Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Antworten
Horst Köhler, Verfassungsorgan. – Seit Ihrem Amtsantritt vergeht kaum ein Tag, an dem Sie unsere Befürchtungen nicht bestätigen. Es wird uns schwer fallen, Ihre neoliberalen Phrasen fünf Jahre lang zu ertragen. Vor Gesundheit strotzend werden Sie Ihre Amtszeit voll ableisten; ein Amtsenthebungsverfahren, wie Artikel 61 der Verfassung es vorsieht, ist angesichts des universellen Zuspruches, den Sie im Parlament genießen, ebenfalls höchst unwahrscheinlich. Aber damit das klar ist: Bei nicht wenigen Ihrer MitbürgerInnen erwächst die Duldsamkeit, die sie Ihnen entgegenbringen, weniger aus Respekt vor Ihnen als vor Ihrem Amt. Horst Köhler, Aufklärer. – Bei der Diskussion über Arbeitszeiten dürfe es kein »Tabu« geben – so Ihre bundespräsidiale Aufforderung. Diesmal stimmen wir Ihnen zu. Über Arbeitszeitverlängerung wird ja allenthalben geredet, da ist von Tabuisierung nichts zu merken, aber nun muss endlich über Arbeitszeitverkürzung gesprochen werden. Der technischen Entwicklung angemessen, ökonomisch sinnvoll und kulturell wünschenswert sind, wie in Ossietzky schon wiederholt dargelegt wurde, die Vier-Tage-Woche und der Sieben-Stunden-Tag. Tun Sie bitte also das Ihre, damit sachlich und zielführend darüber diskutiert wird. Gerhard Schröder, SPD-Mitglied. – Den Spitzen der evangelischen Kirche vertrauten Sie an, froh über den Fortgang von Johannes Rau aus dem Präsidentenamt zu sein. Der habe bei den regelmäßigen Privataudienzen immerzu nach fünf Minuten die Sachthemen beiseite geschoben: »Gerd, laß uns über die Partei reden. Ich mache mir große Sorgen um die SPD.« Da haben Sie wirklich Glück, daß ein Horst Köhler niemals in Ihre Partei einträte. Endlich können Sie mit dem Bundespräsidenten wieder Sachfragen klären: Wie haut man den Sozialstaat kaputt? Wie kommt Deutschland für immer in den UN-Sicherheitsrat? Wie bringt man die SPD unter fünf Prozent? Gerhard Schröder, Volljurist. – Immer wieder wollen die Medien von Ihnen wissen, ob denn nicht auch in der Bundesrepublik eine Volksabstimmung über den Entwurf einer Europäischen Verfassung möglich sei. Verärgert haben Sie Bescheid gegeben: »Bei uns verbietet es das Grundgesetz ausdrücklich, eine Volksabstimmung zu machen. Und wir werden natürlich unsere Verfassung achten.« Es ehrt Sie, daß Sie sich jetzt entschlossen haben, auf den Willen des Grundgesetzes Rücksicht zu nehmen. Aber Sie hätten sich den Text unserer Verfassung vorher noch mal ansehen sollen. In Artikel 20 steht, daß die Staatsgewalt vom Volke über Wahlen und Abstimmungen ausgeübt wird. Gerhard Schröder, Erkenntnistheoretiker. – Was ist Ideologie? Die Wissenschaft zerbricht sich immer noch den Kopf über diese Frage. Jetzt haben Sie dazu ein Kanzlerwort gesprochen, und zwar an die Adresse der Gewerkschaften: Die müßten einsehen, daß ein Beharren auf tarifvertraglicher Wochenarbeitszeit von 35 Stunden »Ideologie« sei, die Menschen verunsichere und der Volkswirtschaft schade. Anders steht es, das wissen wir ja, um die unternehmerischen Forderungen nach 40 oder 50 Arbeitsstunden pro Woche. Die sind unideologisch, nüchtern, sachlich, ganz an den Fakten orientiert – wer wollte schon meinen, der Profit sei bloß ein gedankliches Trugbild. Hans-Ulrich Wehler, Spitzenhistoriker. – Dem Bundeskanzler geben Sie den Rat, die Agenda-Politik unbeirrt fortzusetzen und sich »von keinem noch so schrillen Aufschrei« beirren zu lassen, denn da handele es sich nur »um die Empörung von Status-quo-Genießern, die jede noch so unumgängliche Besitzstandsschmälerung als Verletzung der sozialen Gerechtigkeit diffamieren«. Wir empfehlen dem Bundespresseamt, Ihre Äußerung allen Sozialhilfeempfängern zur Kenntnis zu geben, zugleich aber auch anzumerken, mit welch knappem Salär ein emeritierter Geschichtsprofessor wie Sie auskommen muß. Sonst könnte die schrille Idee aufkommen, auch Ihnen und Ihresgleichen wäre eine Besitzstandsschmälerung zumutbar. Peter Glotz, Analyst. – Bei Spiegel-online warnen Sie die SPD, deren Bundesgeschäftsführer Sie einmal waren, vor einer Linkskampagne mit dem Ziel, Wahlerfolge zu erreichen: »Man kann zwar gegen einzelne Vertreter der Wirtschaft regieren, gegen Herrn Henkel oder Herrn Rogowski, aber nicht auf Dauer gegen die Ökonomie.« Wo genau der Unterschied zwischen den realen Henkels und Rogowskis einerseits und der abstrakt benannten Ökonomie andererseits liegen soll, erklären Sie leider nicht. Doch Ihre Bemerkung läßt erkennen, wo hierzulande die politische Macht liegt: nicht bei den WählerInnen. Auch nicht bei den Parteien. Warum waren Sie eigentlich jemals in der SPD, wenn die sowieso nichts zu melden hat? Björn Böhning, Jugendführer. – Als Bundesvorsitzender der Jungsozialisten in der SPD wenden Sie sich mit aller Strenge gegen das Projekt einer neuen Linkspartei. Das ist verständlich, schließlich können Sie auf einen Listenplatz bei Ihrer Mutterpartei hoffen. Aber Ihr Hauptargument gegen die »Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit« macht uns stutzig: Die sei ein »Club alter Männer«, Teil eines »finalen Kampfes einer überholten Generation«. So werden wir also mit einem Aufstand der Massen von SPD-Jungsozialisten rechnen müssen, der alle linken Traditionalisten hinwegfegt. Und mit Björn Böhning als dem Idol der kommenden Generation. Franz Müntefering, Parteiseele. – Sie fordern Fernsehduelle, aber nicht mit der CDU, die eh dasselbe will wie Sie, sondern mit den Gewerkschaften, um deren angespanntes Verhältnis zu Ihrer Partei zu entkrampfen. Klug gedacht: So könnten Sie Gemeinsamkeiten mit den Gewerkschaftern einklagen, deren Forderungen und Aktionen aber vor großem Publikum anprangern. Wenn Sie Pech haben – und das wollen wir doch hoffen –, werden Sie als ein schnellzüngiger Demagoge entblößt, der dem Volk die Politik Rogowskis, Schröders und Clements so verkauft, als wäre es die des Volkes selber. Angela Merkel, ostdeutsches Erfolgsmodell. – Zu Ihrem fünfzigsten Geburtstag wurden Sie gefragt, wie Sie sich denn so fühlen und wie Sie Ihren bisherigen Lebensweg bewerten. Der Main-Post haben Sie gesagt, Sie seien »mit sich selbst im Reinen und optimistisch für die Zukunft«. Und dann auch: »Ich schaue zurück auf fünf gute Jahrzehnte.« Das spricht für Ihre Selbstgewißheit. Sie haben es nicht mehr nötig, so zu tun, als wäre es Ihnen im Honecker-Staat elend ergangen. Angela Merkel, Familienmensch. – Was Ihre Zukunft betrifft, so erfahren wir durch das Berliner Boulevardblatt B.Z., daß Sie gern mehr mit Ihrem Mann zusammensein möchten. Aber bitteschön. Warum nicht? Warum nicht viel mehr? Warum nicht immerzu? Wenigstens an Wochenenden – dann blieben uns schreckliche Sonntagsreden erspart. Claus Strunz, Stolzdeutscher. – Otto Rehagel will nicht Trainer der deutschen Fußball-Nationalelf werden. Das ist sein gutes Recht. Sie aber stellen den eben noch vergötterten Trainer der griechischen Europameister-Mannschaft an den Pranger des Springer-Blattes Bild am Sonntag und behaupten, Rehagel »hatte die Chance, den Knoten made in Germany zu durchschlagen. Nur eine Antwort wäre nach dem traurigen Vorspiel richtig und ehrenhaft gewesen: Ja, ich will! Er sagte: Nein!« Kann es sein, daß er Nein sagte, weil hierzulande Journalisten wie Sie ihn in eine nationale Führerrolle drängen wollen, in der er sich immerzu »richtig und ehrenhaft« verhalten müßte?
Erschienen in Ossietzky 15/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |