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Wie Schröder wird auch Chirac dafür plädieren, das Waffenembargo der Europäischen Union gegen die Volksrepublik China aufzuheben. Frankreich betreibt schließlich eine ebenso aggressive Rüstungsexportpolitik wie Deutschland. Ob sich Chirac für seinen Auftritt als Waffenlobbyist nach seiner Heimkehr ähnlich wie seinerzeit Schröder vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat politische Watschen einfängt und ob das Embargo erneut bestätigt wird, muß man allerdings abwarten. An der Berechtigung des Embargos hat sich wegen permanenter Demokratie- und Menschenrechtsdefizite zwar nichts geändert. Aber nicht nur der französische Außenminister Dominique de Villepin findet, das Embargo sei »unzeitgemäß« geworden. Vor allem die kriegsbereite Politik der USA und ihre staatsterroristischen Methoden beim vorgeblichen »Kampf gegen den Terrorismus« haben die politischen, völkerrechtlichen und ethisch-moralischen Maßstäbe der internationalen Gemeinschaft verschoben. In diesen Septembertagen unternehmen 15 Staaten, die sonst in der Weltpolitik keine herausragende Bedeutung haben, einen weiteren und abermals zum Scheitern verurteilten Versuch, die »Taiwanfrage« auf die Tagesordnung der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu setzen. Sie möchten klären lassen, in welcher Weise die UN den Anspruch der 23 Millionen Taiwaner auf rechtliche Vertretung in der Weltorganisation erfüllen wollen, auf Mitwirkung und Beteiligung in Ausschüssen und Organen wie der Weltgesundheitsorganisationen (WHO), dem Kinderhilfswerk, der UNESCO, der Welternährungsorganisation (FAO) und dem Internationalen Strafgerichtshof. Das demokratisch verfaßte und wirtschaftlich starke Taiwan bleibt außen vor, weil die Großmacht VR China völkerrechtlich nicht begründbare Vorherrschaftsansprüche gegenüber Taiwan stellt und weil die USA, ebenso wie Frankreich, Deutschland und die meisten anderen Länder, mehr Interesse an profitablen Geschäften mit der VR China als an den Rechtsansprüchen der Taiwaner haben. Taiwan bleibt aber auch deshalb isoliert, weil seine politischen Führer noch immer nicht die Konsequenz daraus ziehen, daß ihr Vasallentum gegenüber Washington ihnen keine erfolgversprechenden Perspektiven für eine eigenständige, partnerschaftliche Politik gegenüber Peking ermöglicht. Dabei wäre eine solche Politik jetzt sinnvoller denn je. Denn Peking hat sich zum politischen Zentrum Asiens entwickelt und schickt sich an, als wirtschaftliche Vormacht eine ähnlich herausgehobene Rolle zu spielen wie Deutschland in der Europäischen Union oder wie die USA in der NAFTA. Jüngste Erfolge Pekings waren Freihandelsabkommen mit den ASEAN-Staaten und eine »Strategische Partnerschaft« mit diesem Wirtschaftsverbund. Sie wurden in aller Stille vorbereitet, während die USA mit ihrer kriminellen Kriegspolitik in Afghanistan und im Irak die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit fesselten. Lediglich gegenüber Taiwan übt sich die VR China noch manchmal im traditionellen militärischen Zähnefletschen. Das beeindruckt und überzeugt ebenso wenig wie die überholten politischen Parolen. Ohnehin müßte man den Slogan »Ein Land, zwei Systeme« angesichts des immer stärker aufgedrehten chinesischen Wachstumskapitalismus umformulieren in »Zwei Länder, ein (kapitalistisches) System«. Das entspräche der Realität. Im übrigen Mittleren und Fernen Osten setzt Peking seine »diplomatische Freundschaftsoffensive« fort, die sich von Washingtons Politik des »Wer nicht für mich und meinen Kampf gegen den Terrorismus ist, der ist gegen mich« grundsätzlich unterscheidet. Die VR China hat sich zum Ziel gesetzt, Mittelpunkt (richtiger wohl: Oberhaupt) einer »glücklichen asiatischen Völkerfamilie« zu werden, wie es Fu Ying, chinesischer Botschafter in Australien, kürzlich formulierte. Der indonesische Wirtschaftsfachmann Mari Pangestu äußerte in der australischen Zeitung Sydney Morning Herald die Erwartung, die VR China werde mittelfristig einen riesigen gesamtasiatischen Wirtschaftblock formen, der erheblichen Einfluß auf das globale Wirtschaftsgeschehen nehmen und die Dominanz der westlichen Industrienationen brechen könne. Für diese Vorstellung finden sich zahlreiche Anhaltspunkte, zum Beispiel auch in den expandierenden Beziehungen der VR China zu Japan. Gegenwärtig mag die Nibelungentreue Tokios zu Washington noch jeden grundsätzlichen Kurswechsel verhindern. Was aber, wenn Japan sich eines Tages an den Rand der asiatischen Völkerfamilie gedrängt und wirtschaftlich beinahe ebenso isoliert sähe, wie es Taiwan heute schon politisch ist? Einer solchen Entwicklung würde Tokio wohl vorbeugen. Eine völlige Neuordnung in Fernost wäre die Folge. Es wäre eine andere Welt, über der die Sonne dann aufginge. Kein irreales Szenarium. Noch immer wird schließlich die Politik von ökonomischen Interessen geleitet. Und nicht umgekehrt.
Erschienen in Ossietzky 18/2004 |
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