Impressum Plattform SoPos |
Schockschwerenot! Der von Ihnen benutzte Internetbrowser stellt Cascading Style Sheets nicht oder - wie Netscape 4 - falsch dar. Unsere Seiten werden somit weder in dem von uns beabsichtigten Layout dargestellt, noch werden Sie diese zufriedenstellend lesen oder navigieren können. Wir empfehlen Ihnen nicht nur für unsere Internet-Seiten, auf einen anderen Browser umzusteigen - z.B. Netscape 6/Mozilla, Opera, konqueror. Heuchler an Frankreichs KüsteKurt Pätzold Die Bezugnahmen auf den 60. Jahrestag der Invasion begannen zeitig im Jahre 2004. Eine der frühen Verlautbarungen zum geglückten beispiellosen kriegerischen Unternehmen an der Atlantikküste verband sich zu Jahresanfang mit einem bemerkenswerten Schritt der Französischen Republik. Einem, wohl dem letzten lebenden Teilnehmer an der Verschwörung des 20. Juli, Philipp von Boeselager, wurde in Paris in einem Festakt der Offiziersgrad der Ehrenlegion verliehen. Ein Berater der für die Ehrung zuständigen Europaministerin wurde gefragt, was der Antrieb für diese späte Heraushebung des Verdienstes eines deutschen Widerständlers gewesen sei. Die Antwort stellte eine Verbindung zu dem Tag her, der den Bewohnern des besetzten Frankreich als der Eröffnungszug ihrer Befreiung von mehr als vierjähriger nazideutscher Besatzung galt: »Wir fragten uns, wie wir den Franzosen vermitteln könnten, daß auch viele Deutsche den 6. Juni als Beginn der Befreiung empfinden können.« Die Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, die den schillernden Satz zitierte, hat ihn unschwer als einen Halbedelstein ausgemacht, der in jenes Geschichtsbild eingepaßt werden konnte, das derzeit mal leise, dann wieder tönend zwischen Saar und Neiße vertrieben wird: Die Befreier kamen aus dem Westen, die Besatzer aus dem Osten. Der Beginn der Befreiung auch der Deutschen datiert folglich nicht von der in Osteuropa zwischen Dezember 1941 und Januar 1943 erkämpften Wende des Krieges her, sondern erst von der Landung zwischen Le Havre und Cherbourg. Nun also fand dort eine Zeremonie statt, die alle seit 1954 veranstalteten an Reklame, Aufwand, Pomp und auch Kosten weit übertraf. Nahezu zwei Dutzend Staats- und Regierungschefs waren in der Normandie zu Gaste. Zum ersten Mal nahm ein deutscher Bundeskanzler teil. Hatte sein Vorgänger 1994 noch gemeint, an einem solchen Tage würden Deutsche nichts zu feiern haben, gilt jetzt, sie hätten das doch, und zwar die »Geburtsstunde Westdeutschlands«. Das schließt die Ostdeutschen nicht völlig aus. Mehrfach wurde erwähnt, daß sie zum Kreis der Glückhaften ja dazugestoßen seien, halt – bedauerlicherweise – erst mit großer geschichtlicher Verspätung. Die früh an Schröder ergangene Einladung wurde gefeiert als ein Schritt zur Normalisierung. Was ließe sich darunter begreifen? Im verflossenen Jahrzehnt hatte sich manches ereignet, was gewandeltes und erhöhtes Interesse an dem Tag entstehen ließ und den einen Anlaß zur Beschwörung des Ereignisses gab, anderen zum Nachdenken über dessen Bedeutung. In Europa war wieder Krieg geführt worden – gegen Jugoslawien. Auch in den vorderen Orient, der nach den Plänen der deutschen Militärs als Kriegsschauplatz im Jahre 1942 (nach »Barbarossa«) vorgesehen war, es dank der Widerstandskraft der UdSSR dann doch nicht wurde, hatten die USA mit ihrem Verbündeten Großbritannien und weiteren europäischen Unterstützern Krieg getragen. Sie scheuten sich nicht, die Aggression gegen Bagdad mit Verweis auf den 6. Juni 1944 propagandistisch zu verbrämen, also von den Kämpfen an der französischen Atlantikküste zur Besetzung des Irak kühn eine Traditionslinie zu ziehen. Es war diese Demagogie, welche die Voraussage risikolos machte, die »gigantische Show« in der Normandie werde leider auch ein Fest der Heuchelei werden. Das schrieb der Wiener Standard. Andrei S. Markovits formulierte im Tagesspiegel sein Mißvergnügen am Tage zuvor so: »Im Großen und Ganzen bin ich über die diesjährigen Feierlichkeiten zum D-Day betrübt. Kein einziges der hohen Tiere findet meine politische oder emotionale Zustimmung.« In beiden Fällen knüpfte sich das Unbehagen in erster Linie, aber nicht ausschließlich an den Gast im Mittelpunkt: Georg W. Bush. Markovits, US-Staatbürger, nannte ihn, den er niemals als seinen legitimen Präsidenten betrachten werde, den »womöglich schlechtesten Präsident in der Geschichte unserer Republik«. Und das Wiener Blatt meinte, Bush, der »mit solcher Anmaßung und mithilfe von falschen oder gefälschten Informationen über Massenvernichtungswaffen sein Land in den Krieg mit dem Irak« führte, habe mehr als jeder andere dazu beigetragen, »die moralische Autorität der Vereinigten Staaten zu verspielen«. Innerlich knurrend und greinend mag der Präsident dem Rat gefolgt sein, in seinen Reden in Frankreich das Wort Irak am besten nicht in den Mund zu nehmen. Selbst für die Wahlpropaganda im eigenen Lande hat es offenbar das Verfallsdatum inzwischen überschritten. Doch half das dem Ansehen des Politikers wenig. Die Auslassung wertete niemand als Ausdruck schlechten Gewissens oder gar veränderter Gesinnung. Zumal auch die letzten noch lebenden Veteranen der Schlacht, Männer, die als junge Burschen die Zweiten Front eröffneten und nun zumeist im neunten Lebensjahrzehnt angelangt sind, sich durch Komplimente, diverse Ehrungen und späte Auszeichnungen für die Ziele der Machthabenden nicht durchweg als bloße Statisten in Anspruch nehmen ließen. Einer von ihnen, der in den USA lebende einstige Infanterist Art Wardlow bestand darauf, daß der Krieg gegen den Irak, den die USA angezettelt hätten, »ohne verdammten Grund« geführt worden sei. Der »Marsch auf Bagdad« sei kein gerechter Krieg gewesen, sondern eine Schande. Es bleibe nur ein Weg, der, den sein Land in Vietnam schon einmal gegangen sei: »Abhauen«. Es wäre interessant zu ermitteln, in welchen in Deutschland gedruckten Zeitungen oder Zeitschriften der 84jährige und ihm Gleichgesinnte mit derlei Äußerungen zu Worte gekommen sind. Wetten könnten da schwer verloren werden. Im Überangebot waren die Geschichten von der Versöhnung der Oberen wie der kleinen Leute unter-, aber vor allem miteinander. Dem Volke soll die Religion schließlich erhalten bleiben.
Erschienen in Ossietzky 12/2004 |
This page is hosted by SoPos.org website
<http://www.sopos.org> Contents copyright © 2000-2004; all rights reserved. Impressum: Ossietzky Maintained by webmaster@sopos.org |