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Ein Volk wünscht Agrarreformen Die Vorbereitungen für einen Staatsstreich begannen, bevor Jacobo Arbenz Guzmán im November 1950 zum Präsidenten Guatemalas gewählt wurde und deutlich machte, daß er seine Wahlversprechen, insbesondere die Enteignung eines Teils der riesigen Kaffee- und Bananenplantagen der US-Gesellschaft United Fruit Company, einhalten werde. Schon 1944 hatte eine Gruppe junger Offiziere, zu denen auch Arbenz gehörte, den Diktator Jorge Ubico, Freund der Großgrundbesitzer und der USA, nach 13 Jahren korrupter und brutaler Herrschaft aus dem Amt gejagt. Ubico war der Batista oder der Somoza Guatemalas gewesen, der das getan hatte, was die USA an lateinamerikanischen Diktatoren am meisten schätzen: Er hatte United Fruit und anderen Konzernen Ländereien geschenkt und die Gewerkschaften unterdrückt. 1945 wurde José Arévalo mit 85 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt. »Die ursprünglich positive Aufnahme des Präsidenten von Guatemala durch die USA änderte sich 1947 drastisch, als er ein Gesetz über den Schutz der Arbeiter unterzeichnete, das insbesondere gegen die United Fruit Company gerichtet war«, stellte das US-Außenministerium 2003 in einer Einführung zur Veröffentlichung der Putschdokumente aus der Regierungszeit des US-Präsidenten Truman (1945-53) fest. Damals hätten in Guatemala nur zwei Prozent der Bevölkerung 72 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche kontrolliert. Nur zwölf Prozent dieser Nutzfläche seien überhaupt bewirtschaftet worden. Das habe »zu ausgedehnter Armut und Unterernährung geführt«. Arévalos Nachfolger Jacobo Arbenz habe dann von Anbeginn seiner Präsidentschaft versucht, »die sozioökonomischen Übel Guatemalas durch eine große Agrarreform in den Griff zu bekommen«. So das State Department heute. Der US-Regierung und der CIA reichte das damals, um den bürgerlichen Präsidenten, dessen Vater aus der Schweiz eingewandert war, als Kommunisten zu brandmarken, mit schmutzigen Methoden zu bekämpfen und aus dem Amt zu putschen. In einem ersten Ausführungsgesetz hatte Präsident Arbenz verfügt, daß alles ungenutzte fruchtbare Land von mehr als 223 Morgen an die landlosen Bauern verteilt wird. Besonders wütend waren die US-Plantagenbesitzer, daß für ihre geplante Entschädigung die gleiche Berechnungsgrundlage genommen werden sollte wie für die bisherigen Grundsteuern, nämlich der von ihnen selbst angegebene Wert der Ländereien. Als 1952 der unter Truman mit der Codebezeichnung »Fortune« (Glück) geplante Staatsstreich trotz des vielversprechenden Namens nicht das erhoffte Ergebnis brachte, sondern scheiterte, beschlossen die USA ein zweites, umfangreicheres Projekt: »Success« (Erfolg). Beide Unternehmen schlossen die Ausbildung der Putschisten und Waffenlieferungen durch die USA ein sowie Morde an Kommunisten und solchen, die man dazu erklärte, außerdem Sabotage, Handelsboykott, diplomatischen Druck und Psychoterror. Allein die Organisierung und Durchführung des zweiten und letztlich erfolgreichen Putsches kostete die CIA – außer der Bereitstellung der gesamten Infrastruktur – laut eigenen Angaben »etwas mehr« als drei Millionen Dollar, davon 800 000 $ für insgesamt 80 Flugzeugeinsätze zum Transport von Waffen, für Bombenabwürfe und Tieffliegerangriffe, 400 000 $ für mehr als 80 Tonnen Waffen und Ausrüstung, 270 000 $ für psychologische Kriegführung und Propaganda und 250 000 $ für Sabotage. Bei diesen Beträgen ist zu bedenken, daß der Dollar damals viel mehr wert war als heute und daß nicht unbedingt fabrikneue, modernste Waffen eingesetzt wurden. Ziel des Staatsstreichs war die Installierung des CIA-Agenten Castillo Armas als Staatschef, der einen Teil seiner Offiziersausbildung in Fort Leavenworth (USA) erhalten hatte. Die CIA-Spezialisten für die Organisierung des Staatsstreichs, so heißt es in einem Papier der CIA-Führung für ein »mehr als streng geheimes« Treffen am 29. Juli 1954 mit Präsident Eisenhower (1953-61) und seinem Stab im Weißen Haus zur Auswertung der Putsch-Erfahrungen, kamen »aus Korea, Deutschland, Ägypten, Chile«. Außerdem bediente sich die CIA beim Putsch »der zur Verfügung stehenden seit langem von der CIA in mehreren Revolutionen subventionierten Exil-Gualtemalteken«. Wer hier und an vielen anderen Stellen dieses Beitrags Guatemala und Gualtemalteken durch Kuba und Kubaner ersetzt, hat eine ungefähre Vorstellung davon, wem sich das sozialistische Kuba seit 45 Jahren gegenübersieht. Übrigens gewährte Guatemala dann 1960 Exil-Kubanern Asyl und stellte ihnen auch Übungsgelände für militärische Aktionen gegen Kuba zur Verfügung. Dort bereiteten die USA, namentlich die CIA, die Invasion in der kubanischen Schweinebucht 1961 vor.
Todeslisten Eine entscheidende Rolle spielte der US-Geheimdienst bei der Zusammenstellung von Listen für die Verhaftung, Ausweisung oder Ermordung angeblicher Kommunisten und anderer Oppositioneller. Die CIA präsentierte aus ihren Unterlagen ein schon vom 23. August 1950 – Monate vor der Arbenz-Wahl – stammendes Papier unter der Bezeichnung »Assassination Planning Guatemala«. In dem Papier selbst wurde die Mord-Planung unter Hinweis auf einen Beschluß vom 12. August 1949 als »Planung für unkonventionelle Operationen auf dem allgemeinen Gebiet vorbeugender direkter Aktionen« umschrieben. Am 26. Januar 1952 hieß es in einem als »Geheim« eingestuften Kabel aus dem CIA-Hauptquartier an die CIA-Station in Guatemala-Stadt: «1. Hauptquartier wünscht Liste Kommunisten und/oder Sympathisanten, die neue Regierung im Falle von erfolgreichem antikommunistischen Putsch sofort einsperren will.« Offenbar hatte das Hauptquartier die CIA-Vorschläge gleich mitgeschickt, denn Punkt 2 lautete: »Erwarten, daß Sie die folgende Liste verifizieren und Zusätze oder Streichungen vorschlagen.« Die Namen wurden später unkenntlich gemacht. Am 29. Januar antwortete der Stationschef: »Weiß nicht, ob alle auf der Liste Commies (CIA-Slang für Kommunisten; H. Sch.), aber gehören zu denen, die gefährlich sind für unsere Interessen... Mindestens einsperren und deportieren…« »Mord-Planung« ist das Schlüsselwort eines 19 Seiten umfassenden Dokuments, das offenbar das CIA-Hauptquartier an den Chef von »Lincoln« (Deckname der CIA-Leitstelle für den Putsch) schickte; es wurde von der CIA im April 2003 freigegeben. Auf acht Seiten wird ein Gespräch mit dem Top-CIA-Agenten »Erratic« geschildert, dessen Identität nicht enthüllt wird. Punkt 6 hebt hervor: »Ein wertvoller Beitrag von ›Erratic‹ ist die angefügte Liste von prominenten Kommunisten in Guatemala.« Die elf Seiten lange Todesliste enthält mehr als 1000 Namen, von denen viele mit einem P für peligroso (d. h. gefährlich) oder einem I für importante (wichtig) gekennzeichnet sind. Zwischen dem 31. März und dem 30. Mai 1954 werden dann mindestens drei weitere Mordlisten zusammengestellt, in denen es um die »Auswahl von Personen für Beseitigung (disposal) durch Junta« oder um die »frühzeitige Ausrottung« (early eradication) geht. An eines der Schreiben sind zwei Namenslisten angehängt. Sie enthalten 58 Namen in der Kategorie I (»Personen zur Beseitigung durch Executive Action«, die CIA-Bezeichnung für Mord) und 74 in der Kategorie II (»Personen zur Beseitigung durch Inhaftierung oder Exil«). Die CIA läßt heute durch einen ihrer Historiker behaupteten, niemand auf den Listen sei nach dem Putsch getötet worden. Doch nachprüfen kann man das nicht, denn auch hier wurden alle Namen unkenntlich gemacht – nur noch die Numerierung der Personen und »Secret. Eyes Only« steht auf den ansonsten weißen Blättern, die zur Veröffentlichung freigegeben wurden.
Hammer, Axt und Küchenmesser Im Folgenden geht es um eines der wohl finstersten und grausamsten Kapitel der CIA-Einmischung in Guatemala, das in den folgenden Jahrzehnten auch weitreichende Folgen in ganz Lateinamerika hatte, weil der Lehrmeister CIA offenbar viele willige Schüler ausbildete. Vielleicht um sicher zu sein, daß die geplanten Morde zur Zufriedenheit der Initiatoren ausgeführt würden, arbeitete die CIA eine 19 Seiten umfassende Anleitung für »Assassinations« (politische Morde) aus (www.gwu.edu/~nsarchiv »A Study of Assassination«). Darin werden Vorgehensweisen und die dafür erforderlichen Instrumente genau beschrieben. »Die einfachsten örtlichen Werkzeuge sind oftmals die effektivsten Mittel für den Mord«, empfahl die CIA. »Hammer, Axt, Schraubenschlüssel, Schraubenzieher, Feuerhaken, Küchenmesser, Lampenständer oder alles, was hart, schwer und handhabbar ist, wird genügen.« Besonderen Wert legte die CIA auch auf die Tarnung der Mordanschläge. »Mord-Anweisungen sollten niemals aufgeschrieben oder aufgezeichnet werden«, heißt es da. Man müsse immer die Möglichkeit für »glaubhafte Dementis« haben. Die CIA-Studie räumt ein, daß politischer Mord moralisch nicht zu rechtfertigen sei. Daher, so die Schlußfolgerung, »sollte er von moralisch überempfindlichen Personen nicht versucht werden«. Dieses Papier war, wie die CIA 1995 in einer Untersuchung erläuterte, dazu gedacht, den Leiter der Ausbildungsabteilung des Geheimdienstes über Möglichkeiten zur Liquidierung von Personen zu informieren, bevor er Anfang Januar 1954 in Honduras die Ausbildung der von der CIA angeheuerten Söldner für den Guatemala-Putsch begann. Schon am zweiten Tag der Ausbildung forderte er in einem Telegramm 20 Schalldämpfer für Gewehre an. »Das Hauptquartier schickte die Gewehre«, heißt es in der CIA-Untersuchung. Das lautlose Killen konnte beginnen. Die Dokumente über den Staatsstreich gegen Guatemala geben auch einen detaillierten Überblick über die psychologische Kriegführung, die die Mordpläne, Sabotageunternehmen, Einsätze von Bombern, Boykottmaßnahmen und diplomatischen Intrigen der USA gegen die populäre und demokratisch gewählte bürgerliche Regierung von Guatemala begleitete. Nicht erst seit dem Irak-Krieg 2003 ist ja bekannt, daß Kriegslügen immer schon lange vor einem Krieg beginnen. Was sich die CIA vor mehr als 50 Jahren ausgedacht hatte, um ein kleines Land mit damals etwa drei Millionen Einwohnern, dessen Regierung den USA nicht paßte, mit einer Lügenkampagne sturmreif zu schießen, um es dann einer blutigen Diktatur und einer mehr als dreißigjährigen Unterdrückung auszuliefern, ist für sich genommen schon ein Staatsverbrechen und eine eklatante Verletzung des Völkerrechts. Nach dem erfolgreichen Putsch zogen die USA nicht ab, sondern sorgten weiterhin mit Waffen, Ausbildung, Geld und Ratschlägen dafür, daß die Nachfolger von Castillo Armas sein blutiges Regiment gegen eine wachsende Widerstandsbewegung fortsetzen konnten, was etwa 200 000 Tote zur Folge hatte – vor allem durch Massenmord an der indianischen Urbevölkerung. Noch 1975 wurde in einer CIA-Analyse über »Die Rolle der CIA beim Sturz von Arbenz« der Staatsstreich mit der lächerlichen Behauptung gerechtfertigt: »Guatemala stellte eine ernsthafte Bedrohung für die Solidarität in der Hemi-sphäre und für die US-Sicherheit in der Karibik dar« (Außenministerium, Dokument 287). Die einzige Bedrohung, die aus den veröffentlichten Dokumenten hervorgeht, hat damit zu tun, daß das Beispiel Guatemala Schule zu machen drohte. Am 28. Mai 1954 berichtete das Außenministerium über eine »soziale Revolte« im Nachbarland Honduras: Ein Streik paralysiere die Arbeit auf den Plantagen der US-Unternehmen United Fruit und Standard Fruit Company. Die Regierung habe Militär einsetzen müssen. Aus Costa Rica hatte die CIA schon im November 1953 erfahren, daß Präsident José Figueres Ferrer Pläne für Verbesserungen der sozialen und wirtschaftlichen Lage des einfachen Volkes habe: »Er machte nachdrücklich klar, »daß er die Absicht verfolge, in Bezug auf die United Fruit Company dem Beispiel von Guatemala zu folgen.« Horst Schäfer, Ossietzky-Lesern unter anderem durch den Ende 2001 erschienenen Sonderdruck »Mord-Report« über US-amerikanischen Staatsterrorismus bekannt, wird im nächsten Heft Einzelheiten der psychologischen Kriegführung schildern.
Erschienen in Ossietzky 17/2004 |
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