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Horst Köhler, neuer Bundespräsident. – Sie haben in Ihrem Amtseid die »Hilfe Gottes« für sich ebenso herbeigewünscht wie nach Ihrer Wahl den »Segen Gottes für unser Land« und in Ihrem neuen Buch »Offen will ich sein« diesen Ihren Gott als »eine Instanz« beschrieben, »die über den Menschen steht«, als »etwas Höheres, das mit dem menschlichen Verstand nicht zu erfassen und nicht zu erklären ist«. Diese Vorstellungen seien Ihnen als Ihre Privatangelegenheit unbenommen. Wir hoffen nur, daß es nicht dieselbe »Instanz« ist wie die des US-amerikanischen Präsidenten, dieser grausame und heimtückische Gott, der George W. Bush ermächtigt, die Welt mit »Kreuzzügen« zu überziehen, das »Böse« auszurotten, das Völkerrecht nach Gutdünken zu brechen und die Weltöffentlichkeit anzulügen. Johannes Rau, Vorgänger. – Zum Abschied predigten Sie Ihren Schäfchen noch einmal Verzicht: Die gegenwärtigen Reformen würden für die nächste Generation angestrebt, »um deren willen wir möglicherweise ein Stück von dem abgeben, was wir uns an Lebensqualität erarbeitet haben«. Wer genau ist wir? Wie groß ist das Stück? Warum sprechen Sie von möglicherweise? Ihr Vorhang fällt, und diese Fragen bleiben offen. Angela Merkel, Kanzlerin in spe. – Wer glaubte, Sie hätten Ihr christliches Herz durch ein Hornissennest ersetzt, wurde von Ihnen eines Besseren belehrt: »Wenn Hartz IV so wie von Rot-Grün geplant in Kraft tritt, wird es bei den Betroffenen viele Enttäuschungen geben.« Wie wahr: Eine Million Arbeitslose werden enttäuscht sein, daß der Staat sie mit Arbeitslosengeld II in Armut stürzt. Weitere 560 000 werden Enttäuschung darüber empfinden, daß man ihnen die Unterstützung komplett streicht. Andere wird es nach Vermittlung auf untertariflich bezahlte Arbeitsplätze und Minijobs enttäuschen, daß sie trotz ihrer harten Arbeit dauerhaft in Armut leben müssen. Sie haben vermutlich Recht: Zu mehr als Enttäuschung wird es bei den allermeisten Opfern der von Ihnen eingeforderten neoliberalen Politik nicht kommen. Falls sich diese Enttäuschung an gesellschaftlichen Randgruppen entlädt, dann wohl leider nicht an Berufspolitikern. Götz George, Gagenmillionär. – Mit einer flammenden Ansprache an die deutsche Nation haben Sie bewiesen, daß Sie das Zeug zum Bundespräsidenten haben. Dummdreist daherschwätzen können Sie ganz wie ein Profi: »Wir Deutsche klagen auf zu hohem Niveau. Wir sollten mit dem, was wir haben, zufrieden sein, nicht immer nur jammern. Uns geht es sehr, sehr gut«. Das wird die über zwei Millionen Sozialhilfeempfänger, zur Hälfte Kinder, bestimmt sehr, sehr überraschen. Den Deutschen, für die Sie sich anmaßen zu sprechen, zeigten Sie diesen Ausweg aus der Krise: »Wir sollten uns lieber wieder auf das Wesentliche konzentrieren: Familie, früh aufstehen und arbeiten.« Und Sie gehen mit gutem Beispiel voran: »Ich bin gern bereit, mich für ein Projekt einzusetzen, auch wenn ich mal auf 100 Euro verzichten muß.« Leider müssen wir diese Antwort jetzt abbrechen, da Tränen der Rührung uns das Sichtfeld verschmieren. Susanne Dohrn, vorwärts-Chefredakteurin. – Die Austrittswelle macht Ihnen Sorge. Nicht die, von der die Partei betroffen ist, deren Mitgliedermagazin Sie betreuen, sondern der Mitgliederverlust der Gewerkschaften: »Die Menschen fragen sich, was habe ich eigentlich von der Mitgliedschaft im meiner Gewerkschaft, außer daß diese mir pausenlos suggeriert, ich sei in der falschen Partei und wähle die falsche Partei.« Es sei »höchste Zeit, umzusteuern« und das Herumkritteln an der SPD-geführten Bundesregierung zu unterlassen, empfehlen Sie den Gewerkschaftsführungen. Guter Rat, wie man groß und stark wird, wirkt ja besonders überzeugend und animierend, wenn er von der heutigen SPD kommt. Klaus-Peter Schöppner, Stardemoskop. – Als Chef des Meinungsforschungsunternehmens Emnid erklären Sie regelmäßig den Bürgerinnen und Bürgern, was diese zu meinen haben. Jetzt sind Sie richtig ärgerlich geworden: Bei der Arbeitsmarktpolitik erweise sich die Mehrheit der Deutschen als »verständ-nislos und arrogant«, nur 29 Prozent hätten eingesehen, daß durch unbezahlte Mehrarbeit neue Jobs entstünden, 62 Prozent seien immer noch für Arbeitszeitverkürzung. Ihre eigene Option hingegen: Rauf mit den Arbeitszeiten, runter mit dem Lohnniveau – dann entstehen überall neue Arbeitsplätze. Wenn das stimmt und wenn es auch für die Demoskopiebranche zutrifft, versetzt es uns in Schrek-ken: Sie setzen noch mehr Zeit für die Volksaufklärung ein (aber so ganz ohne Honorarausgleich vielleicht doch nicht), und neben Ihnen machen sich weitere kleine Schöppners an ihren neuen Job – nicht auszudenken! Verlag und Chefredaktion der Welt. – Es lohnt sich, Ihre Zeitung nicht ungelesen zu lassen. Da wird im Klartext beschrieben, wohin die gesellschaftspolitische Reise der Bundesrepublik gehen soll. So etwa: »Die Gewerkschaften müssen endlich zur Besinnung kommen. Sie sollten zweierlei akzeptieren: Es gibt keine soziale Gerechtigkeit, und der Markt wird am Ende der Sieger sein« – heißt es in einem Leitartikel von Christoph B. Schiltz. »Ohne Armut geht es nicht«, ist ein Kommentar anläßlich der großkoalitionären Einführung des Arbeitslosengeldes II betitelt, worin Peter Gillies verkündet, die Wettbewerbsgesellschaft brauche Ungleichheit als »Motor«. Und Stefan von Borstel kommentiert Hartz IV: »Die Verlierer des Strukturwandels müssen lernen, daß sie von der Gemeinschaft nicht mehr länger auf unbestimmte Zeit versorgt werden können. Sie müssen selber für sich sorgen und dabei auch Einbußen hinnehmen. Es ist Ironie des Schicksals, daß gerade ein sozialdemokratischer Kanzler und ein sozialdemokratischer Arbeitsminister in Deutschland diesen Wandel durchsetzen müssen.« Anzumerken ist: Hinter dem Schein des »Schicksals« sind durchaus Akteure zu erkennen, Kapital- und Politikstrategen, wissende und unwissende Betreiber des von Ihnen gelobten Wandels. Sie sollten auch Ihre eigenen Verdienste um das »Schicksal« nicht unter den Scheffel stellen. Frank Castorf, Ruhrvertriebener. – »Stalinistische Methoden« haben Sie dem DGB und der Stadt Recklinghausen vorgeworfen, als diese Ihnen die künstlerische Leitung der Ruhrfestspiele entwinden wollten. In den Medien las man darob Beifall, weil Sie die »Lernunfähigkeit« der Gewerkschaften gegeißelt hätten. Aber keiner betrauerte Sie Ärmsten, der nun als Opfer des Stalinismus im sibirischen Gulag zugrunde geht.
Erschienen in Ossietzky 14/2004 |
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