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Davon abgesehen enthält die postalische Aufmerksamkeit aus dem Willy-Brandt-Haus folgende Botschaft: »Angesichts der Spekulationen der letzten Zeit betrachte ich die Zusagen von DGB und Einzelgewerkschaften als besonders wichtig, Initiativen, Wahlbündnissen oder Parteien keinerlei logistische und infrastrukturelle Hilfe für Neugründungen zu geben, die gegen die bestehenden demokratischen Parteien gerichtet sind. Laßt keine Mißverständnisse entstehen.« Was will uns Franz Müntefering da mitteilen? Daß sich der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften, weil sie als Einheitsgewerkschaften konstituiert sind, nicht in den Dienst einer Partei stellen dürfen? Das wäre zwar richtig, aber hat nicht gerade die SPD für ihre Wahlkampagnen gern gewerkschaftliche Hilfe angenommen? Der SPD-Vorsitzende hat etwas anderes im Sinn: Er will Mitglieder und ehren- oder hauptamtliche Funktionäre der DGB-Gewerkschaften davon abschrecken, sich in Wahlbündnissen oder Initiativen zu engagieren, die mit seiner Partei konkurrieren oder zur Konkurrenz werden könnten. Und damit ein nachhaltiger Schrecken entsteht, nennt er die schon bestehenden Parteien »demokratisch«, als wären Neugründungen weniger oder gar nicht demokratisch. Da hat ihm der zuständige Referent im SPD-PV ein fatales Wortspiel in das Schreiben eingebaut. Wären nicht Sommerferien, so hätte man vom DGB-Vorsitzenden auf das Müntefering-Schreiben hin ein klärendes Wort für die Öffentlichkeit erwarten dürfen: daß die DGB-Gewerkschaften bekanntlich frei von parteipolitischen Bindungen seien und Gewerkschaftsmitglieder deshalb selbstverständlich das Recht hätten, sich für oder gegen die bestehenden und ebenso für oder gegen neu entstehende Parteien oder Wahlbündnisse einzusetzen – immer vorausgesetzt, daß diese Organisationen die Grundwerte unserer Verfassung respektieren (wobei man dann freilich ins Grübeln darüber kommt, wie es denn beispielsweise im Hinblick auf die Sozialordnung und die Militärpolitik um die Verfassungstreue der, wie Müntefering schreibt, »bestehenden demokratischen Parteien« bestellt ist). Zu Wort gemeldet haben sich, was die Sorge des SPD-Vorsitzenden angeht, einige prominente Spitzenfunktionäre von Einzelgewerkschaften. Laut Associated Press hat der zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber, die Funktionäre seiner Gewerkschaft »nachdrücklich vor dem Eintritt in eine neue Partei links von der SPD gewarnt«. Die Presseabteilung beim Hauptvorstand der IG Metall hat mir die Richtigkeit dieser Nachricht bestätigt. Bis dahin hätte ich Huber für zu klug gehalten, sich derart über eine gewerkschaftliche Regel hinwegzusetzen, denn selbstverständlich ist es nicht Sache eines Gewerkschaftsvorsitzenden, Mitglieder seiner Organisation davon abzuhalten, dieser oder jener Partei beizutreten, oder sie dazu anzuhalten, in dieser oder jener Partei zu verbleiben; darüber dürfen sie nach unserem Grundgesetz selber entscheiden. Ein bißchen geschickter haben es die beiden Vorsitzenden der Industriegewerkschaft Bergbau, Energie, Chemie angefangen, Hubertus Schmoldt und Ulrich Freese. In einem Offenen Brief an die Gewerkschaftskolleginnen und kollegen fragen sie: »Können wir uns etwas von der beabsichtigten Neugründung einer Partei links der SPD versprechen?« Wir können es nicht, sagen sie, und zwar aus drei Gründen: Erstens kämen »zusätzliche Auseinandersetzungen« in den DGB, zweitens fehlten dann der SPD bei der Wahl Stimmen für eine erneute Mehrheit, und drittens handele es sich bei den Betreibern des Projekts Wahlalternative, wie »eine Berliner Tageszeitung zutreffend kommentiert« habe, »um alte Leute mit überholten Ideen«. Da wird also nicht einfach nur »gewarnt«, sondern es werden Argumente aufgezählt; eigenen gedanklichen Aufwand haben die beiden Spitzenkollegen freilich nicht betrieben, und mit dem Herunterputzen »alter Leute« sollten sie wohl etwas vorsichtiger sein. Was sich da abspielt, wirkt deprimierend: Mit tatkräftiger Hilfe einer SPD-geführten Bundesregierung wird den Gewerkschaften der Boden entzogen, auf dem sie bisher operiert haben. Immer mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entziehen deswegen der sozialdemokratischen Partei das Vertrauen. Einige versuchen, eine wahl- und parteipolitische Alternative zu entwickeln. Und da fällt hochrangigen Gewerkschaftsvorständlern nichts besseres ein, als die Rolle von politischen Schäferhunden zu übernehmen, die bellend die sozialdemokratischen Schäflein zusammenhalten sollen, mit Franz Müntefering als dem sorgenvollen Hirten. Der SPD wird das wenig helfen. Den DGB-Gewerkschaften aber wird es schaden. Die große Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder wünscht nicht, daß ihre Organisation als Hilfstruppe einer Partei eingesetzt wird. Und es kann nicht in ihrem Interesse sein, wenn die Gewerkschaften durch einige Spitzenfunktionäre, die sich an die abstürzende SPD klammern, mit in den Abgrund gerissen werden.
Erschienen in Ossietzky 16/2004 |
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