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Das ist, als würde eine Geburt gefeiert, ohne daß über die Mutter geredet werden dürfte, oder eine Beerdigung veranstaltet, bei der es verboten wäre, den Verstorbenen zu erwähnen. Die Podiumsdiskussion, zu der mich bayerische Antifaschisten eingeladen hatten, gehörte zum Programm gegen die Nazikundgebung; sie ging auf einen Beitrag zur Heß-Biografie zurück. Die Leute von der Berliner Antifaschistischen Aktion hatten in ihrem Bus gerade noch einen Sitz frei. Wir gelangten flott bis vor die kleine Stadt im Fichtelgebirge. Dort wurde, wie erwartet, Halt geboten. Ein halbes Dutzend Uniformierte besetzten den Gang des Fahrzeugs. Ein Offizier, in Redewendung und Tonhöhe erkennbar auf ein konfliktloses Aufeinandertreffen aus, verlangte Kooperation, dann dauere »es« nicht so lange. Personalausweise wurden verlangt und eingesammelt. Als der nächste Bus heranrollt, wird geheißen, sitzen zu bleiben und nicht aufzustehen, um die Ankömmlinge in Augenschein zu nehmen. Die Antwort auf die Frage »Warum nicht?« lautet: »Weil sonst ein Chaos entsteht und weil ich das sage.« Schon da beschleicht mich leise Bewunderung. Dann dauert es doch. Ich denke an die Maschinerie, deren sich DDR-Kontrolleure bei Ein- und Ausreisen am Flughafen in Schönefeld und anderswo bedienten. So weit hätten es die Hiesigen nicht gebracht, ist zu erfahren. Per Hand werde abgeschrieben und dann erst »abgeglichen«. Kaum zu glauben. Das Warten verkürzt ein Filmoperateur. Offenbar wird den Konterfeis mißtraut, mit denen sich die Ausstellenden der amtlichen Ausweise zufrieden gegeben haben. Richtig versiert ist der Kamerad mit der Kamera in deren Umgang noch nicht. Ein Vorgesetzter hilft ihm. Er erfüllt vor allem die Aufgabe, jedem Träger einer modischen Kappe diese für die Porträtaufnahme abzunehmen. Bis auf einen Fall kann er das geübt und auch da nur gegen eine eher symbolische Gegenwehr erledigen. Meine Bewunderung nimmt zu. Dann kommt doch die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage der Film hergestellt werde. Die militärisch knappe Antwort: »Das weiß ich doch nicht.« Die so Beschiedenen lachen. Ich wurde übrigens unerklärt vergünstigt behandelt und durfte meine kretische Fischermütze aufbehalten. Wieder warten. Schließlich wird einzeln zum Aussteigen aufgefordert. Zur Visitation von Körper, Kleidung und Gepäck. Jetzt, darauf wird hingewiesen, muß noch ein Engpaß gemeistert werden. Da es dem Trupp an weiblichen Mitwirkenden fehlt (die Zusammensetzung der Busreisegesellschaft hingegen scheint zu bezeugen, daß das Interesse von Mädchen und jungen Frauen an Antifaschismus und Antifaschisten das für den Überwachungsdienst an Deutschland übertrifft), werde es auch in dieser Etappe unseres Zusammenseins noch etwas Zeit brauchen. Wer geprüft ist, darf weiter Luft schnappen und in einen von den Uniformierten locker umstellten Kreis treten. Das schützt vor der Gefahr, von vorbeigelotsten Fahrzeugen gerammt zu werden. Ein Uniformierter hat einen jungen Mann vor, inspiziert dessen Geldbörse und läßt, was er darin befingert hat, Stück für Stück auf die Straße flattern. Der Inhaber sieht wortlos zu. Meine Bewunderung, gesteigert, schlägt partiell in Neugier um. Ich frage den Akteur, ob er für diese Sonderbehandlung einen Grund gewußt habe. Antwort: Er brauche Bewegungsfreiheit, außerdem wolle er mit mir darüber nicht sprechen. Das tut ein paar Minuten später der Leier des Einsatzes, der bei seinem Ton geblieben ist und in der Sprache, von der er glaubt, daß sie in diesem Kreis gebraucht werde, den Männern inzwischen erlaubt hat, auf die nahe Wiese »zu schiffen«. Mir sagt er: Sie haben Recht.« Er habe die Szene beobachtet. Sie würden mit diesem ihrem Mann reden, wenn sie den Einsatz auswerten. Vorbeugung oder Vorsatz? Ich verabschiede mich mit dem Bemerken: »Wenn auch Sie und Ihre Leute sich gegen den Heß-Marsch stellen würden, könnten Sie 2005 einen freien Samstag mehr haben.« Es fehlen noch ein paar Minuten, dann haben wir uns hier zwei Stunden aufgehalten. Hätte ein Kommando eine Order strikt befolgt, sich Zeit zu lassen, hätte es nicht anders verlaufen können. Doch sollen Schlamperei und Schlendrian nicht ausgeschlossen werden. Dann kommen wir unter Geleit doch ans Ziel. Die Stadt sehe anders aus in den Jahren vorher, sagen uns unsere Gastgeber. Davon sprechen Transparente wie »Bunt statt braun« und andere Sprüche, gespannt über eine Straße im Zentrum. Bewohner kommen zahlreich zu einer Kundgebung. Auf der spricht der Bürgermeister gegen die ungebetenen Heß-Marschierer. Er sei kein Rechtsprofessor, aber es müsse doch in der Bundesrepublik eine Möglichkeit geben..., meint und hofft er. Die Antifaschisten schreiben sich am Wandel Verdienst zu. Vor Jahren wurden sie noch offen befeindet. Vielleicht stellt sich der erstrebte Erfolg ein, wenn eines Jahres an den Stadtzugängen steht: »Wir begrüßen unsere Helfer von nah und fern. Die Bürger von Wunsiedel.« Dafür müßte auf beiden – im wie immer motivierten Anliegen doch gleichgerichteten – Seiten manches noch geregelt werden. Das könnte eines Tages eine Abschiedsfeier ergeben. Denn auch die Leute von der Berliner Antifaschistischen Aktion machen mir nicht den Eindruck, als wären sie auf Wunsiedel abonniert. Sie verfolgen noch ein paar andere Ziele.
Erschienen in Ossietzky 18/2004 |
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