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Drei jüdische Künstler, die jetzt zusammen ausgestellt werden in Hamburg, im Ernst-Barlach-Haus im Jenisch-Park an der Elbe (noch bis zum 5.September). Nicht nur die Künstler, auch einen Teil ihrer Werke haben die Nazis vernichtet, schon vorher, 1937. Zwei große Plastiken Otto Freundlichs wurden damals aus dem Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg abtransportiert für die Schandausstellung »Entartete Kunst«. Seine Skulptur »Der neue Mensch«, einen 139 Zentimeter großen Kopf, benutzten die Nazis als Titelbild des Ausstellungskatalogs. Eine archaisch anmutende Plastik, die an ozeanische Kunst denken läßt. Heute gilt sie als »verschollen«. Freundlich, der schon immer plastisch arbeiten wollte, mußte Bittbriefe schreiben. 300 Mark brauchte er, um ein Atelier für drei Monate mieten zu können. Er hätte sich mit Bildern bedankt. Vergebens bettelte er, um ein zwei Meter hohes Werk zu vollenden: »Eine Plastik höheren Formats kann man nicht in einem Hotelzimmer arbeiten, schon wegen des Gewichts und der großen Schmutzereien, die das Abgießen der Form in Gips, das Waschen der Stückform etc. immer mit sich bringt.« Professor Max Sauerlandt, Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg, der Freundlich förderte und ihm oft half, lehnte die Bitte ab. Er sah Freundlichs Begabung eher in »dekorativer Flächenkunst«. Auf die zog sich der Künstler dann zurück. Er hatte 1914 in Chartres ein Atelier im Nordturm der Kathedrale bezogen, um die Glasfenster zu studieren. Daran knüpfte er nun an. Statt der Riesenköpfe abstrakte Ölbilder in glühenden Farben. Auch ein Glasfenster für einen Sammler schuf er, der – auf Sauerlandts Interventionen hin - »den Auftrag an Freundlich auch tatsächlich bezahlte«, wie der Katalog lakonisch informiert. Der Künstler bedankte sich, indem er Sauerlandt ein Exemplar seiner Graphikmappe »Die Zeichen« sandte, die unterwegs verloren ging und nochmals geschickt wurde. Diese Zinkgravüren, kurz nach dem 1. Weltkrieg entstanden – Freundlich war Sanitätsoffizier – zeigen Mensch-lein, zusammengepfercht wie in einer Höhle, Knochenhände, Himmelsgesichter und amorphe Wesen wie im Tanz – das, was übrig blieb. Der Künstler, der immer wieder mal in Paris lebte und dort alle berühmten Maler der Zeit kennenlernte, war auch mit Moissey Kogan bekannt. Sie hatten schon 1912 zusammen ausgestellt. Sauerland förderte auch Kogan, von ihm kaufte er Werke an. Er begeisterte sich für die zarten Frauengestalten in Zeichnung oder Druckgraphik, als Relief oder Terrakottafigürchen. Das Unfertige, Archaische, roh und zerbrechlich zugleich, zog ihn an. Kogan, der ebenfalls oft den Wohnsitz wechselte und kaum Geld für Bronzegüsse hatte, fand für sich die Lösung in dieser kleinen Form. Er lernte Aristide Maillol kennen, mit dessen Kunst er vieles gemeinsam hatte. Wie aber ist wohl der »freundschaftliche Kontakt« zu Arno Breker zustande gekommen, Hitlers späterem Lieblingsbildhauer, dessen monumentale Plastiken alle Dimensionen sprengten? Breker hatte ein paar gravierte Steine von Kogan aus Paris mit nach Deutschland genommen und sogar eine Büste von Kogan angefertigt, die der 1929 in Berlin in seiner Ausstellung bei dem Galeristen Alfred Flechtheim zeigte. Kogan wurde 1943 in der Gaskammer ermordet, der andere setzte nach 1945 als Chefplastiker der deutschen Industrie seine Karriere fort. (Vor dem Wuppertaler Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium soll jetzt Brekers schwerbewaffnete Athene aufgestellt werden.) Vor dem dritten Künstler, Paul Gangolf, warnt der Katalog als »Persönlichkeit voller Widersprüche, Zweifel und Selbstmitleid«; er habe zu »selbstzerstörerischem Handeln« geneigt. Der Jude, der zudem überzeugter Kommunist und auch noch homosexuell war, äußerte sich 1935 auf der Straße antinazistisch, wurde verhaftet und war »für acht Monate nicht zu Hause, wie man wohl heute sagt« – Gangolf schrieb es in einem Brief an die Witwe seines Förderers Gustav Schiefler. Nicht zu Hause hieß: im KZ. Gangolf, dessen Werk an George Grosz erinnert, brachte im Berliner Malik-Verlag 1922 seine Mappe mit expressionistischen Lithographien zu »Metropolis« heraus und schon 1919/20 Graphiken, die widerspiegeln, was er erlebt haben mag als Soldat. Er hatte sich freiwillig gemeldet wie damals so viele. Das Blatt von 1924 »Im Stacheldraht« gibt dem Grauen deutlichen Ausdruck. In der Hamburger Ausstellung finden sich auch Holzschnitte, Aquarelle und Gouachen von Gangolf. Die Radierung »Großer Kopf« von 1926/27 zeigt in drei Teilen, was mit einem Gesicht geschehen kann: Die Konturen verschwimmen, es zerfällt. Oder ist es umgekehrt zu lesen: Aus einem Unfertigen, Zerfließenden bildet sich ein Kopf heraus, der widersteht? Im Katalog (»Freundlich, Gangolf, Kogan – Drei Künstlerschicksale«, Eigenverlag des Ernst-Barlach-Hauses, 112 Seiten, 19 € ) fehlt der Brief eines Sammlers, der Gangolf 1931 in London besuchte. Ein Einblick in dieses Leben. Er sei, schreibt der Sammler, »viel gewohnt«, da er Künstler in ihren erschreckenden materiellen Sorgen erlebt habe, »aber so schlimm, so deprimierend wie dieser Fall ist mir noch keiner begegnet«. Das Ende 1939 formuliert der Katalog: »Auf der Flucht erschossen«.
Erschienen in Ossietzky 14/2004 |
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