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Da die meisten BürgerInnen mit den vier Buchstaben GATS nichts anfangen können, hat die attac-Regionalgruppe Jena-Weimar mit einer originellen Aktion versucht, ihre Bedeutung zu veranschaulichen: Sie verhüllte für einige Stunden das bekannte Goethe-Schiller-Denkmal in Weimar und informierte die BürgerInnen, daß sie es nur noch gegen Bezahlung sehen könnten. So sollte auf die Gefahr der weiteren Kommerzialisierung der Kultur hingewiesen werden. Den Theaterfreunden in und außerhalb Weimars ist sie schon bekannt. Hinter dem Denkmal befindet sich das Deutsche Nationaltheater, das in eine GmbH umgewandelt wird, weil weder die Stadt noch das Land noch der Bund in der Lage und bereit sind, es ausreichend zu finanzieren. Der nächste Schritt im Sinne des GATS könnte sein, daß es von einem transnationalen Medienkonzern übernommen und vermarktet wird. Und da im Nationaltheater 1919 die Nationalversammlung tagte, die der ersten deutschen Republik die Verfassung gab, liegt der Gedanke nahe, daß dieser Privatisierungstrend auch die Demokratie erfaßt. Unter seinem Einfluß hat sich die zweite deutsche Republik schon in einen »Wirtschaftsstandort« beziehungsweise eine »Deutschland-AG« verwandelt, weshalb der Sozialstaat oder die kommunale Selbstverwaltung ständig auf ihre Tauglichkeit für den globalen Wettbewerb »getestet« werden müssen. »Dergestalt redu- ziert, beginnt uns die Republik zu entschwinden, und allem Anschein nach wird dieser Verlust nicht einmal bemerkt.« (Günter Grass) Der Zweck des General Agreement on Trade in Services (GATS) wird am deutlichsten bei den öffentlichen Dienstleistungen sowie den staatlichen Ge- setzen und Verordnungen für das Dienstleistungsgewerbe in den einzelnen Ländern. Im Sinne des GATS gelten viele dieser staatlichen Regelungen, nicht mehr bloß Zollschranken, als Handelshemmnisse. Regierungen und Parlamente werden zu Privatisierung und Deregulierung gedrängt, und damit werden auch staatliche Souveränitätsrechte angetastet. Die Befürchtungen scheinen zunächst unbegründet. Denn in Artikel I, Absatz 3 des Abkommens heißt es ausdrücklich, daß Dienstleistungen, die »in Ausübung hoheitlicher Gewalt« und »weder zu kommerziellen Zwecken noch im Wettbewerb mit einem oder mehreren Dienstleistungserbringern« erbracht werden, von der Liberalisierung ausgenommen sind. Andere Paragraphen betonen, daß die gesetzliche Regulierung des Dienstleistungsbereichs der Souveränität eines jeden Landes überlassen bleibt. Außerdem ist das Verhandlungskonzept des GATS so gestaltet, daß die beteiligten Staaten selbst bestimmen können, in welchen Bereichen sie ihre Märkte öffnen wollen und in welchen nicht. Dennoch weisen alle Erfahrungen in dieselbe Richtung: Privatisierung. Oder hat man in den letzten Jahren je davon gehört, daß irgendwo private Dienstleistungsunternehmen kommunalisiert oder nationalisiert worden wären? Artikel IX des GATS sieht ausdrücklich vor, daß die beteiligten Staaten in regelmäßig aufeinander folgenden Verhandlungsrunden schrittweise einen immer höheren Stand der Liberalisierung erreichen sollen. GATS ist nicht abgeschlossen, sondern ein »kontinuierliches Unternehmen«, wie das Sekretariat der World Trade Organisation (WTO) feststellt. Dem dient auch eine Arbeitsgruppe, die die Verhandlungsrunden vorbereitet und begleitet, indem sie alle bestehenden nationalen Regulierungen sogenannten Necessity-Tests unterwirft und in den einzelnen Staaten sogar Einfluß auf die Willensbildung des Gesetzgebers zu nehmen versucht. Diese Working Party for Domestic Regulation stellt alles noch einmal als Handelshemmnis auf den Prüfstand, was unsere Politiker und tonangebenden Medien schon seit zwanzig Jahren als fragwürdig, weil ökonomisch ineffizient, erkannt haben: von den Ladenöffnungszeiten bis zu Arbeitsschutz- und Umweltschutzbestimmungen. Bei aller demokratischen Korrektheit der GATS-Verhandlungen (ein Land, eine Stimme) läßt sich auch nicht übersehen, daß die Industrienationen als Hauptanbieter von Dienstleistungen im Grunde das Sagen haben und daß die Dynamik des Prozesses von mächtigen multinationalen Dienstleistungsunternehmen ausgeht, die expandieren möchten und dazu global einheitliche Bedingungen brauchen. Bezeichnenderweise wurde der Handelsbeauftragte der US-Regierung, William Brock, der das Thema Anfang der 80er Jahre auf die Tagesordnung gebracht hatte, nach seinem Ausscheiden aus diesem Amt Vorsitzender der Multilateral Trade Negotiations Coalition, einer der wichtigsten Lobbygruppen in der Uruguay-Runde, bestehend aus 18 multinationalen Konzernen mit Sitz in den USA. Indem das GATS den öffentlichen Dienst und jegliche innerstaatliche Regulierung der Dienstleistungsmärkte infragestellt, setzt es die ohnehin bröckelnde Souveränität der Staaten weiter unter Druck. Allerdings in unterschiedlicher Weise. Am massivsten in der Dritten Welt, wo die staatliche Verwaltung und Sozialordnung oft erst wenig entwickelt ist und nun durch die Angebote multinationaler Unternehmen – beispielsweise in der Wasser- oder Gesundheitsversorgung – verdrängt werden kann. Aber auch die Industrieländer sind nicht alle gleich betroffen: Der »Rheinische Kapitalismus«, für den der öffentliche Sektor und eine umfassende soziale Sicherung konstitutiv sind, wird durch das GATS in seiner Identität getroffen, während der »angelsächsische« in seiner Identität bestätigt wird. Am Ende bleiben wie im Bereich der äußeren Sicherheit die USA als einzig wirklich souveräner Staat zurück. Die Reaktion der EU auf diesen Angriff ist bisher zweideutig: Sie behält sich grundsätzlich das Recht vor, zahlreiche öffentliche Dienstleistungen vor privater Konkurrenz zu schützen, hat im Einzelnen aber eine ganze Reihe Liberalisierungsangebote gemacht und treibt im Binnenmarkt die Liberalisierung voran.
Erschienen in Ossietzky 15/2004 |
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