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Dieser Sieg im Kalten Krieg hat den USA zweifellos die meisten Punkte eingebracht. Wie kam er zustande? Trotz der Entspannungspolitik konnte das Wettrüsten in den 70er Jahren hauptsächlich in zwei Richtungen weitergehen: Entweder die Erstschlagswaffen wurden so verbessert, daß sie die Zweitschlagswaffen (Vergeltungswaffen) des Gegners ausschalten konnten, der Überraschungsangriff also wieder möglich wurde. Oder man wappnete sich gegen einen eventuellen Erstschlag des Gegners mit einem Raketenabwehrsystem und machte damit Verteidigung wieder möglich. In die erste Richtung ging in den USA die Entwicklung computergesteuerter Raketentechnik schon seit langem, und Ende der 70er Jahre war eine solche Treffgenauigkeit erreicht, daß ein entwaffnender Erstschlag denkbar schien. Damit war das Gleichgewicht des Schreckens zumindest gestört. Hinzu kam ein entsprechender Wechsel der amerikanischen Strategie: Der große, verheerende Atomkrieg sollte jetzt dadurch vermieden werden, daß der begrenzte, gewinnbare und damit führbare Atomkrieg an seine Stelle trat. (Carters Entscheidung in der Präsidentendirektive 59 vom Juli 1980 basierte auf Planungen Kissingers und Nixons von 1974.) Damit suchten die USA der Pattsituation und der dadurch bewirkten Lähmung ihrer Weltmachtpolitik zu entkommen und wieder »handlungsfähig« zu werden. Die letzte Phase des Kalten Krieges war eröffnet. Für die andere Richtung, den Aufbau eines Raketenabwehrsystems, versuchte Reagan 1983 die amerikanische Nation zu gewinnen – mit großem propagandi-stischen und finanziellen Aufwand, aber mit wenig Erfolg. An diesem Projekt einer »tödlichen Utopie der Sicherheit« (Eppler) wird auch unter dem derzeitigen Präsidenten Bush weitergearbeitet. Die Sowjetunion hat auf die neue amerikanische Strategie zunächst reagiert, indem sie ideologisch die Lehre vom gerechten Krieg wieder aktualisierte, faktisch aber ihr Abschreckungspotential weiterentwickelte, also weiterhin mit einem totalen Vergeltungsschlag drohte. Unter Gorbatschow hat sie sich dann jedoch das sozialdemokratische Programm der Sicherheitspartnerschaft zu eigen gemacht und es umzusetzen begonnen. Das Konzept der Sicherheitspartnerschaft ging wie die Abschreckungsdoktrin davon aus, daß ein Atomkrieg nicht gewinnbar wäre, sondern beide Seiten als Verlierer zurückließe. Es wollte aber im Unterschied zur Abschreckungsdoktrin diese militärische Situation nun nicht bloß institutionalisieren, sondern politisch über sie hinausführen. Die Einsicht, daß die Gegner im Kriegsfalle gemeinsam sterben müßten, sollte zu dem Entschluß führen, trotz aller Gegnerschaft gemeinsam überleben zu wollen. An die Stelle des gegenseitigen Mißtrauens sollte schrittweise Vertrauen treten. »Beide Seiten müssen Sicherheit erlangen, nicht vor dem Gegner, sondern gemeinsam mit ihm«, hieß es im Palme-Bericht. Die politische Vertrauensbasis sollte durch einseitige kalkulierte Abrüstungsschritte gewonnen werden, durch Umstellung auf defensive Rüstung und Strategie. Der Verzicht sollte nach und nach auf andere – politische, wirtschaftliche oder ideologische – Kampfmittel ausgeweitet werden und in fernerer Zukunft schließlich die Blöcke überflüssig machen. Sicherheitspartnerschaft war so etwas wie »intelligente Feindesliebe« (Carl Friedrich von Weizsäcker). Trotz bleibender Gegnerschaft sollte Gemeinsamkeit erstrebt, der andere sollte in seinem ärgerlichen Anderssein anerkannt werden. Jeder sollte sich in den anderen hineinversetzen und dessen Sicherheit auch zum eigenen Anliegen machen. Man unterstellte, im Atomzeitalter hätten beide ein gleiches Überlebensinteresse; von keiner Seite wurde also selbstloser Verzicht gefordert. So gingen die USA von der atomaren Abschreckung zu einer Drohpolitik ähnlich wie zu Anfang des Kalten Krieges über, die Sowjetunion zu einer Politik der Sicherheitspartnerschaft. Die USA haben nach herrschender Meinung mit ihrer Strategie den Kalten Krieg gewonnen. Ist das Programm der Sicherheitspartnerschaft demnach gescheitert? War es eine Art Kapitulationserklärung? Hatte es nicht, zumindest von heute her gesehen, utopisch-schwärmerische Züge? Oder haben die USA den Kalten Krieg nur gewonnen, weil die Sowjetunion sich nicht zum Heißen Krieg entschließen konnte, sondern ihnen entgegenkam? Wurden sie dadurch zum Sieger, daß sie dieses Entgegenkommen ausnutzten? Wer nach der Ethik der Feindesliebe handelt, muß in der Tat damit rechnen, daß er dabei den Dummen macht. Dennoch wäre, wenn wir dieser These folgen, das Konzept der Sicherheitspartnerschaft die latente Grundlage des gegenwärtigen Friedens, und die Sowjetunion hätte es bis zur Selbstpreisgabe praktiziert. Das Konzept der USA aber hätte nicht nur zu ihrer militärischen Vorherrschaft geführt, sondern auch zum gegenwärtigen Unfrieden, das heißt dazu, daß die vielen heißen Kriege wieder möglich wurden und das Völkerrecht an Kredit ver liert. Denn die USA sind – wie in der Weltwirtschaft – an Destabilisierung interessiert, um dann nach Belieben den Stabilisator spielen zu können.
Erschienen in Ossietzky 11/2004 |
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