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Die Waffe dieses angeblichen Terroristen ist das geschriebene Wort: Seymour Myron Hersh ist zur Zeit – wieder einmal – der renommierteste investigative Journalist der Vereinig-ten Staaten. Seit dreieinhalb Jahrzehnten verkörpert er das US-amerikanische Ideal des Einzelgängers, der für die Wahrheit kämpft, sich mit den mächtigsten Männern des Landes anlegt und – gewinnt. In einer Zeit, in der sich die nachwachsende Journalistengeneration dem Druck der Bush-Regierung beugt und jede Menge Hurra-Patriotismus verbreitet, zeigt ihr der 67jährige, welche Funktion die Presse in einer Demokratie wirklich zu erfüllen hat. Sie soll aufdecken, was sonst mit Ausflüchten, Verdrehungen und Lügen kaschiert wird; sie darf sich den Mächtigen nicht andienen; sie muß die Fakten sauber recherchieren. In zahllosen Artikeln für die New York Times und andere Zeitungen und bislang acht Sachbüchern hat sich der Publizist zwischen alle Stühle gesetzt: Mit nicht nachlassender, unnachgiebiger Sorgfalt analysierte er unter anderem das Leben Kennedys und Kissingers, Watergate, den Putsch in Chile, Israels Atomprogramm und den Konflikt zwischen Pakistan und Indien. Vor allem das konservative Establishment hat er als Linker mit seinen nüchtern geschriebenen Rekonstruktionen mancher geheimer Vorgänge immer wieder zur Weißglut getrieben. Doch niemals konnten ihm diese Kreise einen Fehler vorwerfen – nur einen, den er nicht gemacht hatte: Als er Mitte der Neunziger Jahre das Enthüllungsbuch »Kennedy. Das Ende einer Legende« vorbereitete, drehte man ihm gefälschte Dokumente an, die ein Schweigeabkommen zwischen JFK und Marilyn Monroe belegen sollten. Hersh zog die daraus resultierenden Passagen vor Drucklegung des Buches zurück. Dennoch stürzten sich seine Gegner darauf, um den Journalisten und sein Gesamtwerk kampagnenartig zu diskreditieren. Sie konnten aber nicht verhindern, daß sein Ruhm weiter zunahm. Der 1937 geborene Sohn polnisch-litauischer Einwanderer, die in Chicago eine Wäscherei betrieben, studierte Geschichte und ein bißchen Jura, bevor er den Journalismus als seine Berufung entdeckte und sich mit Neugier und Beharrlichkeit allmählich einen Namen machte. Immer wieder beschäftigte er sich mit Kriegsverbrechen der US-Armee. Während des Vietnamkrieges gelang ihm 1969 sein Meisterstück, als er das Massaker von My Lai aufdeckte, bei dem 350 Zivilisten ermordet worden waren. Als die Zeitschriften des Landes sich weigerten, seine Reportage zu drucken, verkaufte er sie an 36 Zeitungen – zu je 100 Dollar – und entfesselte einen weltweiten Sturm der Entrüstung. Er erhielt den Pulitzer-Preis und gilt seitdem als Starjournalist. Vor vier Jahren veröffentlichte Hersh einen Bericht über Kriegsverbrechen von US-Soldaten im Jahre 1991 im Irak. Allein an diesem Artikel recherchierte er ein halbes Jahr; um die Fakten abzusichern, interviewte er über 300 Personen. Seit den Anschlägen auf die Twin Towers und das Pentagon analysiert Hersh den »Krieg gegen den Terror«, exklusiv im New Yorker, einer liberalen Wochenzeitschrift, deren Auflage bei knapp einer Million liegt. Auch in diesem Krieg deckte er ein Verbrechen auf: den Folterskandal von Abu Ghraib, zeitgleich mit der Fernsehsendung Sixty Minutes. Hershs Aufsätze enthüllten den Hintergrund der Untaten; ihm stand ein geheimer Untersuchungsbericht der Armee zur Verfügung, mit dessen Hilfe – wie auch mit anonymisierten Aussagen ranghoher Militär- und Geheimdienstmitarbeiter – er die Vorgänge im Bagdader Gefängnis haarfein rekonstruierte. In einer Serie von bislang drei Artikeln (»Torture At Abu Ghraib«, »Chain of Command« und »The Gray Zone«) zeichnet Hersh das Bild eines Militärapparates, der in der Konfrontation mit einem schwer greifbaren Gegner Amok läuft. Wenige Monate nach dem 11. September 2001 ließ Verteidigungsminister Rumsfeld ein »schwarzes«, also streng geheimes Programm anlaufen, das der »weißen«, d.h. der offiziellen Welt zuarbeitet. Unter dem Codenamen »Copper Green« sind knapp 200 Mitglieder von CIA und Spezialeinheiten der Streitkräfte weltweit im Einsatz. Die Geheimdienstler dürfen – ohne dabei Spuren zu hinterlassen – in jedes Land der Welt eindringen, um Verdächtige zu ermorden, sie in geheime Verhörzentralen der CIA zu verschleppen oder sie vor Ort mit harten Foltermethoden zu befragen. Als der Widerstand im Irak gegen die US-Besatzung außer Kontrolle geriet, wurde »Copper Green« zu Massenverhören in Abu Ghraib eingesetzt und führte seine Regeln auch bei den dortigen Militärpolizisten ein – die nicht darauf trainiert waren, keine Spuren zu hinterlassen. Als ein unbeteiligter Soldat die Folterbilder sah, informierte er die armeeinterne Abteilung für Verbrechensbekämpfung. Daraufhin ermittelte die Armee ahnungslos gegen »Copper Green«, das Geheimunternehmen des Pentagon. Nicht einmal Rumsfeld konnte die Untersuchung aufhalten, da er von Rechts wegen die Existenz eines »schwarzen« Programmes nicht zugeben darf. Die Fotografien der gedemütigten Gefangenen sollten übrigens zu Erpressungszwecken verwendet werden, um ein Netzwerk von Spitzeln in die irakische Gesellschaft zu implantieren – wie bei Hersh nachzulesen ist. Bisweilen trifft er in seinen Artikeln mutige Voraussagen, die dann so nicht eintreffen. Und manchmal läßt er sich ein Stück weit von seinen Quellen mißbrauchen: »… daß Leute mich benutzen, um ihre Story an den Mann zu bringen: klar tun sie das.« Und dann ist da noch seine Rivalität mit Bob Woodward, seinem Kollegen aus New York Times-Zeiten, der zusammen mit Carl Bernstein Präsident Nixon stürzte und darüber einen Bestseller schrieb (höchst erfolgreich verfilmt unter dem Titel »Die Unbestechlichen«). Hersh will das auch: Noch einmal auf großen Fischfang gehen, um endlich einen Präsidenten ins Netz zu bekommen. Die Zeit wird knapp, aber die Lage ist günstig: Mit George W. Bush weiß er sich Auge in Auge mit einem der zwielichtigsten Männer, von denen die Vereinigten Staaten je regiert wurden. Darauf angesprochen, daß er zur Zeit vor allem den Verteidigungsminister angreife, den Präsidenten jedoch vernachlässige, sagte Hersh: »Wissen Sie, man muß Schritt für Schritt vorgehen.« Nach einer dramatischen Pause fügte er hinzu: »Meine Arbeit geht weiter.« Diese Arbeit bleibt nicht ohne Folgen. Das Eingangszitat stammt von Richard Perle, einem erzkonservativen Republikaner, der als Vorsitzender des Ausschusses für Verteidigungsplanung die Bush-Regierung auf den Irakkrieg und das Recht auf Präventivkriege einschwor. Hersh konnte im vorigen Jahr mit dem Artikel »Lunch With the Chairman« nachweisen, daß Perle seinen politischen Posten für die von ihm geleitete Sicherheitsfirma Trireme mißbraucht hatte: Bei einem Arbeitsessen mit saudischen Geschäftsleuten soll er angeboten haben, politischen Druck gegen Saudi Arabien einzustellen, falls sie 100 Millionen Dollar in sein Unternehmen investierten. Perle mußte den Vorsitz des Ausschusses niederlegen und ihn einige Monate später ganz verlassen. Der Nächste auf Hershs Liste ist Donald Rumsfeld. Der zappelt schon im Netz. Auf ihn soll ein noch größerer Brocken folgen: George W. Bush. Viel Glück auf Ihren Fischzügen, Mr. Hersh! Hershs hervorragende Aufsätze zum Irak-Krieg stehen auf der Internetseite »www.newyorker.com« in der Rubrik »FOLDER: The War in Iraq«.
Erschienen in Ossietzky 15/2004 |
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