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Die Montagsdemonstrationen scharf verurteilend, erklärte der Superminister wortwörtlich: »Womit wir in Deutschland als empfindlichstes Übel zu tun haben, gehört zur Hinterlassenschaft der Kommunisten: eine marode Staatswirtschaft, deren Zusammenbruch geradewegs in die Arbeitslosigkeit führte.« Allzu neu ist diese Beweisführung nicht. Sie erinnert frappant an Äußerungen Kohls, Blüms und Waigels zu Beginn der 90er Jahre zur Begründung der Massenarbeitslosigkeit im Osten Deutschlands, wobei sie die Millionen Arbeitslosen im Westen des Vater- und Mutterlandes sicherheitshalber ignorierten. Warum sollte, so meint Clement offenkundig, was sich damals als Argumentationsmuster bewährte, nicht auch heutzutage, am Vorabend des 15. Jahrestages der »friedlichen Revolution« in der DDR, als Erklärung dienen? Ihm fällt nichts Besseres ein, und so muß die »Hinterlassenschaft der Kommunisten« erneut als Ursache allen Übels herhalten. Wenn wir so dank Clement, einem hervorragenden Vertreter des Kapitalismus in seiner neoliberalen Ausprägung, schon in der Vergangenheit und bei »Hinterlassenschaften« angelangt sind, wächst die Versuchung zu fragen, was denn der Kapitalismus 1945 den Antifaschisten, Sozialisten und Kommunisten im Osten Deutschlands »hinterlassen« hatte? Wir widerstehen ihr, denn das schreckliche Erbe ist bekannt. Und was haben »die Kommunisten« 1989 tatsächlich hinterlassen? Laut Otto Graf Lambsdorff, einem der Vorgänger des jetzigen Wirtschaftsministers, haben 40 Jahre Mißwirtschaft der SED dem Osten Deutschlands mehr Schaden zugefügt als der Zweite Weltkrieg. Ganz so weit mag Wolfgang Clement nicht gehen, aber das Lied vom Zusammenbruch der »maroden Staatswirtschaft« singt er ebenso gern wie der Graf. Dabei stellt er sich dümmer, als er ist. Er weiß sehr wohl, daß der Zusammenbruch der ostdeutschen Wirtschaft nicht das Werk der Kommunisten, sondern das Ergebnis der überstürzten Einführung der DM und der zerstörerischen Tätigkeit der Treuhandanstalt war. Mit der Währungsunion wurden die Indu-striebetriebe der DDR schlagartig und ungeschützt der Konkurrenz des bundesdeutschen und des Weltmarktes ausgeliefert. Für ihren Export in das kapitalistische Ausland, zu dem bis dahin auch die BRD gehörte, erlöste die DDR-Industrie von einem Tag zum anderen bei gleichbleibenden Kosten nur noch weniger als ein Viertel: statt wie nach dem bis dahin bestehenden internen Verrechnungskurs 4,40 Mark der DDR nur noch eine DM. Um sich die Auswirkungen auch nur annähernd zu vergegenwärtigen, genügt es, sich daran zu erinnern, mit welchem Wehgeschrei beispielsweise die Chefs von Daimler und BMW die Aufwertung des Euro gegenüber dem Dollar um fünf bis zehn Prozent begleiteten. Was aber würde geschehen, wenn der Euro von einem Tag zum anderen um mehr als 400 Prozent aufgewertet würde? Für Karl-Otto Pöhl, den damaligen Bundesbankpräsidenten, war die Währungsunion »eine Roßkur, die keine Wirtschaft aushält«. Und tatsächlich: Die auf den Export orientierte Industrie der DDR kollabierte. Den Rest besorgte die Treuhand. Sie erwies sich nicht nur als ein Instrument der entschädigungslosen Enteignung der Bürgerinnen und Bürger der DDR und einer gigantischen Eigentumsumschichtung von Ost nach West, sie war zugleich eine seelenlose Einrichtung zu einer weltweit bis dahin nicht registrierten Vernichtung von Arbeitsplätzen. Von 1989 bis 1991 schrumpfte die ostdeutsche Industrieproduktion auf ein Drittel, drei von ehemals vier Arbeitsplätzen in Industrie und Bergbau wurden vernichtet. Sollte Minister Clement in diesen Fragen wider Erwarten Wissenslücken haben, dann könnte er sich jederzeit Rat holen, etwa bei Horst Köhler, dem heutigen Bundespräsidenten, der zur Zeit des Zusammenbruchs der DDR-Wirtschaft als Staatssekretär in Theo Waigels Finanzministerium verantwortungsvolle Aufgaben bei der Vorbereitung der Währungsunion und bei der Beaufsichtigung der Treuhand zu lösen hatte. Wenn dieser wollte, könnte er gewiß schöne Beispiele nennen, wie hart um die Beseitigung der ostdeutschen Industrie gerungen wurde, unter anderem durch die segensreiche Arbeit der Liquidatoren. Falls das Staatsoberhaupt sich zu derartiger Auskunft nicht bereit erklären sollte, könnte sich der Wirtschaftsminister gleich die Bundestagsdrucksache 12/8404 vorlegen lassen, die den »Bericht des Sekretariates des 2. Untersuchungsausschusses ›Treuhandanstalt‹ nach Artikel 44 des Grundgesetzes« enthält. Hier fände er ziemlich exakte, wenn auch unvollständige Angaben zur Art und Weise der Liquidation von 3244 DDR-Betrieben im Zeitraum von Juni 1991 bis Februar 1994. Allein dadurch wurden Hunderttausende von Arbeitern und Angestellten in die Arbeitslosigkeit gestoßen. Diejenigen, die im Auftrag der Treuhandanstalt das Geschäft der Beseitigung der ostdeutschen Industrie besorgten, eben die Liquidatoren, wurden fürstlich entlohnt. Im Durchschnitt erhielten sie Honorare von 1 551 576 DM, die zehn höchstbezahlten, die sogenannten Top-Liquidatoren, kassierten bis Februar 1994 zusammen 121 728 998 DM, was einen Durchschnitt von 12,1 Millionen Mark ergibt. Die von der Treuhand bestellten Liquidatoren lebten gewissermaßen schon nach dem Grundprinzip des Kommunismus: »Jeder nach seinen Leistungen, jedem nach seinen Bedürfnissen«, zumindest was den zweiten Teil dieser Maxime betraf. Diesen Akt von vorgezogenem Kommunismus hatte der Sozialdemokrat Wolfgang Clement natürlich nicht im Auge, als er die Verantwortung für das »empfindlichste Übel« in Deutschland auf die »Hinterlassenschaft der Kommunisten« schob. Wie überzeugend seine Argumentation allerdings wirkt, ist in den letzten Wochen, vor allem montags, auf den Straßen und Plätzen in ostdeutschen und mittlerweile auch in westdeutschen Städten zu beobachten.
Erschienen in Ossietzky 17/2004 |
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