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Von 1907 bis 1912 schrieb Lessing für Siegfried Jacobsohns Schaubühne, die spätere Weltbühne. »Meine Beiträge gelten – mit bestem Recht – als das weitaus Wertvollste und Eigentüchtigste, was die im übrigen mehr auf sogenannte ›Aktualitäten‹ eingestellte Zeitschrift zu vergeben hat«, rühmte er 1913, nach dem Bruch, seine Mitarbeit, die er »meist ohne oder mit geringer Honorierung« geleistet habe. Nun aber nannte er Jacobsohn einen »geltungsgierigen galligen kleinen Mann«, ein »zwerghaft kleines, greisenhaftes junges Kerlchen, dick in Decken eingewickelt, Milch von Zeit zu Zeit schlürfend und dazwischen Marzipan knabbernd«. Jacobsohn verfügte ebenfalls über die Fähigkeit, sich verbal aufzuplustern, und schrieb, nachdem beide in einem Gerichtsverfahren aneinandergeraten waren, in der Schaubühne einen Artikel unter dem Titel »Herr Lessing«, worin er verkünde-te: »Die literarische Karriere dieses Menschen ist vernichtet, seitdem er von mir abgefallen ist.« Lessing wiederum urteilte: »Dieser literarische Typus ist der gemeinschädlichste und der amusischste, der sich heute finden läßt. Er mordet jede edlere Geistigkeit. Er verödet jede zartere Schöpferkraft. Der Mann ist gescheit, scharfgeistig, ewig moralisch entrüstet, geschwollen – superlativisch und emphatisch – übertreibend, unkeusch, machtwillig, gernegroß, federgewandt und überklug.« Jeder Überwollende hätte Lessing mit gleichen Attributen bewerfen können. Solches Niedermachen wäre unerträglich, wenn nicht zumeist auch Witz und Selbstironie eingemischt wären, etwa wenn Lessing schreibt, man werde Thomas Mann »mit einer wirklich feinen, hochnoblen Geste vom Leder ziehen sehen, um ein Läuschen zu töten. Ich aber, dieses Läuschen, werde mich bemühen (aus purer Bosheit und Lust an Verstellung), so zu tun, als ob ich kein Läuschen sei, sondern ein Löwe.« Er bescheinigt dem Romancier ein »zartes Talent, getragen von defektem Menschentum«. Direkt an Thomas Mann adressiert schreibt er: »…von Kunst wissen wir genau so viel, wie wir litten. Sie, lieber Tom, sind zu roh und klein für mein Seelenrecht, wissen viel zu wenig von Kunst. Ihr Schmerz hat Tränen. Ach, darum schwimmt Ihnen immer die Größe davon.« Er trumpft auf: »Nein, Thomas Mann, Sie sind kein Dichter! Nur ein hochgezüchtet Marzipan-Mann aus Lübeck.« Nennt ihn den »mächtigsten Zuckerkönig deutscher Leihbibliotheken«. Beschwert sich dann, daß diese Auseinandersetzung von »Thomas Mann zu würdelosem Literatenstreit erniedrigt« worden sei. Und widmet »den Reinertrag, der etwa aus meiner Satire und dem Thomas Mannschen Pamphlete erzielt wird, der – großen Karnevalsgesellschaft in Köln«. Der auch als »Weib« (mit Frau Katia als »Mann«) Verspottete reagiert tief verletzt: Lessing sei ein »benachteiligter Zwerg, der froh sein sollte, daß auch ihn die Sonne bescheint«, ein »Schreckbeispiel jüdischer Rasse«. Verallgemeinert gar: »die Juden Lessing und Kerr« seien »geborene Feinde«. Gegenüber Menschen, die ihm autoritär begegnen, entwickelt Lessing ein zwanghaftes Verlangen, sie psychisch zu verletzen. Eine psychologisch überzeugende Erklärung dafür liefert Hanjo Kesting im Vorwort, wo er an ein in der Jugend erlittenes Trauma erinnert, auf das einst schon Kurt Hiller und Sigmund Freud hingewiesen haben: »Lessings tyrannischer Vater, ein erfolgreicher Modearzt schlug den Fünfzehnjährigen eines Tages so heftig, daß es ihm fortan nicht mehr gelang, ohne Schmerzen eine gerade Haltung anzunehmen. Das daraus resultierende Rückenmarksleiden begleitete ihn durch sein ganzes Leben und machte ihn zum halben Krüppel.« Daß Lessing als Niedermacher immer auch sich selber niedrig macht, darf seine Größe nicht vergessen machen: Hellsichtig wie wenige analysierte er seine Zeit und seine Zeitgenossen. Und ihm gelangen Formulierungen, die in Stein gehauen zu werden verdienen: »Im August 1789 beschlossen die Menschen, Weltbürger zu werden. Im August 1914 beschlossen sie das Gegenteil.« In den beiden ersten Bänden der Gesammelten Werke (drei weitere sind geplant, für die Konzeption bürgt Jörg Wollenberg) waren Nationalismus/Antisemitismus und Bildungsreform die Hauptthemen. Aus den folgenden wird viel zu lernen sein über Ökologie, Lebensreform, Frauenemanzipation, Friedenserziehung und andere gesellschaftliche Aufgaben, mit denen er sich in einer Zeit beschäftigte, als sonst noch kaum jemand daran dachte. Schade, daß manche Texte nur auszugsweise wiedergegeben sind. Es wächst der Wunsch nach einer Gesamtausgabe. Theodor Lessing: »Theater-Seele und Tomi melkt die Moralkuh«, Schriften zu Theater und Literatur, Donat Verlag, 393 Seiten, 19.80 Euro
Erschienen in Ossietzky 13/2004 |
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