Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Von Banken und BänkenMonika Köhler »Quem Matou Herzog?« – Wer tötete Herzog? Fragt ein roter Stempel-Aufdruck auf einem Cruzero-Schein der Banco Central do Brasil. Vladimir Herzog, ein kritischer Journalist, wurde im Gefängnis von brasilianischer Militärpolizei umgebracht. Gerüchte, er habe sich selbst aufgehängt – gezielt verbreitet. Diesen Hintergrund muß kennen, wer das Exponat von Cildo Meireles verstehen will. Der Hamburger Kunstverein zeigt (bis 19. September) seine provozierenden Objekte und Installationen. Meireles, schon mehrfach auf der Documenta vertreten, versucht, wie er es nennt, »Eingriffe in ideologische Kreisläufe«. Er wertet den US-Dollar ab, indem er ihn täuschend echt zum »Zero«-, also Null-Dollar macht. Die Coca-Cola-Flaschen mit portugiesischer Beschriftung tragen ein »Yankees go home«, unauffällig. Wird der Kreislauf der Pfandflaschen gestört? Gleich beim Eingang: »Occasion«, die »Gelegenheit«. Wer den von drei Spiegeln eingegrenzten Raum betritt, findet nur einen alten eisernen Waschständer mit Emailschüssel. Darin liegt Geld: echte Euros in Münzen und Scheinen. Wer sich unbeobachtet glaubt, irrt. Die Geldwaschanlage ist vom Nebenraum durch einen Einwegspiegel sichtbar, vielfach gespiegelt. Der Wert von Stroh und der von Gold – kannte der Künstler deutsche Märchen? Im dunklen Raum: ein dicker Strohballen, von dünnen Goldfäden umfangen. Eine kostbare 18-Karat-Goldnadel soll irgendwo verborgen sein. Im ersten Stock eine große Installation, alles beherrschend. Über den Boden und durch mehrere Räume ziehen sich schwarze Fäden, ein undurchdringliches Gewirr, Spinnennetz. Entkommen unmöglich. Poetisch und politisch zugleich. Der Titel: »La Bruja«, die Hexe. In einer Ecke steht der Hexenbesen, dem alles entspringt. Die feinen Fäden und die Verflechtungen der Globalisierung. Die schwarzen Fangarme ziehen sich auch die Treppe hinunter bis vor die Tür des Kunstvereins. Doch die Straße überqueren sie nicht – bis zu den Banken und Hochhäusern gegenüber. * Nicht Banken – Bänke. »Architektur der Obdachlosigkeit« ist bis zum 29. August im Hamburger Museum der Arbeit zu sehen, das damit – wie es sehr gelungen formuliert – »die Zukunft von Arbeit, Freizeit und Wohnen im urbanen Raum« thematisieren will. Bänke sind Teil dieser Architektur, Bänke im Park, an Haltestellen, in U-Bahnhöfen. Acht Fotografen konfrontieren uns mit ihren verstörenden, manchmal aber fast pittoresk wirkenden Bildern. Wir lächeln, wenn wir das Bäumchen mit Zahnbürstenbehälter in der freien Natur sehen. Weil wir nicht wissen, wo es steht. Die Informationen zu den ausgestellten Bildern sind meist zu dürftig. Obdachlose in Kambodscha, immer wieder vertrieben aus Gebieten, die minenverseucht sind. Ein Eunuch in Indien, der sich auf dem Friedhof seiner Ahnen niederläßt und sich mit Tieren umgibt. Am liebsten würde er ein Waisenhaus für Mädchen gründen. Wir sehen ihn in Frauenkleidern inmitten von kleinen Enten. Ganz andere Bilder vom Hamburger Fotografen Andreas Herzau. Leere Bänke, aufgereiht vor einer kahlen Wand, neben jeder Bank ein Abfallbehälter – ein Warteraum für Obdachlose. Und worauf wird geschlafen? Geblümte Matratzen und graue Decken mit der Aufschrift »Bundeseigentum« – auf daß sie nicht den Besitzer wechseln. Der Besucher wird an Orte geführt – Tokio oder Hongkong –, die glatt und sauber, neonlichtdurchflutet sind. Ein U-Bahnhof vielleicht, ein Mensch schläft auf einem kleinen Absatz neben der Treppe, zu kurz für seine Beine. Gegen das helle Licht hat er sich einen Karton auf sein Gesicht gestülpt. Auch daneben Kartons. Sie stören die Ordnung der Architektur. Der braune Karton als Wohnung. So wie im Berliner Zoo bei den Menschenaffen? Am Abend werden dort schöne große Kartons verteilt, mit denen die Orang-Utans spielen, in die sie kriechen: Verstecke gegen die zudringlichen Blicke der Menschen. Zur Architektur gehören auch Plastiktüten, die Schrank sind oder Tasche oder Kopfkissen. Und Einkaufswagen, ein internationales Transportmittel, das hierzulande nur einen Euro kostet. Die Fotos von Boris Mikhailov, »Case History« (Krankengeschichte) genannt, wirken unmittelbar, auch ohne Erklärung. Es sind Dokumente aus der Ukraine. Wir sehen die Menschen nicht zugedeckt, sondern in anklagender Halb-Nacktheit, mit verzweifelten Gesichtern und Wunden auf der Haut. Diese Bilder schockierten Besucher, die sich im Gästebuch über die Entwürdigung der Menschen beschwerten. Doch nicht das Zeigen entwürdigt, sondern das Wegsehen. Was mich vor Jahren in New Delhi noch irritierte, wenn Menschen mitten auf der Straße schliefen – wir haben es längst auch bei uns. »Die Straße als Wohnort« wird in Stadtrundgängen angeboten, in Zusammenarbeit mit der Hamburger Obdachlosenzeitung »Hinz & Kunzt«, wo man Armut – und Zukunft – besichtigen kann. Wenn man es aushält.
Erschienen in Ossietzky 15/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |