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Noch ist er nicht in Gesetzesform gegossen, aber Ideenfindungskommissionen haben bereits tiefgehende Überlegungen angestellt, wie das Denkmal gestaltet werden könnte, das an die »friedliche Revolution« von 1989, die glückliche Wiederherstellung der deutschen Einheit und daran erinnern soll, was durch das Ende der DDR gewonnen worden sei. Wie aus gewöhnlich gut informierten Kreisen der Bundeshauptstadt verlautet, tendieren sie in Richtung einer figürlichen Darstellung. In die engere Wahl sollen bislang Früchte, sogenannte Einheitsfrüchte, gelangt sein, unter anderem ein Apfel und ein Ei zur ständigen dankbaren Erinnerung an den Preis, mit dem das westdeutsche Kapital bereitwillig das volkseigene DDR-Vermögen übernommen hat; eine Banane als Symbol des den Ostdeutschen in den »ersten freien Wahlen« seitens der etablierten Parteien der Altbundesrepublik versprochenen »Wohlstandes für alle«; eine Ananas zum immerwährenden Gedenken an Wolfgang Schäubles ostdeutschen Handlanger bei der Vorbereitung des Einigungsvertrages, des zu Unrecht nahezu vergessenen Günter Krause, genannt Ananas-Krause, der es nach eigener Aussage nicht erwarten konnte, mit seiner Familie täglich Butterbrot mit dieser köstlichen Frucht essen zu können; eine Birne als Denkmalsform mit zweifacher Symbolik, vermag sie doch sowohl an den Kanzler der Einheit als auch an die Abrißbirne zu erinnern, mit der die ostdeutsche Industrie plattgemacht wurde. Zudem würde sie dezent darauf hinweisen, wie der Ort des Denkmals von staatssozialistischem Bauwerk freigeschlagen wurde. Schließlich soll das Einheits- und Freiheitsmonument nicht irgendwo, sondern da errichtet werden, wo heute noch der Palast der Republik steht – oder das, was von ihm übrig gelassen wurde. Sein endgültiger Abriß wird so zum Prolog des Denkmalbaues und zugleich zu einem illustrativen Beispiel für die Mentalität der Vorkämpfer für Einheit und Freiheit. Mit dem Palast ist Seltsames geschehen. Auf ihn fokussiert sich der Haß der Gegner jener Republik, die ihn geschaffen und ihm den Namen gegeben hatte. Nach der Zerschlagung der DDR soll auch das Bauwerk niedergerissen und durch die Nachbildung eines Königsschlosses ersetzt werden. Nachdem die Abgeordneten der Übergabe-Volkskammer 1990 den Palast der Republik wegen Asbestgefahr fluchtartig verlassen und geschlossen hatten, wurde er Zug um Zug kaputtsaniert und mit einem Aufwand von 140 Millionen DM in die teuerste Ruine Europas verwandelt. Für weitere 20 - 60 Millionen Euro soll das Gebäude endgültig abgetragen werden, obwohl der Asbest beseitigt ist und das intakte Skelett, die Bodenwanne und die in Europa noch immer einzigartige technische Basis einen Wert darstellen, der die Abrißkosten um ein Vielfaches übersteigt. Für den weltberühmten niederländischen Architekten Rem Koolhaas ist es »ein Verbrechen, den Palast der Republik nicht zu retten«, der CDU/CSU dagegen kann er nicht schnell genug verschwinden, denn nach ihren Vorstellungen soll, solange das Geld für den Wiederaufbau des Hohenzollern-Schlosses nicht reicht, auf dem freigewordenen Raum Rollrasen ausgelegt werden, und auf diesem soll sich dann das schöne Denkmal erheben. Mit diesem Ziel wurde im Bundestag der Antrag »Abriß des ›Palastes der Republik‹ nicht verzögern« eingebracht. Die Aufgabe, ihn zu begründen, fiel einer ausgewiesenen Fachkraft zu: Renate Blank, Abgeordnete der CDU und passenderweise Präsidiumsmitglied im Deutschen Nationalkomitee für Denkmalschutz. Versiert und resolut brandmarkte sie den »Zirkus um das Gebäude« und das Schwelgen in »Nostalgie«, bei der man »die Grausamkeiten eines unerbittlichen Regimes« vergesse (womit sie aber nicht etwa die nostalgische Begeisterung für das Königsschloß und die Verdrängung der Grausamkeiten des preußischen Militarismus meinte). Aus ihrer sachkundigen Sicht war das vielbesuchte Haus des Volkes – das neben der Volkskammer auch ein Theater, eine Kunstgalerie, Gaststätten und vieles mehr enthielt – lediglich »Honeckers altes Protzgebäude«, das »neben seiner äußerlichen Häßlichkeit immerhin das Schaufenster einer Diktatur« gewesen sei und schnellstmöglich abgerissen gehöre, denn: »Worte sind genug gewechselt, laßt mich auch endlich Taten sehen, möchte ich mit Goethe schließen.« Beifall ihrer Fraktion. In so origineller Weise beim Weimarer Dichterfürsten angelangt, hätte die Rednerin auch noch dessen berühmte Worte »Solch ein Gewimmel möcht’ ich sehn, auf freiem Grund mit freiem Volke stehn« anführen können, damit wir uns schon jetzt eine Vorstellung von der Feier zur Denkmalseinweihung machen können. Denn von Nord und Süd, von Ost und West werden die Menschen herbeiströmen, vor allem die Ostdeutschen, unter ihnen die vigilanten Einheitsgewinnler aus Politik, Wirtschaft und Medien, aber auch die Arbeitslosen aus den zerstörten Zentren des sächsischen und anhaltinischen Maschinenbaus, die tapferen, doch letztlich hintergegangen ehemaligen Kalikumpel aus Bischofferode, die in die Wüste geschickten und ihrer Existenzgrundlagen beraubten Wissenschaftler und Künstler, die einsamen Alten aus der Uckermark und der Lausitz, deren Kinder und Enkel auf der Suche nach Arbeit gen Westen zogen, und viele, viele andere. Sie alle werden sich unendlich dankbar daran erinnern, was ihnen das Ende der DDR und die Einheit gebracht haben: Vereins- und Meinungsfreiheit, Reisefreiheit (so man Geld hat), konvertible Währung, erneuerte Stadtzentren, glatte breite Autobahnen und leuchtende Häuserfassaden, Kaufhof und Aldi, Westautos und immer Bananen. Im Vergleich dazu sind die weniger angenehmen Einheitsfolgen – wie entschädigungslose Enteignung des Volkseigentums, Arbeitsplatzvernichtung, ausufernde Bürokratie, Obdachlosigkeit, soziale Unsicherheit, nichtgekannte soziale Klüfte, Ungleichbehandlung bei Renten, Gehältern und Löhnen, Rückkehr zu schon vergessenen Bildungsprivilegien, Gewalt und Drogen an den Schulen, Anstieg der Kriminalität und noch so manche schöne Errungenschaft kapitalistischer Profitwirtschaft – geradezu Lappalien. Wo das Licht der Freiheit leuchtet, ist eben auch Schatten. So wird dann auch in dem feierlichen Moment, wenn das verhüllende Tuch fällt und sich das Denkmal, sei es in Apfel-, Bananen-, Ananas-, Birnen- oder sonstiger Form, dem Auge des Betrachters bietet, aus der vielköpfigen Menge ein ohrenbetäubendes Freudengeheul erklingen, nur noch vergleichbar mit dem »Wir-sind-ein-Volk«-Ruf in der Endphase der DDR. Dieser Jubel dürfte sich noch steigern, wenn über die Lautsprecheranlagen noch einmal die bekannten Stimmen aus der Wendezeit im Originalton erklingen, die des Einheitskanzlers: »Den Deutschen in der DDR kann ich sagen...: »Es wird niemandem schlechter gehen als zuvor – dafür vielen besser... Für die Deutschen in der Bundesrepublik gilt: Keiner wird wegen der Vereinigung auf etwas verzichten müssen«; seines Finanzministers Theo Waigel: »Die Finanzierung des Vereinigungsprozesses… ist eine gut gelungene, großzügige und finanzpolitisch glänzende Alternative... Es bleibt dabei: Die Steuerzahler müssen kein Sonderopfer für die deutsche Einheit bringen«; des SPD-Fraktionsvorsitzenden in der Volkskammer und späteren Beinahe-Bundespräsidenten Richard Schröder: »Wir rechnen nicht mit Dauerarbeitslosigkeit, sondern mit einer Arbeitslosigkeit der verlängerten Arbeitsplatzsuche«; des SPD-Ehrenvorsitzenden Willy Brandt: »Nun wächst zusammen, was zusammen gehört«; des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker: »Sich zu vereinen, heißt teilen lernen... Und die Freude, die Freude, die wir empfinden, sie ist ein Götterfunken.« Mit dem »Götterfunken« könnte die Feier zur Einweihung des Monuments und zur Erinnerung an das Glück der Einheit enden. Ergreifend und symptomatisch, denn Funken sind wie das Glück kurzlebig. Was geschieht mit dem Monument, wenn tatsächlich an gleicher Stelle das Schloß wiederaufgebaut wird? Ist dann Schluß mit »Einheit und Freiheit«?
Erschienen in Ossietzky 16/2004 |
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