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Denn die Zeitung für Satzstummel in großen Buchstaben will zurück zum scharfen s im daß. Man darf besorgt fragen: Wie oft kommen Relativsätze bei Bild überhaupt vor? Der Spiegel, seit Jahren ebenfalls die besonders einfache Argumentation pflegend, will es dem Blatt, hinter dem sich klagende Köpfe verbergen, gleichtun: Die Rechtschreibreform ist gescheitert. Zurück auf Anfang des 20. Jahrhunderts. Gern wird vergessen, daß eine kleine linke Tageszeitung, die junge welt den Falschschreib-Unsinn einer sogenannten Reform, die auch als so genannte nicht besser wird, gar nicht erst mitmachte. Interessant sind Reaktionen in den politischen Lagern: Thüringen, das sich gerade dadurch hervorgetan hat, daß es die Junior-Professur abschmetterte, obwohl es doch sonst immer so gern von den amerikanischen Siegern lernen möchte, ist in Gestalt seines Chef-Lehrers Althaus natürlich gegen die Rücknahme der Reform. Die CDU-Ministerpräsidenten Müller und Wulf sind für die alte Schreibweise, die SPD-Ministerpräsidenten samt und sonders dagegen. Vielleicht weil die SPD als Mitverantwortliche an den Kriegsgreueln in Jugoslawien dieselben zu lieblicher daherkommenden Gräueln herabstufen möchte. Wer vor einer Wahl steht, wie Sachsens Milbradt und der rheinische Rüttgers, ist, wie das Wahlvolk, gegen die Reform. Die Schulbuchverlage, die gerade heftig an der Reform verdienten, heulen auf: Was eine Rücknahme kostet! Die Diskussion ist so deutsch, wie es deutsche Diskussionen oft sind: Es geht ums Prinzip. Es kann nicht falsch sein, was seit Jahren praktiziert wird. Und die armen Kinder! Die haben jetzt etwas Falsches oder gar falsch gelernt! Der Chef-redakteur der »Sozialistischen Tageszeitung«, wie sich das Neue Deutschland im Untertitel nennt, behauptete, man könne die Reform nicht zurücknehmen, weil sie nun einmal gemacht worden sei. Alles Bestehende ist vernünftig, spricht die sozialistische Staatsräson, die keine Raison sein darf. Es heißt, die Betroffenen – Schreiber, Verleger, das ganze Volk – hätten sich eher melden müssen. Wo, bitte, ist diese Meldestelle für Bedenken? Wer hat sich die neuen Regeln, die meist so unklar sind wie die alten, ausgedacht? Der Blödsinn der Reform liegt nicht in der Schreibweise des einzelnen Wortes – die Zahl der f in der Schiffahrt (alt), der Schifffahrt (neu) und der Schifffracht (alt und neu, die eigentlich Schiffsfracht heißt) ist nicht die Frage. Doch welchen Sinn will man mit der Schreibweise hervorlocken? Daß »aufwändig« von »Aufwand« statt von »aufwenden« herkommt? Dann müßte die Geldbörse zum »Portmonney« amerikanisiert werden. Die wichtigste Regel für die deutsche Sprache aber lautet: Es gibt Ausnahmen. Weil Sprache anarchistischer ist als Bürokraten, die sie verhackstücken. Darf man aber »verhackstücken« schreiben, oder müßte man nach der neuen Auseinanderreißregel »Ver Hack Stücken« schreiben? Denn die Reform verändert den Sprachsinn. So feiern auf einmal und nicht auf ein Mal Großbuchstaben fröhliche Urständ – wo man sie doch zurückdrängen wollte und dies aufgrund und nicht auf Grund der internationalen Entwicklung. Da ich nicht nur für Blätter wie Ossietzky schreibe, wo der Autorwille geachtet wird, schmerzt es mich jedesmal wie auch jedes Mal, wenn Orthografiecomputer mein »hierzulande« zu »hier zu Lande« machen, obwohl ich wahrlich nicht zu Wasser und auch nicht in der Luft gemeint habe. Die allein Stehenden, wo doch Alleinstehende gemeint sind, tun mir in meinen Text sehr leid, aber nie Leid, denn es sind die Sprachcomputer, die mir ein Leids antaten. Hätte man nach zwei Erprobungsjahren nicht merken müssen, daß genau dies den Zorn der Menschen hervorruft, die sich um Sprache mühen – hätte nicht Getrennt- und Großschreibung diskussionslos zurückgenommen werden müssen? Dann wäre der Duden, wie bisher, gelegentlich geändert und neuaufgelegt worden. Aber nein, es geht den Rechtschreibmurksern ums Prinzip. Man kann keine Reform der Reform machen, heißt es, drum wollen wir alles oder nix. Drum nehmen Verlagsdiktatoren jetzt auch die wenigen vernünftigen Teile der Reform in ihren Blättern zurück. Da sind sich Rechthaber und sprachunbegabte Linke einig, da gehen diejenigen, die arm im Geiste und reich am Beutel sind, im Gleichschritt mit jenen, die so gern auf ihren Geistreichtum bauen. Deutsche Rechtschreibung ist eine Schreibung für rechthabende Deutsche. Es geht ums Prinzip, das wir deutsch schreiben sollten: Prinntsiep.
Erschienen in Ossietzky 17/2004 |
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