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Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges tauchte der schnauzbärtige Massenmörder auch in US-amerikanischen Spielfilmen auf, 1940 noch leicht verfremdet in Chaplins »Der Große Diktator«, nach Kriegseintritt der USA aber auch ganz realistisch in Streifen wie »The Hitler Gang« oder »The Devil with Hitler«. Der Charakterdarsteller Robert Watson verdiente ab 1942 einen Großteil seines Geldes damit, den deutschen Diktator auf der Leinwand zu verkörpern. Besonders gelungen ist Ernst Lubitschs Komödie »Sein oder Nicht-sein« von 1942, die ein geschicktes Spiel mit Hitlers Doppelnatur als reale Person und Kunstfigur treibt. Die meisten dieser Filme sind jedoch nie in deutschen Kinos gelaufen – oder erst nach jahrzehntelanger Verspätung, weil man Hitlers treue Marschierer, die man im Kalten Krieg brauchte, nicht verprellen wollte. Auch im Nachkriegskino war Hitler immer wieder zu sehen, ob in Dokumentationen wie »Hitler – eine Karriere« oder in Spielfilm-Rekonstruktionen wie »Hitler – The Last Ten Days« mit Alec Guiness. Das Fernsehen entdeckte die quotenträchtigen Qualitäten des Diktators erst in den 80er Jahren, beispielsweise in »The Bunker« mit Anthony Hopkins. Jetzt, knapp sechzig Jahre nach Kriegsende, kommt der Obernazi auch im deutschen Kino an. Der Spiegel, seit eh und je von der Manie getrieben, mit Hitler-Bildern zu titeln, machte seine Ausgabe vom 23. August gleich mit zwei solchen Fotografien auf. Ein kleines in Schwarz-Weiß zeigte die historische Gestalt Hitler, ein großes Farbbild den Hitler-Darsteller Bruno Ganz mit Bärtchen und Schirmmütze. Fast zwölf Seiten widmete das Nachrichtenmagazin der »furiosen Verfilmung« der letzten zwölf Tage im Leben des Diktators, die unter dem Titel »Der Untergang« am 16. September in die Kinos kommen soll. Als Dreingabe gab es Interviews mit Hitlers Leibwächter und dem Historiker Ian Kershaw. Die Spiegel-Titelgeschichte erzählte die letzten Geschehnisse im »Führerbunker« nach, ohne eine neue Erkenntnis zu vermitteln; statt dessen verwies sie auf das anstehende Kino-Großereignis. Mit einem Budget von fast 14 Millionen Euro ist »Der Untergang« für deutsche Verhältnisse recht teuer geraten; daß eine solche Großproduktion auch ein großes Publikum braucht, um sich zu rentieren, ist der Grund für die Titelstory im Spiegel. Der erniedrigt sich zum willigen Werbeträger des umtriebigen Filmproduzenten Bernd Eichinger. Doch das ist nur der Anfang: Bald werden wir keine Zeitung mehr öffnen, keine Radio- oder Fernsehsendung mehr einschalten können, ohne den irrwitzigsten Lobpreisungen seines neuen Kinospektakels zu begegnen. Wer hat das Drehbuch geschrieben? Wer führte die Kamera, wer komponierte die Musik? Man ist aufs Raten angewiesen, Spiegel-Leser wissen wieder einmal weniger. Der Regisseur wird zweimal kurz im Vorübergehen erwähnt, um so eindringlicher der Produzent: »Mit den Mitteln eines Spielfilms [...] und einer glänzenden Besetzung ist Eichinger gelungen, was vor ihm keiner schaffte.« Angedeutet wird, daß der Spielfilm wenig mit der Realität zu tun hat. »Der Untergang« ist eben großes Gefühlskino, da kommt es auf Fakten nicht so an... Hätte Eichingers Film nicht auch schon vor zehn Jahren gedreht werden können, als das Kriegsende sich zum fünfzigsten Mal jährte? Aus verschiedenen Gründen ist ein Kulturprodukt wie »Der Untergang« erst im 21. Jahrhundert möglich: Zum einen basiert es auf erst kürzlich veröffentlichten Texten von Joachim C. Fest und Hitlers Sekretärin Traudl Junge. Zum anderen konnte Sebastian Haffners Entlastungsthese aus seinen »Anmerkungen zu Hitler«, die Deutschen seien das letzte Opfer des Diktators gewesen, erst vor wenigen Jahren in das Kollektivbewußtsein der Gesellschaft vordringen; es brauchte Bücher wie Grass’ »Im Krebsgang«, Jörg Friedrichs »Der Brand« oder Zeitungsserien wie die der Bild-Zeitung über die Nazisoldaten in Stalingrad, um den Deutschen die Möglichkeit zu eröffnen, sich endlich auf die Seite der Nazi-Opfer zu halluzinieren. Doch dabei blieb es nicht. Hat die Bundesrepublik nicht einen Angriffskrieg gegen Serbien geführt, um ein »zweites Auschwitz« zu verhindern und damit das erste wiedergutzumachen? Wurde die Wehrmachtsausstellung nicht längst eingemottet? Alle Voraussetzungen zu einer selbstgefälligen Heulkrampforgie sind geschaffen. Im Filmtrailer zu »Der Untergang« verkündet ein Goebbels-Darsteller: »Das Volk hat dieses Schicksal selbst gewählt! Jetzt wird ihnen eben das Häls-chen durchgeschnitten.« Und Bruno Ganz als Hitler geifert: »Sie werden ersaufen in ihrem eigenen Blut!« Dazu gibt es immer wieder Szenen mit alten Mütterchen, unschuldigen Kindern, Jungs in Uniform, desillusionierten Soldaten, dem »Volk« auf der Flucht vor Bomben und Granaten: alles Opfer Hitlers. Diesen Zusammenhang betont auch der Spiegel-Artikel. So zitiert er beispielsweise den Hitler-Biografen Fest: »Niemals zuvor sind im Zusammenbruch eines Reiches so viele Menschenleben ausgelöscht, so viele Städte vernichtet und ganze Landstriche verwüstet worden.« Selbst in der Geschichtskategorie »Untergang« belegt das deutsche Volk die Spitzenposition! Wer sich von den letzten Kriegsmonaten im Hitlerreich ein realistisches Bild machen will, dem sei der Band »Lügendetektor« von Saul K. Padover empfohlen (Econ Verlag, 334 Seiten, 8,95 ). Das Buch wurde ganze 53 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung ins Deutsche übersetzt; es enthält Vernehmungen Stunden zuvor besiegter Deutscher, die sich noch nicht auf kollektive Lügen verständigen konnten. Anders als ein Spielfilm wie »Der Untergang« appelliert Padovers Buch nicht an Gefühle, sondern den analytischen Verstand seiner Leserschaft. Damit dürfte es fürs erste vor dem Zugriff der Filmwelt sicher sein.
Erschienen in Ossietzky 18/2004 |
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