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Zu Erich Kästners 30. Todestag am 29. Juli jubilieren seine uralten Feinde: Einem erfolgreichen Kriegsbrandstifter haben sie den Erich-Kästner-Preis 2004 verliehen. »Presseclub Dresden ehrt Hans-Dietrich Genscher / Erich-Kästner-Preis für Verdienste als Wegbereiter der Entspannungspolitik in Deutschland und Europa«, meldete die Nachrichtenagentur ddp Anfang Juli. Der Presseclub wurde 1991 von dem aus Schleswig-Holstein importierten Marketingdirektor der Dresdner Stadtsparkasse, Henning A. Thiemann, gegründet, seit 2000 führt ihn Dieter Hoefer weiter an, der Öffentlichkeitsarbeiter der Dresdner Volksbank. Bei der Verleihungszeremonie würdigte Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt den neuen Erich-Kästner-Preisträger als einen Politiker, der es meisterhaft verstehe, Menschen für sich und seine Ideen zu begeistern. Genscher dankte: »Wir als Europäer können beim Bau der neuen Weltordnung sehr viel beitragen.« Das hat er getan, als er zusammen mit Kohl gegen den Rest Europas, gegen die UNO und gegen die damalige Politik der USA Kroatien und Slowenien als selbständige Staaten anerkannte, also Jugoslawien zerschlug und in seine drei Kriege trieb. Dafür begeht man in Dresden, wo Erich Kästner nichtsahnend geboren wurde, seinen dreißigsten Todestag als Jubelfeier. Am 29. Juli 1929, 75 Jahre ist es her, erschien in der Weltbühne »Die andere Möglichkeit«. Ich kenne dieses Kästner-Gedicht gut. Ich habe es am eigenen Leib erfahren. Seine neun Strophen haben mich vor 49 Jahren zum Journalisten gemacht. In Würzburg, wo ich studierte, rottete sich im September 1955 der »Verband ehemaliger Fallschirmjäger« zu einem Bundestreffen zusammen. Zur Begrüßung der Ehemaligen hängte ich in der Mensa, wo auch sie zu Mittag aßen, in den Schaukasten des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) neben einen Tucholsky-Text das Kästner-Gedicht, das unerträglich für sie war. Der Chef des Studentenwerkes, dem die Mensa unterstand, nahm mit seinem Zweitschlüssel beide Gedichte aus dem Kasten. Das Essengeschäft mit den Fallschirmjägern sei für das Studentenwerk unentbehrlich, sagte er, und die hätten schon gedroht, die Scheibe einzuschlagen. Ich ging hin, in die überfüllten »Huttensäle«, wo die Fallschirmjäger sich in Szene setzten. Aus dem Kriegsverbrechergefängnis mit Rücksicht auf die Wiederaufrüstung vorzeitig entlassen, wurden Generalfeldmarschall Albert Kesselring und Fallschirmjägergeneral Bernhard Ramcke auf den Schultern der Fallschirmjäger durch den Saal getragen. Tosende Sprechchöre forderten sie ans Rednerpult und ließen den toten Mussolini, für den Kesselring gemordet hatte, hochleben. Es war wie im Irrenhaus, das Kästner in seinem aus dem Schaukasten herausgenommenen Gedicht beschrieben hatte:
Wenn wir den Krieg gewonnen hätten, Am Ende stimmte die Musikkapelle das dazugehörige Deutschlandlied an. Über alles natürlich. Wenn ich dabei sitzen bleibe, schlagen sie mich zusammen, dachte ich und versuchte, mich schnell davonzumachen. Vier Fäuste packten mich, hielten mich fest, ich mußte mir unter Drohungen das schreckliche Annexionslied anhören. Aus einer Ecke ertönte auch das als Zusatzstrophe geläufige Horst-Wessel-Lied. Doch bevor »SA marschiert mit ruhig festem Schritt« erreicht war, stimmte die Kapelle eilends das Fallschirmjägerlied an. Ich konnte mir – eisern festgehalten – die Ohren nicht zuhalten. Erst danach kam ich – unter Beschimpfungen – frei. So wurde ich Journalist. Die Andere Zeitung, das von zwei aus der SPD ausgeschlossenen Vorwärts-Redakteuren herausgegebene Wochenblatt in Hamburg, veröffentliche meine erste Reportage über das Fallschirmjägertreffen. Und ich Ahnungsloser fand damals Trost in Kästners letzter Zeile: Wenn wir den Krieg gewonnen hätten –
1932 wurde der Band von der Deutschen Verlagsanstalt wiederaufgelegt. Das Gedicht: »Herbst auf ganzer Linie« (»… das Spiel ist ganz und gar verloren…«) stand dort, wo 1930 noch »Die andere Möglichkeit« gedruckt worden war. Kästner schrieb die Anmerkung: »Das Gedicht wurde bis auf weiteres zurückgestellt.« Nachdem das Weitere 1945 erledigt war, tauchte das Gedicht 1959, vier Jahre nach seiner Wegnahme aus dem Würzburger SDS-Schaukasten, in der Neuauflage des Zürcher Atrium-Verlags wieder auf. Kästner vermerkte darunter: »Nun haben wir schon wieder einen Krieg verloren…« Genscher hat den von ihm entfachten Krieg 1999 mit Hilfe von Rotgrün gewonnen. Und jetzt auch noch den Erich-Kästner-Preis 2004 unter Beihilfe der Sparkassengewaltigen des Dresdner Presseklubs. Doch Kästner, seit dreißig Jahren tot, ist, gottlob, nicht in Dresden begraben.
Erschienen in Ossietzky 15/2004 |
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