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Die Menschen sind entspannt, heiter, küssen einander, verteilen kleine Geschenke. »Feierliche Exmatrikulation 2004 in der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch.« Sekt, Likör, Säfte zu moderaten Preisen werden ausgeschenkt, das Geld kommt in die Kasse für den Verein der Freunde, Förderer und Absolventen der Hochschule. Zwei Vorstandsmitglieder betreiben den kleinen Handel. Der Ertrag unterstützt Studenten im Not; gleichfalls können begabte Hochschüler Zuwendungen erhalten, um zeitweise nicht jobben zu müssen für Unterhalt und Studiengeld. Im Vorstand namhafte Absolventen der Schule (Nina Hoss, Markus Meyer), Dozenten, der Rektor der Hochschule, ein Chefarzt der Charité. Bisher hat der Verein 106 Mitglieder, weitere sind erwünscht. Nach vier Studienjahren werden heute 43 junge Menschen in das Leben für die Kunst entlassen. Neben Dozenten nehmen Studenten der anderen Jahrgänge an der Verabschiedung teil. Die Schulglocke läutet, alles strömt in die Wolfgang-Heinz-Bühne. Ich habe einen Ehrenplatz, Reihe 3. Das freut mich. Ein blinkeblanker weißer Vorhang verhüllt die Bühne in »Brechthöhe«. Rechts außen ein Pult, ein Eimer mit Rosen, Klavier. Chorisches Summen hinter der »Gardine« bringt uns zum Schweigen. Vorhang auf! 20 Studenten des 3. Studienjahres, den Rücken zum Publikum, singen und summen: »Die Zeit vergeht, das Gras verwelkt, die Milch entsteht, die Kuh macht mäh (nicht muh!) und stirbt.« Ein Stehgeiger (Student) läßt mit geschlossenen Augen seine Geige schluchzen, innig schwingt der Kanon durch den Raum, löst sich auf in Singen und rhythmisches Klatschen. Beifall jauchzt, tost, die Kommilitonen im Zuschauerraum jubeln, klatschen, pfeifen. Ein Augenblick himmlischen Höllenlärms. Professor Klaus Völker betritt die Szene, hebt an zu einer seiner profunden Reden. Erzählt, daß mittlerweile alle Absolventen Engagements abschließen konnten in Düsseldorf, Magdeburg, Wiesbaden, Berlin, Köln, Überlingen, Münster. »Nicht alle von Ihnen waren mit den Angeboten, die Sie erhalten haben, glücklich, weil sie zu recht liebevolleres Interesse erwartet haben seitens der Theaterleute. Sie müssen das am Ende vielleicht gar nicht bedauern, vielmehr kann es passieren, daß Ihnen die Absolventen Ihres Jahrganges, die in Berliner Theatern gelandet sind, mißgelaunt berichten, daß die Stimmung zum Beispiel im Berliner Ensemble miserabel ist (Lachen) und sie dort keine weiterbringende Rolle gespielt haben, während Magdeburg sich vielleicht als Glücksfall erweist, weil Sie dort gebraucht und in vielen interessanten Rollen eingesetzt werden.« Von speziellen Überlegungen führt Völker hin zu allgemeinen Erkenntnissen der Kunst und des Künstlerseins, zitiert Tilla Durieux, die »Talent, Besessenheit, Leidenschaft, Spielwut, gemeistert durch die Sicherheit der handwerklichen Fähigkeiten« gepriesen hat, womit die Überleitung zum dem hochgelobten Dokumentarfilm »Die Spielwütigen« von Andres Veiel (s. »Alles auf Anfang« 5) hergestellt ist. »Andres Veiel«, sagt Völker, »hat viele Jahre in dieser Hochschule filmen können, weil er bereits wunderbare Filme gedreht hatte und uns sein Vorhaben unterstützenswert schien. Daß er jetzt in Interviews erklärt, für ihn sei es einfacher gewesen, im Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses zu der RAF-Angehörigen Birgit Hogefeld zu gelangen und zu drehen als in der Busch-Schule eine Schauspielprobe zu filmen, ist blanker Unsinn und törichte Polemik.« Ich habe inzwischen zehn Monate in der »Busch« gearbeitet. Abgesehen von wenigen Ausnahmen war ich stets willkommen. Daß einige Sitzungen intern sind, finde ich verständlich. Ein Dozent weigerte sich, mich bei seinen Seminaren zuhören zu lassen. Er verweigert das jedem, der nicht beim ihm studiert. Es ist sein Recht. Bei der Fülle der Angebote war das für mich unerheblich. »Mir gefällt übrigens dieser Film«, sagt Völker über »Die Spielwütigen« und führt seine Rede zurück zum Theater. Thema: der Zeitgeist in der Kultur, der Theater, Konzerthäuser, Ausbildungsstätten der Kunst »auf Innovationsfähigkeit, Rentabilität und Service-Funktion reduziert«. Er kritisiert »Inszenierungen, die konzeptkunsthaft und improvisationsjuxbetont sind« und »Regisseure, die Autoren nicht mehr zur Bühnenwirkung und dem leidenschaftlichen Ingenium des Schauspielers auf der Bühne nicht mehr zum Durchbruch helfen«. Praktische Überlegungen zur finanziellen Zukunft des Hauses folgen. Der Rektor beschließt seinen Appell an die jungen Künstler mit Sätzen des Pianisten Alfred Brendel, der sie für die Schauspielerin Jutta Lampe als künstlerisches Credo aufgeschrieben hat. Einer davon lautet: »… sich preiszugeben, dennoch gleichsam zu verschwinden.« Diplome werden verliehen, Jubel für die Absolventen. Aus dem Zuschauerraum hinauf zur Bühne, von dort oben zurück klatscht man einander zu. Strahlende Gesichter, eines ist tränenüberströmt. Vier harte, schwierige, glückliche, lehrreiche Jahre. Dies der Abschluß. Und doch und gerade jetzt heißt es wieder: Alles auf Anfang.
Erschienen in Ossietzky 17/2004 |
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