recht einzuklagen. Teurer wird es aber auch deswegen, weil bei den Landgerichten Anwaltszwang herrscht, das erhöht die Kosten und das finanzielle Risiko eines Rechtsstreits. Zugleich soll per Gesetz festgelegt werden, daß die Rechtsschutzversicherungen nicht mehr alle Kosten übernehmen dürfen, sondern daß auch derjenige, der einen Rechtsstreit gewinnt, eine »Selbstbeteiligung« leisten muß. Einen Eigen-anteil sollen auch diejenigen aufbringen, die wegen schwacher Einkommensverhältnisse Prozeßkostenhilfe erhalten. Das kommt einem von der Gesundheitsreform her bekannt vor: Kranke sollen vom Arztbesuch abgehalten werden, Rechtsuchende sollen die Gerichte nicht mehr belästigen. So etwas wie die Praxisgebühr wird also künftig auch bei Frau Justitia zu entrichten sein. Von einem »sozialen Zivilprozeßrecht«, dessen sich die Bundesrepublik bisher rühmte, wird dann keine Rede mehr sein können. Ad acta. Eindeutig gegen die Arbeitnehmerschaft ist eine weitere Absicht der Justizminister gerichtet: Sie wollen den Arbeitsgerichten die Selbständigkeit nehmen und sie in die allgemeine Ziviljustiz eingliedern. Dahinter steht die Idee, den Abbau der Arbeitnehmerschutzrechte zu erleichtern. Wer die Zerschlagung von Flächentarifverträgen und die Aufhebung des Kündigungsschutzes im Sinn hat, denkt eben auch daran, mit welcher Gerichtsorganisation die antigewerkschaftliche Politik am leichtesten durchsetzbar ist. Arbeitsgerichte gelten bisher, zumindest in erster Instanz, als tendenziell arbeitnehmerfreundlich, weil Gewerkschafter als ehrenamtliche Richter an den Entscheidungen mitwirken. Das ist dem Kapital seit langem ein Dorn im Auge. Durch die Justizreform, wie die Minister sie planen, ginge der dringende Wunsch der Arbeitgeber in Erfüllung, die aus ihrer Sicht zu arbeitnehmerfreundliche eigenständige Arbeitsgerichtsbarkeit zu liquidieren. Die Arbeitsgerichte sind übrigens derzeit in erster Instanz zum Nulltarif anrufbar, man braucht als Arbeitnehmer auch keinen Anwalt, sondern kann sich durch die Gewerkschaft vertreten lassen oder seine Ansprüche selbst geltend machen. All dies entfiele bei Eingliederung in die Landgerichte. Dort herrscht Anwaltszwang, die Verfahren sind gebührenpflichtig, und auf der Richterbank säßen keine Arbeitnehmervertreter mehr. Das Ziel ist klar: Verschärfte Ausbeutung der Arbeitnehmer soll von der Justiz begleitet, nicht behindert werden. Ähnliches gilt für den Plan, die Sozialgerichte mit den Verwaltungs- und Finanzgerichten zusammenzufassen. Damit entfiele die spezielle Fachkompetenz der Sozialrichter. Eine effektive Kontrolle der Sozialämter und anderer Behörden würde erschwert – zum Schaden der sozial Schwachen. Das liegt ganz auf der Linie von Hartz IV und anderen »Reformgesetzen«. Eine solche Justizreform wird dazu beitragen, daß der Begriff »Reform« für viele Bürgerinnen und Bürger zum Unwort wird.
Erschienen in Ossietzky 19/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |