P.P.Z.

Klaus Waterstradt

Peter Paul Zahl, den Älteren aus der Aufbruchzeit der 60er/70er Jahre noch bekannt – viele gingen damals auf die Straße, manche kamen mit der Obrigkeit ins Handgemenge, einzelne schossen sogar –, wurde deshalb im Jahr 1975 zu 15 Jahren Haft verurteilt. 1980 wurde ihm der Bremer Literaturpreis für seinen im Knast geschriebenen Roman »Die Glücklichen« verliehen. Er erhielt Hafturlaub zur Entgegennahme des Preises. 1982 wurde er vorzeitig entlassen. 1988 hatte sein Schillerstück »Fritz – a german Hero« Premiere. 1989 erschien sein Aufsatzband »Der Staat ist eine mündelsichere Kapitalanlage«, 1997 der satirische Science-Fiction-Roman »Das Ende Deutschlands«, 1998 die Komödie »Don Juan oder der Retter der Frauen«. Die schwarze Komödie »Die Erpresser« wurde vom Kultusministerium Stuttgart mit 10 000 DM gefördert. Es folgten das Kinderstück »Der Meisterdieb«, die Farce »Unser Faust«, schließlich 2002 der Schelmenroman »Der Domraub«.

Als P.P.Z. in der Roten Fabrik in Zürich aus »Die Glücklichen« las, urteilte der dortige Tagesanzeiger: »Ein erstaunliches Buch, ein Roman von erstaunlicher Fülle und Vielfalt über die Zeit der außerparlamentarischen Opposition. Sigrid Löffler sagte dazu: Eine phantastische Wiederbeschwörung des Traums von der alternativen nachbürgerlichen Existenz«, und die Nürnberger Nachrichten priesen: »Was da in 20 Kapiteln erzählt wird, mit Meisterschaft und mit allen literarischen Stilmitteln, das fasziniert, das packt, das macht betroffen und wütend.«

Soviel zur Literatur. In Ratingen ist er geboren, dort leben zwei seiner Kinder. 1985 kaufte er ein Häuschen auf Jamaika, wo er auch zwei Kinder hat. Er pendelte zwischen den beiden Lebensbereichen hin und her, schrieb dort einige Bücher, hielt hier Kontakte zu seinen Verlagen und machte Lesungen.

1994 veranlaßten ihn die Zöllner auf Jamaika, zur Vereinfachung der regelmäßigen Formalitäten doch die dortige Staatsbürgerschaft zu beantragen. (Viele Bewohner haben zwei Pässe.) Das tat er auch und erhielt 1995 den jamaikanischen Paß. Was er nicht beachtet hatte, war, daß er in der BRD ein Antragsformular zur Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft hätte ausfüllen müssen – ich hätte es auch nicht gewußt. So wurde ihm bei seiner Ankunft auf Jamaika im Jahre 2001 sein deutscher Paß auf der deutschen Botschaft in Kingston abgenommen und einbehalten. Auf seine Rückfrage erhielt er die Auskunft, daß er kein deutscher Staatsbürger mehr sei, und das rückwirkend seit 1995.

Er schrieb einen persönlichen Brief an den deutschen Außenminister in Erinnerung an die Frankfurter Zeit »Lieber Joschka...« und erhielt vom Referenten »im Auftrage« die lakonische Antwort, daß die Botschaft in Kingston rechtens gehandelt habe. Statt daß der Formfehler, der es tatsächlich war, ausgebügelt worden wäre, begann nun die Lawine zu rollen. P.P.Z. machte seinen Brief öffentlich und klagte vor dem Verwaltungsgericht auf Wiedererlangung der deutschen Staatsbürgerschaft.

Das war natürlich für ihn auch von lebensnotwendigem wirtschaftlichem Interesse. Weil man ihm in seinem jamaikanischen Paß in das Visum für die Schengener Staaten den Stempel eindrückte: »Erwerbstätigkeit nicht gestattet«, kam er in bedrohliche finanzielle Schwierigkeiten. Viele Freunde und Schriftstellerkollegen setzten sich für ihn ein, die Erich-Mühsam-Gesellschaft annoncierte in der Tageszeitung junge Welt, daß er auf Jamaika eine Ferienwohnung anbot, kürzlich las man, nach einem ersten Bericht in konkret, auch im Spiegel und in der taz von dem abenteuerlichen Verlauf. Das Bundesverwaltungsamt teilte ihm Anfang des Jahres 2004 mit, daß seine im Bundeszentralregister eingetragene Strafe ein Einbürgerungshindernis sei und daß eine Bearbeitung des Einbürgerungsantrages erst nach der Tilgung dieser Eintragung Ende Mai 2004 möglich sei.

Seitdem erfährt er nichts.

Und in welchem Sinne wird der Antrag nun wohl – so langsam als möglich – bearbeitet werden? Wir ahnen es, seitdem wir wissen, was der Vertreter des Auswärtigen Amtes schon in seiner Klageerwiderung geschrieben hat: Der Kläger sei nicht zum Besitz eines deutschen Reisepasses berechtigt, solange nicht seine Eigenschaft als Deutscher feststeht. Damit nahm die im Ganzen schon bedauerliche Geschichte – oder ist sie typisch deutsch? – groteske Züge an. Was ist eine Deutscheneigenschaft? Etwa ein Lebenslauf à la Georg Büchner?

Erschienen in Ossietzky 15/2004