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Die Redner – unter ihnen der Vorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Bernd Posselt, der selbst für die CSU im Europa-Parlament sitzt – kündigten an, sie würden den Tschechen auch künftig keine Ruhe lassen und die Forderung nach Aufhebung der Beneš-Dekrete als »europäisches Problem« weiterhin hochkochen. Kurz vor der Europawahl sollte die CSU als großartige Vertreterin sudetendeutscher Interessen erscheinen, die Bundesregierung als deren Verräterin. Dazu paßte, daß der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber mit reichlich Pathos die vor 50 Jahren übernommene Schirmherrschaft des Landes über die Sudetendeutschen als »Bayerns vierten Stamm« (neben Altbayern, Franken und Schwaben) erneuerte. Nur Folklore? Aufmerken ließ der Nachdruck, mit dem auf diesem 55. Sudetendeutschen Tag der Kausalzusammenhang zwischen NS-Verbrechen und Umsiedlung der Deutschen aus den östlichen Nachbarländern nach dem zweiten Weltkrieg geleugnet wurde. Landsmannschaftssprecher Johann Böhm wandte sich gegen die Auffassung, der »Krieg sei der eigentliche Auslöser der Vertreibung« gewesen. Nein, sagte er, die tschechischen Vertreibungspläne seien schon auf das 19. Jahrhundert zurückgegangen. Auch bei der Gründung der ersten Tschechoslowakischen Republik 1918/19 hätten tschechische Politiker derartige Absichten geäußert. »Hitlers brutale Politik hat also nicht die Vertreibungspläne entstehen lassen, sie hat sie realisierbar gemacht«, befand Böhm. Die Sudetendeutschen treffe an all dem keine Schuld, noch 1935 (in dem Jahr, als die Sudetendeutsche Partei Konrad Henleins bei den Parlamentswahlen zwei Drittel der sudetendeutschen Stimmen auf sich vereinigte) hätten die Parteien des demokratischen Spektrums bei weitem die Mehrheit gehabt. Im übrigen sei der Anteil der Nazi-Gegner unter den Sudetendeutschen besonders hoch gewesen. Die Begeisterung der überwältigenden Mehrheit der Sudetendeutschen für den Anschluß an das faschistische Deutschland fand Böhm »verständlich«: »Sie wollten nicht ›Nazis‹, sie wollten Deutsche sein.« Stoiber pries Böhms Rede als »sehr mutige Worte, die vielleicht nicht jedem gefallen haben. Was Hans Böhm hier sehr präzise geschildert hat, das ist die Wahrheit...« Der Hintergrund dieser von der Landsmannschaftsspitze bislang höchstens implizit, nie so deutlich geäußerten Argumentation war leicht zu verstehen, wenn man am Vortage beim Witikobund, der »nationalen Gesinnungsgemeinschaft« innerhalb der Landsmannschaft, die Darlegungen zum Thema »Jetzt: Individual-Beschwerden Sudetendeutscher beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte« gehört hatte. Thomas Gertner, Anwalt der 79 Personen, die im April Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht haben, um ihr »Eigentum« in Tschechien zurückzuerhalten, erläuterte die Erfolgsaussichten: Es seien verschiedene juristische Hürden zu überwinden, vorrangig aber sei es, »die europäischen Richter davon zu überzeugen, daß es ein Völkermord war«. Wenn der »Völkermordcharakter der Vertreibung« (den nicht einmal der von der bayerischen Staatsregierung mit einem Gutachten zu den Beneš-Dekreten beauftragte Völkerrechtler Nettesheim hatte erkennen können) akzeptiert werde, dann sei »mit Sicherheit davon auszugehen, daß wir die Beschwerden gewinnen«. Erforderlich hierfür sei der »lückenlose Nachweis, daß die Elimination der Sudetendeutschen schon ab 1918, spätestens aber ab 1938« geplant gewesen sei. Zwar hat Posselt kürzlich in der Sudetendeutschen Zeitung dargelegt, daß individuelle Eigentumsklagen seiner Meinung nach so gut wie keine Aussichten auf Erfolg haben. Böhm und Stoiber sind vermutlich realistisch genug, um diese Meinung zu teilen. Sie setzen auf politischen Druck, um die tschechische Regierung zur Unterwerfung unter die Forderungen der Landsmannschaft und der CSU zu bewegen. Aber warum nicht den Bemühungen des Witikobundes Vorschub leisten und abwarten, ob sie nicht wider Erwarten doch Erfolg haben? Zumal die Verbreitung der Völkermord-These ganz dem geschichtsrevisionistischen Kurs entspricht, dem auch das Projekt »Zentrum gegen Vertreibungen« des Bundes der Vertriebenen dient, für das sich Stoiber in seiner Rede in Nürnberg erneut vehement eingesetzt hat. Bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz will er dafür eine neue Initiative starten. Unterstützung verspricht er sich von dem neuen Bundespräsidenten – »der ja das Flüchtlings- und Vertriebenenschicksal aus eigener Erfahrung kennt« und »sich für dieses Zentrum ausgesprochen hat«.
Erschienen in Ossietzky 12/2004 |
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