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Anträge werden formuliert, die allerdings von den Par-teispitzen zumeist sofort abgebügelt oder auf die lange Bank geschoben werden. Gelegentlich wird auch ein Ausschuß oder gar eine Kommission berufen. Zu Hause in den Wahlkreisen macht es immer Eindruck, wenn der Abgeordnete auf solche Initiativen verweisen kann; und wenn er selber daran mitwirkt, gilt er gleich als »Linker«. Solche Spielchen erinnern an ähnliche Täuschungsmanöver mit der »Bürgerversicherung« (s. Ossietzky 20/03). Die paar Grünen, die noch gelegentlich von linken Regungen heimgesucht werden, geraten besonders schnell in Interessenkonflikte, hat ihre Partei doch inzwischen – wie soziologische Untersuchungen der Mitglieder- und Wählerschaft ergeben – die FDP als »Partei der Besserverdienenden« abgelöst. Sie hatten sogar schon einen Parteitagsbeschluß erreicht, wonach die Vermögensteuer als »Mindeststeuer« erhoben werden soll, jedoch war sofort zur Bedingung gemacht worden, daß sie auf die Einkommens- und Körperschaftssteuer anzurechnen sei, so daß für den Fiskus kaum etwas herausspränge. Motto: Wasch die Reichen, aber mach sie nicht naß! Der Bundestagsfraktion ging der Beschluß immer noch zu weit: Schon das Gerede über einen drohenden grünen Zugriff auf das große Geld könnte diese Klientel verstimmen, befürchteten die Abgeordneten. Also mußte ein Gutachten her, am besten gleich bei denen bestellt, die über Insiderwissen verfügen, nämlich beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Köln – so als bestellte man eine Expertise über die Erhöhung der Hundesteuer beim Kynologischen Institut des Deutschen Schäferhundezuchtvereins. Das Ergebnis der DIW-Studie wurde dieser Tage der Öffentlichkeit präsentiert. Es fällt so aus, wie zu vermuten war: Die Vermögensteuer sei »ein fragwürdiges Instrument«. Die hohen Verwaltungskosten würden durch das geringe Aufkommen nicht aufgewogen. Je nach Ausgestaltung würde die Vermögensteuer zwischen 3,7 und 7,3 Milliarden Euro erbringen. In den Unternehmen und bei den Kapitalbesitzern sei mit Kosten in Höhe von rund fünf Millionen Euro zu rechnen; hinzu käme noch der – im Gutachten gar nicht erst bezifferte – Kostenaufwand in den Finanzämtern. Damit ist das Thema Vermögensteuer für die Parteiführung der Grünen wohl entsorgt. Die als Finanzexpertin der Partei geltende Christine Scheel schloß sich den Bedenken dieser Forscher an und sprach von »sehr unerwünschten Nebenwirkungen«, die das Gutachten deutlich gemacht habe. Christian Ströbele allerdings, erprobter Frontmann aller Bedenkenträger, blieb zuversichtlich und meinte, die Defizite könnten behoben werden. Er hätte Recht, wenn er es ernst meinte. Die Studie des DIW wäre in dem Augenblick hinfällig, wo Vermögen realistisch erfaßt und effektiv besteuert würden. Attac und ver.di haben jüngst mit ihrem Konzept für eine »Solidarische Einfachsteuer« auch durchgerechnete Vorschläge für die Vermögensteuer vorgestellt. Danach sollte bei einem Freibetrag von 500 000 Euro pro Haushalt vom darüberliegenden Vermögen ein Prozent abgezogen werden. Das ergäbe jährlich 16 Milliarden Euro zusätzlich für die Länder- und Kommunalhaushalte. Doch auch diese Schätzung ist m. E. viel zu niedrig, offenbar geht sie von den Vermögenswerten aus, die zur Zeit noch (nach veralteter Datenbasis) von der Bundesbank publiziert werden. Institute wie MerillLynch, Cap Gemini, Ernst&Young, die für Finanzdienstleister arbeiten, nehmen an, daß es 2003 in Deutschland 755 000 Euro-Millionäre gab, die ein Geldvermögen von 2500 Milliarden (2,5 Billionen) Euro besaßen. Wenn zudem der Wert von Immobilien und persönlichen Unternehmensbeteiligungen erfaßt würde, kommt man auf ein Gesamtvermögen von sechs bis sieben Billionen Euro und ein potentielles jährliches Steueraufkommen von über 50 Milliarden Euro. Zieht man Vergleichsmaßstäbe aus Frankreich, Großbritannien oder den USA heran, wo eine effektive Vermögensteuer selbstverständlich ist, kommt man ebenfalls auf ein Aufkommenspotential für Deutschland zwischen 50 und 60 Milliarden Euro. Die Vermögensteuer wurde 1997 von der Regierung Kohl ausgesetzt, nachdem
das Bundesverfassungsgericht die damalige Praxis für nicht verfassungskonform
erklärt hatte: Die Immobilienwerte würden viel zu gering veranlagt,
sie müßten den übrigen Vermögen gleichgestellt werden,
forderten die Richter. Kohl und Waigel sorgten für Gleichbehandlung: Alle
Reichen werden seitdem mit Daß die Reichen in anderen Ländern größere Verantwortung für das Gemeinwohl empfinden, zeigte jüngst ein Bericht aus den USA: Als die Regierung Bush II die dortige Vermögensteuer – ausdrücklich mit Hinweis auf die Nichterhebung in Deutschland – abschaffen wollte, forderten bekannte Multimillionäre wie Bill Gates die Regierung auf, von ihrem Vorhaben abzulassen. Sie würden gerne diese Steuer zahlen, um damit dem sozialen Zusammenhalt zu dienen... Zwecks effektiver Besteuerung verlangen attac und ver.di mit ihrer »Solidarischen Einfachsteuer« die Abschaffung des Bankgeheimnisses und präzisieren: »Die Finanzdienstleister führen – wie die Arbeitgeber ... – auf dem Weg der automatischen elektronischen Datenübermittlung die Quellensteuern an die Finanzbehörden ab.« Auch die Vermögensteuer ließe sich, zumindest für die Geldvermögen, in gleicher Weise einziehen. Es widerspricht jeglichem Steuergerechtigkeits-empfinden, wenn einerseits alle Lohnzahlungen mittels Vorwegabzug schon im Firmenbüro erfaßt und die sofort fälligen Steuern an das Finanzamt überwiesen werden müssen, andererseits Unternehmens- und Kapitalgewinne erst durch »zu gestaltende« Steuererklärungen in den Blick des Fiskus gelangen. Schon längst hätte der DGB vor dem Verfassungsgericht eine Gleichbehandlung einklagen müssen. Der Skandal vergrößert sich, wenn Millionäre weiterhin auf ein Bankgeheimnis pochen dürfen, das ihre Vermögensverhältnisse vor den neugierigen Augen des Staates schützt, während auf der anderen Seite jeder Arbeitslose nach Hartz IV sogar die Sparbücher seiner Kinder lückenlos offenbaren muß.
Erschienen in Ossietzky 19/2004 |
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