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Es handelt vom »Wesen der Frau«, das angeblich durch ihre »Fähigkeit für den anderen« bestimmt ist, und zwar durch ihre »physische Fähigkeit, Leben zu schenken« und »fest in der Familie gegenwärtig zu sein«. Diese Frauenrolle und das gesamte Papier wurden hierzulande überwiegend abgelehnt – zu Recht. An die Spitze der Kritiker stellte sich die als liberal geltende lutherische Landesbischöfin von Hannover, Margot Käßmann. Sie sei »schlicht fassungslos, wie der Vatikan von den Frauen spricht«, sagte sie und warf, in geradezu lutherischer Pose, der katholischen Kirche »Mangel an Selbstkritik« vor: »Im gesamten Dokument kein Wort davon, wie die Kirche jahrhundertelang Frauen unterdrückt hat; kein Wort von der Hexenverfolgung.« Die hannoversche Bischöfin ist dem nichtkirchlichen Publikum im vorigen Herbst durch die ZDF-Sendung bekannt geworden, in der die zehn »besten Deutschen« gesucht wurden. Damals verstand sie es, Martin Luther als dessen »Patin« auf den zweiten Platz (nach Konrad Adenauer) hochzuloben. An ihm rühmte sie unter anderem, daß er »Geistesfreiheit und Aufklärung möglich gemacht« habe. Das Gegenteil dürfte zutreffen. Luther ließ für seine Urteile zur Obrigkeit, zu den »aufrührerischen Bauern«, zu Homosexuellen, zu den Juden und eben auch zu »den Frauen« nur die Aussagen der Bibel – nach dem Prinzip »sola scriptura« – und die seines Lieblingstheologen Augustinus aus dem 4./5. Jahrhundert gelten. Die Bibel aber ist von Anfang an patriarchalisch ausgerichtet; dort teilt »Gott der Herr« der »verführten« Eva programmatisch mit: »Dein Mann soll dein Herr sein.« Im Neuen Testament wird dieser Gedanke besonders vom Apostel Paulus ausformuliert, dessen Schriften Luther für seine Lehre bevorzugte. Bei ihm ist die Frau um des Mannes willen geschaffen, sie ist nur ein Abglanz von ihm; will sie etwas wissen, hat sie ihn zu fragen. Wer mehr darüber erfahren will und eine Bibel zur Hand hat, lese zum Beispiel den 1.Korintherbrief, 7., 11. und 14. Kapitel. Im 1.Timotheusbrief steht im 2. Kapitel, was seitdem viele Theologen gern zitiert haben: »Eine Frau lerne still in aller Unterordnung. Zu lehren gestatte ich einer Frau nicht, auch nicht, sich über den Mann zu erheben, sondern (ich gebiete ihr), sich still zu verhalten. Denn Adam wurde zuerst geschaffen, danach Eva. Und Adam wurde nicht verführt, das Weib vielmehr wurde verführt und ist in Übertretung geraten. Sie wird aber gerettet werden durch Kindergebären...« Kardinal Ratzinger läßt grüßen und Frau Käßmann erblassen. Von all diesen Worten also lernten die »Kirchenväter« und schließlich auch Luther. Augustinus verkündete: »Das Weib ist ein minderwertiges Wesen, das von Gott nicht nach seinem Ebenbilde geschaffen wurde. Es entspricht der natürlichen Ordnung, daß die Frau dem Mann diene.«. Vom Augustinermönch Luther lernte seine Kirche: »Die größte Ehre, die das Weib hat, ist, daß die Männer durch sie geboren werden.« Und: »Ob sie sich auch müde und zuletzt todt tragen, das schadet nichts; laß’ sie nur todt tragen, sie sind darumb da.« Und: »Es ist den Weibern von der Mutter Eva angeboren, daß sie sich äffen und trügen lassen.« Und: »Redselige Mädchen sind häßlich.« Und so weiter. Frau Käßmann aber behauptete in der Fernsehsendung: »Luther hatte Respekt vor den Frauen.« Hätte er den gehabt, dann hätten seine theologischen Nachfahren wohl kaum im Jahre 1591 in Wittenberg darüber diskutiert, ob Frauen überhaupt Menschen seien. Ganz in diesem Sinne handelte auch jener Leipziger Professor, der sich streng an die lutherische Lehre hielt und sich rühmte, die Bibel 53 mal durchgelesen zu haben, wodurch er die zentrale Botschaft des Evangeliums in dem Wort aus 2. Mose 22.17 gefunden habe: »Die Zauberinnen sollst du nicht leben lassen.« Dadurch angeregt, soll er an 20 000 Todesurteilen in Hexenprozessen mitgewirkt haben; er wollte dieses gottwohlgefällige Werk den Katholiken nicht allein überlassen. Über ihn, den wohl einflußreichsten Lutheraner des 17. Jahrhunderts, den Juristen Benedikt Carpzow, heißt es noch im Jahre 2000 in dem wichtigsten evangelischen Nachschlagewerk, »Die Religion in Geschichte und Gegenwart«, kurz: RGG: »Er entwickelte ein System des protestantischen Kirchenrechts... er gilt als Begründer einer Strafrechtswissenschaft«. Geistesfreiheit und Aufklärung, von der Bischöfin gepriesen, waren ihm verhaßt und mußten gegen eifrige Lutheraner wie ihn durchgesetzt werden. Für sie alle galt, ebenso wie für katholische Inquisitoren, die Verfolgung von »Hexen« und die Demütigung von Frauen als göttlicher Auftrag. Kardinal Ratzingers jüngstes Papier zum »Wesen der Frauen« ist festverwurzelt in der kirchlichen Tradition, in der auch Luther steht; es ist sogar biblisch orientiert. Solange diese Bibeltexte weiterhin als »heilige Texte«, als »göttliche Offenbarung«, genommen werden, werden sie immer wieder Schaden anrichten; sie gehören ebenso wie die Texte Luthers verurteilt. Und was die »Hexenverfolgung« betrifft, dieses schändliche Verbrechen in der Geschichte des christlichen Abendlandes, so wird auch die evangelische Kirche, die kaum darüber spricht, ihre Schuld daran eingestehen müssen. Solche Selbstkritik sei der Bischöfin angeraten., bevor sie mit dem Finger auf die andere Konfession zeigt.
Hartwig Hohnsbein hat sich in Ossietzky gelegentlich mit dem früheren hannoverschen Landesbischof Hanns Lilje beschäftigt. Gemeinsam mit Gerd Lüdemann hat er jetzt eine Broschüre vorgelegt, die mit der Legende vom Widerstandskämpfer Lilje aufräumt. Die Schrift ist für fünf Euro plus Porto über die e-mail-Adresse hartwig2@gmx.de zu bestellen.
Erschienen in Ossietzky 17/2004 |
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